«Ich spürte die Chance, mein Hobby zum Beruf zu machen»

Interview mit Donavon Frankenreiter
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ww.donavonf.com / © Noah Abrams

Interview geführt von Markus Frei Willis

 

Donavon Frankenreiter, der US-amerikanische Musiker, ehemalige Surf-Profi und langjährige Freund von Jack Johnson, spielte am Dienstag, 6. August, im Komplex Klub in Zürich. Mein Intervietermin ist gleichentags auf 16 Uhr angesagt. Um 14 Uhr öffne ich meine Mailbox und lese das E-Mail von Donavons Tourmanager Tim, das er mir um 12 Uhr gesendet hat: «Kannst du jetzt kommen? Donavon möchte surfen gehen! Wann kannst du hier sein?» Hmm, das bringt meinen Tagesplan etwas durcheinander. Also fahr ich in den Komplex Klub und treffe dort erst mal Tim, ein kleiner, freundlicher Amerikaner mit Bart und Surfshorts – so sieht am Nachmittag übrigens die ganze Band aus, ausser Donavon, der lange Hosen trägt. Donavon begrüsst mich an der Bar, auf der ein paar Snacks und Getränke stehen. Seine blond-grauen Haare quellen unter einem schwarzen Hut hervor, der gleichfarbige Schnauz könnte einem ausgewachsenen Walross entstammen. Freundlich stehen wir an der Bar, ich schalte den Recorder ein und los geht es: 

 

 

Hello Donavon, nice to meet you.

Hello. Machen wir also ein Lunch-Interview? (Es ist 3 Uhr nachmittags und Donavon nibbelt gerade an ein paar Snacks an der Bar des Komplex Klub, während sich die Band auf den Soundcheck vorbereitet. Anm. d. Red.)

 

Ja, sieht so aus. Der Songtest deines Liedes «Move by Yourself» enthält die folgenden Passagen: «A  friend said: Don’t stop doing what you believe in / dont let them put you on a shelf / they said if I left I’d just be all left alone». Welcher Freund war das, der das zu dir sagte, und zu welchem Zeitpunkt in deinem Leben?

 

Das war mein Vater, damals war ich in der Highschool. In meiner Schule wurde das Surfen, das ich schon seit dem Alter von 10 Jahren mit Begeisterung betrieb, nicht unterstützt oder gefördert. Also sagte mein Vater: «Wir nehmen dich für drei Jahre von der Schule und du machst Heimunterricht, dann kannst du gleichzeitig deine Surfkarriere voranbringen. Dann gehst du ins letzte Semester zurück und machst deinen Abschluss.» Das war der Moment in meinem Leben, um den Mut aufzubringen, meinen eigenen Weg zu gehen und mein Talent und meine Leidenschaft zu entwickeln. Mein Vater war derjenige, der mich dabei gefördert hat. Damit hat er mir eine wichtige Lektion erteilt: Finde deine Leidenschaft und lebe sie. Gleichzeitig bleibe aber auf dem Boden, arbeite hart an deinen Zielen und kümmere dich nicht darum, was die anderen tun oder sagen, geh deinen eigenen Weg.

 

Es gibt immer Leute, die sagen: «Vergiss es, das schaffst du nie.» Aber wenn du an etwas glaubst, dann musst du einfach dein Ding durchziehen.

 

Damit hat also deine Surfkarriere begonnen und gleichzeitig machtest du deinen Schulabschluss?  

Ja, genau so war es. Ich konnte mehr Zeit mit Surfen verbringen und machte nebenbei meine Schularbeiten zu Hause. Es ist natürlich einfacher, sich mit einem bequemen Leben zufrieden zu geben, als seine eigenen Talente und Leidenschaften zu entdecken und zu entwickeln und dann dieser inneren Stimme auch zu folgen. Denn diese Reise beginnst du ganz alleine und in der Tat macht es zu Beginn Angst, seinen eigenen Weg zu gehen. Es gibt immer Leute, die sagen: «Vergiss es, das schaffst du nie.» Aber wenn du an etwas glaubst, dann musst du einfach dein Ding durchziehen. Ich erinnere mich gut an diese Zeit, als alle sagten, das würde ich nie schaffen und ich würde als Versager enden.   

