Die Queens of the Stone Age waren nie mein Hauptding.

Interview mit Mark Lanegan
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Promobild

Die Musiklegende Mark Lanegan gilt als schwieriger Interviewpartner. Bäckstage nahm sich trotzdem der Herausforderung an und traf den Amerikaner kurz vor seinem Auftritt im Zürcher Kaufleuten. Trotz Vorwarnungen stellte sich Mark Lanegan gleich zu Beginn als sehr sympathischer und gutgelaunter Musiker heraus und unterbrach den Livestream seines Lieblingsbasketball-Teams für ein Gespräch, nachdem er uns einen Tee gekocht hat. 

 

Mark, heute ist dein viertes Konzert in der Schweiz und morgen wird das fünfte innerhalb nur eines Jahres sein. Gibt es etwas, dass du speziell magst an der Schweiz?

 

Die natürliche Schönheit, die man zuerst bemerkt, wenn man in die Schweiz kommt, und das Publikum ist immer sehr warm mir gegenüber. Seit den 80ern komme ich hierher und bin von den Leuten immer freundlich empfangen worden. Es ist einer dieser Orte, bei denen ich den Aufenthalt immer sehr geniesse.  

Du bist extrem beschäftigt – fast pausenlos auf Tournee und andauernd kommen neue Alben und Kollaborationen heraus. Woher nimmst du die Energie und Inspiration, das alles zu machen?

 

Ich fühle mich gesegnet, etwas zu machen, dass ich mag, und meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Musik ist meine Leidenschaft und ich liebe es, Musik zu machen. Ich war immer an Musik interessiert und habe immer Musik gehört. Auch wollte ich schon immer singen. Bereits als kleines Kind habe ich für mich bei unserem Haus gesungen. Für mich hat sich mein Leben zum Traum entwickelt und es ist ein Segen, dass ich herumreisen, Musik machen und mit Leuten über Musik sprechen kann. Es ist mein Leben und ich liebe, was ich tue, deshalb braucht es für mich nicht mehr Energie als zu atmen.  

Machst du auch mal Pause von der Musik?

 

Natürlich mache ich mal eine Pause. Zum Beispiel, wenn ich von einer Tour zurückkomme. Dann hänge ich mit meiner Freundin und meinen Tieren ab, bevor ich die Gitarre wieder hervornehme und Songs schreibe. Es gibt immer Zeit für solche Sachen, aber ich muss meine Zeit schon koordinieren. Nach dieser Tour beispielsweise habe ich während der Weihnachtszeit einen Monat frei und im Januar starte ich mit den Aufnahmen für ein neues Album. Während dieses Monats kann ich also nicht nur meine freie Zeit geniessen, sondern bereite auch das nächste Ding vor. Das ist der Lauf der Dinge. 

Auf der einen Seite haben wir dich als Musiklegende und auf der anderen Duke Garwood, ein sehr talentierter, aber eher unbekannter Mann. Wie kam es zu der Kollaboration mit Duke für das in diesem Jahr erschienene Album «Black Pudding»?

 

Ihn habe ich durch Isobel Campbell kennengelernt. Sie hat mir eine CD von ihm geschenkt, als ich mit ihr Aufnahmen in Schottland gemacht habe. So habe ich ihn zum ersten Mal gehört und wurde sehr schnell ein Fan von ihm. Später habe ich ihn getroffen, als ich mit einer anderen britischen Band gespielt habe – den Soulsavers. Steve Gullick von den Soulsavers hat eine weitere Band, die Tenebrous Liar heisst. Und in seiner Band war an einem Abend auch Duke und sie haben für uns den Support gespielt und so haben wir uns getroffen. Später haben wir einige Tourneen zusammen gemacht, wie zum Beispiel die Akustik-Tour mit den Gutter Twins und ich habe auch eine akustische Tour gemacht, bei der nur ich und ein Gitarrist spielten. Duke hat bei all diesen Tourneen für uns Support gemacht. Dadurch sind wir zu viert im Auto herumgereist, haben uns sehr gut kennengelernt und wurden gute Freunde. Mein Interesse an seiner Musik wuchs bis zu einem Punkt, an dem ich dachte, dass es Spass machen würde, mit ihm ein Album aufzunehmen. Er schrieb also die Musik und ich übernahm das Singen. Er hat mir danach Musik via Mail gesendet – sehr viel Musik – und ich suchte mir einige Ideen raus, zu denen ich Texte schreiben konnte und die auf das Album kamen. Es ist aufregend, da wir heute Abend einiges von diesem Material spielen werden. Die aktuelle Tour ist für zwei Alben, da ich «Black Pudding» und später «Imitations» in diesem Jahr aufgenommen habe. Deshalb habe ich eine Band zusammengestellt, die beide Sachen spielen kann und es macht sehr viel Spass! Nochmals – ich kann mich glücklich und gesegnet schätzen!

