Pure Energie – Fatoumata Diawara tanzt mit Zürich
Man sollte Fatoumata Diawara unbedingt live erleben. Es liegt nicht an den Fähigkeiten der hervorragenden Pop-Rock-Band, mit der sie derzeit durch Europa tourt. Es liegt nicht am Mix im Kaufleuten, dessen präzisen, ausgewogenen Sound keine Wünsche offen lässt. Es liegt auch nicht an den Songtexten in Bambara – einer Sprache, die für die meisten im Publikum unverständlich bleibt.
Fatoumata Diawara sollte man live gesehen haben, weil sie ein Ereignis ist. Ihre Stimme, mal rau, mal weich, durchdringend, sanft, in allen vorstellbaren Registern, hat sofortigen Wiedererkennwert. Unvergleichbar ist auch ihre körperliche Bühnenpräsenz: Die Energie, welche die Dreiundvierzigjährige ausstrahlt und mit ihren Tänzen, Hüpfen, ihren Schreien, ihrem Gitarrenspiel auf die Bühne bringt, wirkt ansteckend. An einer Stelle dreht sie sich zum Schluss eines Liedes minutenlang um ihre eigene Achse. Sie bringt das Zürcher Publikum, welches anfangs noch plaudernd Weisswein trinkt, bald zum Jubeln, Johlen, Tanzen und Springen.
Zugegeben; die Geschichten, welche Diawara in Spoken Word vor instrumentellem Hintergrund zwischendurch erzählt, sind mitunter plakativ. Dies mag an ihrem begrenzt wirkenden englischen Wortschatz liegen. Oberflächlichere Elemente wie Zahlen zur Migration oder Parolen zur weiblichen Ermächtigung wirken etwas flach; auch die Bilder aus verschiedenen Videoclips, die im Bühnenhintergrund eingespielt werden (um Kontext zu den Songs zu geben?), haben eine generische Qualität. Origineller sind die visuellen Elemente der malischen Kultur sowie eine Trillerpfeife, die sie immer wieder einsetzt – und zum Schluss eine afrikanische Maske, die visuell vielschichtig und ambivalent wirkt.
Ähnlich generisch beginnt Fatoumatas Erzählung zur Genitalverstümmelung, die vielerorts auf dem afrikanischen Kontinent weiterhin zahlreiche Opfer fordert. Doch dann erzählt sie ihre eigene Geschichte – aus der abstrakten Grausamkeit wird ein persönliches Bekenntnis. Es ist still im Saal. Kein Weisswein, kein Geplauder – volle Aufmerksamkeit.
Schnell findet die Band zurück zum Ausdruck purer Energie. Sie spielen bekanntere Songs wie «Nterini» und «Nsera», viele davon schneller als auf den Studioaufnahmen. Fatoumata dankt vielen weiblichen Vorbildern, nennt unter anderem Nina Simone, Ella Fitzgerald als Einflüsse, bevor sie ein Lied anstimmt, in dem man Spuren von Simones Song «Sinnerman» wiedererkennt. Wir glauben Diawara alle, wenn sie gegen Ende des Konzerts ins Mikrofon ruft: «I try to live every day like it is my last!»
Fatoumata Diawara ist eine performative Kraft, ihre Bühnenpräsenz wirkt ansteckend.