Aber du bist doch in Kalifornien am Strand aufgewachsen? 

Nein, nicht direkt am Strand, sondern in einer Stadt, die fünfzehn Minuten vom Strand entfernt liegt. In meiner Highschool hatte noch nie jemand zuvor eine professionelle Surfkarriere geschafft und deshalb hat es mir auch niemand zugetraut. Aber allen Widrigkeiten und negativen Prophezeiungen zum Trotz hab ich mein Ding durchgezogen und meine Eltern haben mich dabei unterstützt. Dafür bin ich ihnen mein Leben lang dankbar.

 

In einem früheren Interview sagtest du, dass es Jack Johnson war, der deine Musikkarriere ins Rollen gebracht hatte und dass du ohne ihn sicherlich nicht da wärst, wo du jetzt bist. 

Ja, das stimmt. Man kann ja nie wirklich sagen: «Was wäre, wenn …» Ich hatte zu dieser Zeit auch ein paar andere Deals am laufen, denen ich hätte nachgehen können. Es gab ein Angebot für einen Plattenvertrag direkt mit Universal und noch mit einer anderen Plattenfirma. Und dann eben Brushfire Records (das Label von Jack Johnson, Anm. der Red.). Meine erste Platte mit Jack zu machen, fand ich damals die bestmögliche Option, zumal Jack ein wirklich guter Freund war – und noch immer ist. Und der Hammer war dann, was nach der Produktion meines Albums geschah: Eine zweijährige Welttournee als Vorband von Jack. Das war ganz bestimmt die eigentliche Initialzündung meiner Musikkarriere. 

Also wusstest du zu diesem Zeitpunkt – wie damals als Teenager mit dem Surfen – dass du von nun an professionell Musik machen willst? 

Mir wurde das erst zu der Zeit bewusst, in der ich mit Jack auf Tournee war. Da spielte ich das erste Mal vor richtig grossem Publikum und ich sass dann mit ihm im Flugzeug und entschied, dass ich an all diese Orte, an welche mich Jack mitgenommen hatte, werde zurückkommen müssen, aber diesmal mit meiner eigenen Band. 

Das war also der Auslöser, der dich nahtlos von deiner Surfkarriere in deine neue Karriere als Musiker transportierte? 

Ja genau. In diesem Moment spürte ich erstmals, dass ich nun die Chance hatte, mein Hobby zum Beruf zu machen. Mir war aber auch bewusst, dass ich nun die Ärmel hochkrempeln musste, wenn ich diese Chance wirklich packen wollte. Es war eine ziemliche Herausforderung, denn ich trat genau dann ins Musikgeschäft ein, als die Verkaufszahlen von CDs in der ganzen Industrie in den Keller stürzten. Mir wurde da auch bewusst, dass, wenn man als Musiker überleben will, man immer auf Tour sein muss.

 

                 © Stéphane Kaeser

 

In einem anderen Interview hab ich gelesen, dass heutzutage mit den Veränderungen in der Musikbranche nur noch wenige Künstler von den CD-Verkäufen leben können. Wie sieht es aber zum Beispiel mit Jack Johnson aus, gilt dasselbe auch für ihn?  

Nein, Jack könnte. Er verkauft … ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber Jack verkauft Millionen von CDs weltweit. Jack könnte morgen aufhören zu arbeiten; er hätte schon nach seinem ersten Hit-Album in Rente gehen können. Jack ist ein Superstar. Ich stelle ihn in Punkto kommerziellem Erfolg auf die gleiche Stufe wie etwa Lady Gaga. Jack macht wirklich ’ne Menge Kohle – nicht, dass das für ihn das Wichtigste wäre, aber …

 

Als guter Freund weisst du, wie sein Leben heute aussieht? 