 

Ich bin ein grosser Fan von einem dieser Sänger, Andy Williams. Drei der Songs auf «Imitations» sind von ihm – meiner Meinung nach ist er einer der grössten Sänger aller Zeiten!

 

Ist dies auch die Art, wie Featurings, beispielsweise mit UNKLE, zustande kommen?

 

Dies ist unterschiedlich. Ich kenne James Lavelle schon lange und er hat mich vor langer Zeit für ein Featuring auf einem UNKLE-Album angefragt. Jedoch gab es immer wieder Terminkonflikte und als er mich das letzte Mal gefragt hat, klappte es. Normalerweise funktioniert das so. Wenn du fast 30 Jahre im Musikgeschäft bist, triffst du auch viele Musiker und viele davon werden Freunde und sie nehmen Platten auf und fragen an, ob du Featurings machen möchtest. Und manchmal sage auch ich: «Lass uns ein Album aufnehmen.» Es geschieht also auf beiden Wegen, sowohl dass ich es vorschlage, aber auch, dass ich angefragt werde. 

 

Kürzlich hast du auch noch ein zweites Album herausgebracht – «Imitations», ein Coveralbum. Wie hast du dir die Songs herausgesucht?

 

Bevor ich die Songs ausgesucht habe, habe ich die Sänger ausgewählt, da es ein Tribut-Album an eine gewisse Art von Künstlern werden sollte. In den Staaten wird der Stil oft als Easy-Listening bezeichnet und kriegt nicht wirklich viel Anerkennung als Kunstform, sondern wird eher als kitschige und schmalzige Kabarett-Musik betitelt. Ich bin ein grosser Fan von einem dieser Sänger, Andy Williams, und drei der Songs auf «Imitations» sind von ihm – meiner Meinung nach ist er einer der grössten Sänger aller Zeiten! Ich wollte also ein Album aufnehmen mit einigen Songs, die von ihm stammen. Ich fand dann zusätzlich einen Song von Frank Sinatra, den ich mochte und auch einen Nancy-Sinatra-Song, der mir gefiel. Danach habe ich an einige zeitgenössische Künstler gedacht, die ich mag und die sowohl gute Songwriter sind als auch in das Album passten. Deshalb habe ich Nick Cave ausgewählt und den Song, den mir Greg Dulli vor langer Zeit gegeben hat. Chelsea Wolfe habe ich zu dieser Zeit gerade gehört – sie war sehr neu und fantastisch. Ich habe also diese Songs gehört und fand sie passend, um mit älteren Songs zusammenzumischen und ein komplettes Album aufzunehmen. So ein Album wollte ich schon lange machen und dass es endlich geklappt hat, macht mich sehr glücklich.

 

Du hast auch The XX gecovert, zusammen mit Martina Topley-Bird. War der Song für «Imitations» geplant und hat es nicht auf das Album geschafft?

 

Das war etwas, worum Martina mich gebeten hat. Wir sind schon lange Freunde und ich habe bereits auf ihrer ersten CD gesungen, da sie beim gleichen Label war. Es gab irgendwann ein Projekt für eine EP, bei dem verschiedene Künstler The XX coverten. Ich war in der Stadt und sie fragte mich, ob ich bei den Aufnahmen dabei wäre. Schlussendlich wurde aber aus der EP nichts, sie mochte jedoch den Song, weshalb sie ihn herausbrachte. Ich mag den Song auch sehr.

 

In einem Interview, das du nach «Blues Funeral» gegeben hast, konnte man lesen, dass du mittlerweile lieber an Hochzeiten als an Beerdigungen singst. Deine Alben sind jedoch nach wie vor sehr düster und der Tod ist omnipräsent auf «Black Pudding». Schreibst du manchmal auch fröhliche Songs?

