Armdrücken ist auf der schwarzen Liste

Konzertkritik: The Beauty Of Gemina
Bildquelle: 
www.thebeautyofgemina.com / @ Manuel Vargas Lepiz

Standing Ovations, die The Beauty Of Gemina durchaus verdienen, sind der Lohn für ein aussergewöhnliches Konzert im Moods. Einen umjubelten Auftritt, wider dem Klischee, das Akustik-Konzerte inzwischen komplett out seien, gibt die international bekannte Schweizer Gothic-Rockband. Den letzten Song spielt Sänger, Gitarrist und Pianist Michael Sele wie als kleines Dankeschön an die Fans ganz alleine mit einer akustischen Gitarre. Es ist gleichzeitig ein sich schliessender Kreis für ein grossartiges Konzert. Denn was Sele im sehr gut besuchten Moods mit einer Soloeinlage am Piano leise beginnt, beendet er nicht ganz zwei Stunden später ähnlich gefühl- und stilvoll. 

 

Armdrücken auf der schwarzen Liste

 

Dass das Konzert gut besucht ist, hält Michael Sele für keine Selbstverständlichkeit. «Bei meinem ersten Gig in Bern wurde ein einziges Ticket im Vorverkauf gekauft», verrät Sele. «Das hätte mich noch motiviert, aber die Person kam nicht. Das Konzert habe ich trotzdem komplett gespielt - ausser den Zugaben.» Überhaupt zeigt sich Michael Sele als geschickter Bandleader, erzählt Anekdoten und erlaubt Einblicke in das bandinterne Nähkästchen. So erfährt das Publikum, dass Armdrücken bei der Band auf der schwarzen Liste der Risikosportarten steht. Schlagzeuger Mac Vinzens hat sich nämlich einst auf diese Weise den Arm gebrochen, kurz vor einer Tour. 

 

Im Moods funktioniert sein Arm aber bestens. Vinzens haut wie wild auf das Schlagzeug, wenn Bedarf besteht, entlockt seinem Instrument aber auch leichte Klänge, an Stellen, an denen es gilt, zurückhaltend zu agieren. Das Kompliment lässt sich direkt auf den Rest der Band ausweiten. Die Harmonie, die unter den Mitgliedern herrscht, überträgt sich direkt auf die Lieder. Man soliert genüsslich und wirft sich in wunderbaren Instrumentalparts vergnügte Blicke zu, steigert sich in furiosen Parts und windet sich genüsslich in verwirbelt-psychedelischen Momenten. Harmonierende Arrangements und eine Band, die sich bestens aufeinander abgestimmt hat. Teilweise spielen gar alle Musiker nur musikalische Phrasen, die zusammen fast wie von selbst ein berauschendes Mosaik ergeben. 

 

Würdig und dunkel wie Cash und Cave

 

Oft ist die Kraft der Songs von The Beauty of Gemina gut zu hören, Sele und seine Kollegen beherrschen aber genauso gut auch die leisen Töne, lehnen sich stellenweise fast ein wenig bei Country und Folk an. Das Spiel mit der Dynamik in den Songs beherrscht die Band perfekt. Sele erinnert in seiner Stimmfarbe gelegentlich an eine Mischung aus Johnny Cash und Nick Cave. Würdig und dunkel, verrucht und doch irgendwie verschmitzt. Sein Gesang transportiert charismatisch die Lyrics und für Auftrieb unter den Flügeln sorgen die Musiker. Von der Band bis zu den Gastmusikern, einer klassischen Cellistin vom Opernhaus Zürich sowie einer Violinistin, die der sonst schon vielseitigen Musik von The Beauty Of Gemina weitere Aspekte zufügen. 

 

Wieso aber der akustische Auftritt? Michael Sele erklärt im Laufe des Konzertes, dass ihr Manager sie immer wieder dazu gedrängt habe und die ersten Gigs voller Freude bereits gebucht hat, bevor auch nur ein Songs arrangiert war. Am Schluss des Konzertes steht der Band aber der Stolz über das Konzept förmlich ins Gesicht geschrieben und ohne Zweifel beweisen The Beauty Of Gemina an diesem Samstag, dass das Label «Akustisch» längst nicht verstaubt ist. Der Applaus zeigt, dass die Zuschauer diesen Eindruck ebenfalls teilen.

Patrick Holenstein / So, 17. Feb 2013