Jack hat die totale Kontrolle über sein Leben. Er macht genau das, wonach er Lust hat, er tut es zu seinen Konditionen und in seinem Tempo.  

Also denkst du nicht, dass er sich als Superstar nun einen Grossteil seiner Zeit mit Anwälten und Managern und Verträgen abmüht? Denkst du, dass er sich nicht von dem ganzen Kommerz «reinziehen» lässt, wo er nun so erfolgreich ist? 

Nein, nicht Jack. Jack hat andere Leute, die ihm diese Arbeit abnehmen. Seine Frau ist darin zum Beispiel sehr stark. Ich kenne die Details seiner Organisation nicht, weiss aber, dass er wunderbare Leute um sich hat, die sich um alles kümmern. Und wenn du so erfolgreich bist, wie Jack, dann kannst du alles machen, was du willst. Das heisst, dass du auch bestimmen kannst, womit du deine Zeit verbringen willst.

 

Stell dir vor, du bist in den Olymp des Musikbusiness aufgestiegen und der Erfolg schlägt voll und hart zu. Warum sollte man zu diesem Zeitpunkt kürzer treten und es ruhig nehmen?

 

Das stimmt, man könnte. Aber wenn man manchmal die Geschichten von den Stars wie Lady Gaga oder Madonna oder Robbie Williams liest, hat man den Eindruck, dass sich diese alle vom Kommerz zu stark reinziehen lassen und irgendwann ausbrennen. Es scheint, als müssen diese Getriebenen alle ihre Mega-Welttourneen machen, ihr eigenes Modelabel und Parfum vermarkten, endlos Pressekonferenzen abhalten … 

Nicht Jack. Jack nimmt sich Zeit – he moves slow. Er wird sich nie ausbrennen. Aber du musst auch die faszinierende Seite des Erfolgs berücksichtigen. Stell dir vor, du bist in den Olymp des Musikbusiness aufgestiegen und der Erfolg schlägt voll und hart zu. Warum sollte man zu diesem Zeitpunkt kürzer treten und es ruhig nehmen? Deine Erfolgswelle kann in fünf, sechs, sieben Jahren abklingen oder schon morgen. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiss ist und alles geben, wenn das Glück auf deiner Seite ist. 

Auf euerer Europatournee spielt ihr wohl auch vor grossem Publikum. Warum hier in Zürich in diesem eher intimen, kleinen Rahmen im Komplex Klub? Habt ihr das so ausgesucht oder wurde es euch einfach angeboten?  

Das wurde uns so angeboten. Wir erwarten heute so gegen 400 Leute. Das ist ein toller Raum, ich liebe es auch, in kleinen Clubs zu spielen. 

Was machen professionelle Surfer eigentlich, wenn sie so ab 30 Jahren «pensioniert» werden? Gehen sie dann einer Tätigkeit als Coach nach oder finden was in der Surfindustrie, zum Beispiel bei den grossen Sponsoren? 

Das weiss ich nicht genau. Ich denke schon, dass viele in dieser Industrie etwas finden. Jeder muss dann so seine Nische finden. 

Da dein Übergang vom Surfer zum Musiker ziemlich smooth verlaufen ist, musstest du dich mit dieser Thematik selber nie beschäftigen?

 

Ja, das stimmt, darüber hab ich nie nachgedacht. Ich bin aber auch in der Surfindustrie noch voll verankert. Ich hab immer noch meine Sponsoren, ich surfe auch selber immer noch so oft wie möglich und promote weiterhin einige der grossen Marken. Ich denke, wenn du frisch und lebendig bleibst und den Sponsoren Inhalte lieferst, die sie zusammen mit deinem Namen vermarkten können, dann sind alle glücklich damit. Und ich habe ja auch das Glück, dass meine Surfer-Freunde und Fans mit mir altern und auch meine Musik unterstützen. 

Was sind deine Vorstellungen für einen gelungenen Lebensentwurf für deine beiden Buben, die jetzt 6 und 10 Jahre alt sind? Wie sollten sie ihr Leben leben? 