 

Ich denke, Freude liegt im Auge des Betrachters. Ich würde es nicht unbedingt Fröhlichkeit nennen, aber es gibt dieses Gefühl, das ich manchmal kriege bei gewissen Songs, die andere als düster oder morbide bezeichnen. Jedoch führen sie dazu, dass ich mich gut fühle wegen der Vertraulichkeit und dem Gefühl dabei. Diese Songs können etwas behandeln, das ich gesehen, gefühlt oder gedacht habe oder sie erzählen von Erlebnissen, die jemandem im meinem Umfeld oder mir widerfahren sind. Auch wenn ich manchmal einen Song nicht selbst geschrieben habe, so kann es passieren, dass dies ein Song für mich wird, da er entweder eine Geschichte von mir erzählt oder auch eine Geschichte, die ich über mich hören möchte. Was ich versuche zu sagen: Die Freude des einen ist des anderen Trauer! Ich habe nie wirklich infrage gestellt, woher die Musik kommt, sondern habe sie einfach gemacht und einige Leute haben mir gesagt, dass sie es schätzen, da sie die gleichen Gefühle erlebt haben. Es gibt gewisse Songs von Nick Drake, die sehr traurig sind und trotzdem will ich sie immer wieder anhören, da sie irgendwie fesselnd sind. Ich denke, das ist es auch, was manche Leute bei meiner Musik spüren und was sie damit verbindet. 

Was hörst du eigentlich im Moment so für Musik?

Da ich mich momentan in einer Schreibphase für das nächste Album der Mark-Lanegan-Band bin, das ein Nachfolger von «Blues Funeral» sein wird und mit der gleichen Band entsteht, höre ich viele Soundtracks. Erst kürzlich habe ich mir den Soundtrack von John Carpenters «The Fog» angehört. Aber auch Sachen vom italienischen DJ Donato Dazzy. Ich weiss nicht, ob man es als Techno bezeichnen kann, aber er hat ein Cover-Album der Band Bee Mask gemacht. Dieses Album «Donato Dozzy plays Bee Mask» habe ich sehr oft gehört. Es kann sehr obskure Musik sein, die ich mir anhöre. Wenn ich auf Tour bin, dann höre ich auch oft die deutsche Ambient-Band Gas. Aber wenn ich im Van unterwegs bin und schreibe, dann schaue ich aus dem Fenster und höre mir einen guten Soundtrack an. 

Ich würde es nicht unbedingt Fröhlichkeit nennen, aber es gibt dieses Gefühl, das ich manchmal kriege bei gewissen Songs, die andere als düster oder morbide bezeichnen.

 

Kürzlich hatten wir ein Interview mit Troy van Leeuwen, aber leider nicht nach den Desert Sessions gefragt. Kommt da vielleicht wieder einmal was?

 

Ich weiss, dass Josh dies sehr gerne machen würde, aber er ist sehr beschäftigt. Er hat nun eine Familie mit Kindern und Queens of the Stone Age sind grösser, als sie es jemals waren. Wir müssen wohl Zeit finden, um eine Desert Session zu machen, denn ich weiss, dass es ihm sehr gut gefallen hat – allen, die involviert waren, hat es grossen Spass gemacht und viele, die das Material hören, haben Gefallen daran. Ich würde es super finden, wenn es wieder eine Sesssion geben würde und ich weiss, dass Josh gleich denkt. Es ist einfach eine Frage, Zeit dafür zu finden, da er übermässig beschäftigt ist. 

Du hast mit den Queens of the Stone Age am neuen Album gearbeitet. Sie haben im Interview gesagt, dass es war, wie wenn Freunde vorbeikommen und mit ihnen jammen und singen. Du warst früher ein Teil von QotSA. War es somit nie eine Option für dich, wieder etwas mit QotSA als Hauptsänger zu machen?

 

Darüber haben wir nie gesprochen. Wir haben zusammen einige Texte geschrieben für ein paar Songs und ich habe bei einem Lied gesungen. Aber die Queens of the Stone Age waren nie mein Hauptding. Sie sind Freunde von mir und ich geniesse es mit ihnen Sachen zu machen, wenn sich die Möglichkeit ergibt. 

Wie viele Alben wirst du eigentlich im nächsten Jahr herausbringen?

 

Ziemlich sicher nur eines. Es ist ziemlich eigenartig für mich, zwei Alben in einem Jahr herauszubringen. Dies geschah, da ich nicht die volle Verantwortung für das eine Album hatte. Duke machte ja die Musik und ich musste nur noch den Gesang beisteuern. Beim anderen Album waren alle Songs bereits geschrieben, deshalb war es einfach, zwei Alben zu machen. Zusätzlich möchte ich auch nicht zu viel herausbringen in einem Jahr, da es zu viel zum Anhören ist für die Leute. Zu Beginn des nächsten Jahres kommt ein Anthology-Album heraus. Die eine CD wird ein Best-Of sein und die andere enthält unveröffentlichte Songs. Das Album der Mark-Lanegan-Band kommt voraussichtlich im Herbst auf den Markt. Somit kommen schlussendlich doch wieder zwei Alben heraus, jedoch nur eines, wofür ich tatsächlich verantwortlich bin. 

Mark Lanegan - «I’m Not The Loving Child» 

 

 

Hansjürg Stämpfli / Di, 26. Nov 2013