Ich hoffe zutiefst, dass Sie eine Leidenschaft finden. Ein Sohn liebt das Surfen und das Fischen. Sie sind noch so jung, aber ich werde sie so gut ich kann ermutigen, fördern und sie dabei unterstützen, das zu tun, was sie tun möchten. 

Aber du denkst nicht, dass sie unbedingt einen Abschluss einer Top-Universität brauchen?   

Wenn es das ist, was sie möchten, dann werde ich sie dabei voll unterstützen und fördern. Whatever they wanna do! 

Aber du wärst auch nicht traurig, wenn aus ihnen Surfer oder Musiker würden?

 

Nein, aber sie lieben es genauso wie ich. Sie sind besessen davon. 

Vom Surfen? Oder auch von der Musik?

Ja, auch von der Musik. Mein Sohn spielte auf unserer letzten US-Ostküsten-Tour jeweils Schlagzeug beim letzten Song des Konzerts. Er war begeistert davon.

 

Deine Söhne heissen Ozzy und Hendrix. Ich nehme an, das ist eine Referenz an zwei uns allen bekannte Rockmusiker? 

Korrekt. Ich brauchte einfach starke und aufregende Namen für den eher langen Familiennamen Frankenreiter, ich wollte sie nicht einfach John oder Dave nennen.

 

In Hawaii hat es das ganze Jahr durch gute Wellen. Natürlich, die grössten Wellen sind im Winter an der Nordküste der Inseln, aber weil es eine Insel ist, hat es immer an mindestens einer Küste gute Wellen.

 

Ist die Mutter deiner Kinder nicht ängstlich, wenn ihre Söhne draussen im Meer in den grossen Wellen surfen? 

Nein, sie ist auch mit ihnen draussen, sie liebt es genauso wie die Kinder. 

Meine Frau ist in Australien am Strand aufgewachsen und möchte auch wieder zurück nach Australien, um unserem Sohn denselben Beach-Lifestyle zu ermöglichen, mit dem sie selbst aufgewachsen ist, und ihm die Gelegenheit zu geben, den Spass am Surfen zu entdecken und ein guter Surfer zu werden. Einerseits haben Mütter diesen Beschützerinstinkt und wollen Kinder vor Fehlern beschützen, anderseits muss man seine Kinder selbst ihre Welt entdecken lassen, um ihre Talente und Interessen kennenzulernen. Als ich sie auf dieses Dilemma ansprach, meinte sie: «Wenn er Surfen lernen will, muss er zuerst ein guter und starker Schwimmer werden, also müssen wir ihm das Schwimmen beibringen.»

 

Die Mutter deines Sohnes muss eine weise Frau sein. Ich denke genauso: Wenn die Kinder Interesse an einer Sache gefasst haben, kann man sie nicht davon abhalten, sie werden immer einen Weg finden, diesen Interessen nachzugehen, wenn sie etwas wirklich wollen. Als Eltern musst du es ihnen ermöglichen und sie darin unterstützen. Am besten lernt man aus Fehlern. 

Welche Zeit ist eigentlich gut zum Surfen in Hawaii? 

In Hawaii hat es das ganze Jahr durch gute Wellen. Natürlich, die grössten Wellen sind im Winter an der Nordküste der Inseln, aber weil es eine Insel ist, hat es immer an mindestens einer Küste gute Wellen.  

Seit wann lebst du mit deiner Familie in Hawaii? 

Seit sechs Jahren. Wir sind von Kalifornien dorthin gezogen. Wir lieben es und fühlen uns manchmal immer noch wie in einem Traum. 

Okay, das wär’s. Ich danke dir für deine Zeit.

 

Das war es schon? Cool. Hey, wenn nachher der Typ kommt und uns aufs Boot mitnimmt, kommst du mit uns surfen, wäre doch cool, oder? Also, bleib mal in der Nähe.

 

Am Abend spielte Donavon Frankenreiter im Komplex Klub. Bäckstage war beim Konzert dabei. Die Kritik findet ihr HIER

markusfreiwillis / So, 11. Aug 2013