Lenny Kravitz mit Selbstironie im Hallenstadion

Konzertkritik: Lenny Kravitz

Nach einem umjubelten Kurzauftritt am «Energy Stars4Free» vom Freitag, doppelte Lenny Kravitz am Samstag mit einem kompletten Konzert in der selben Stätte nach und brachte das Hallenstadion mächtig zum Beben.

 

Lenny Kravitz gibt sich emotional

Doch vor Lenny gehörte die Bühne einem Künstler, der die Bezeichnung «Special Guest» wirklich verdient hat: Raphael Saadiq. Saadiq benötigte genau einen seiner rhythmisch clever aufgebauten und treibenden Songs, um das Stadion auf Betriebstemperatur zu erhitzen. Der Kalifornier und seine sechsköpfige Band legten eine Spielfreude auf die Bühne, als wäre es ihr allererstes Konzert und machten vergnügt «s Chalb», zum Beispiel mit herrlich unkoordinierten Choreografien. Saadiq gehört nicht umsonst zur Speerspitze des Neo-Soul, das wurde in der halbstündigen Performance sehr deutlich. Die Truppe zeigte sich als soulender Wirbelwind, umgarnte die Leute aber auch mit gepflegtem Blues. Die Mischung aus musikalischer Klasse und Blödeleien auf der Bühne hat perfekt gestimmt. Das Stadion war mehr als bereit für Lenny Kravitz.

 

Und der startete gleich mit einem Paukenschlag und «Come On Get It» in die Show. Gut 24‘000 Hände im fast ausverkauftem Hallenstadion segelten in die Luft und beklatschten den rockig-rotzigen Einstieg. Mit «Always On The Run» blieb Kravitz auf der gleichen straighten Schiene, schliesslich wollen seine Fans knackigen Rock, das weiss Lenny und liefert diesen nur zu gern. In der Folge arbeitete sich der 47-jährige New Yorker durch ein Set, das einen ausgewogenen Querschnitt durch seine Karriere bot. Die Hits vom Album «Mama Said» («Fields Of Joy», «Stand By My Woman» und «It Ain’t Over ‚Til It’s Over», welches den Begriff Sitzplatz ein erstes Mal nebensächlich werden liess.) tauchten als ruhiges Dreigestirn das Hallenstadion in fast vorweihnachtliche Stimmung. Und auch seine neuen Songs, («Stand», «Black And White America») funktionierten ebenfalls bestens und zumindest letzterer stand für den politischen Lenny und wurde zum Plädoyer gegen Rassismus.

 

Aber Lenny kann auch ironisch sein. So erklärte er den Rock `n` Roll in «Rock n` Roll Is Dead» schnell mal für tot, um danach sein Set augenzwinkernd mit einem Block aus fünf Rockbrechern zu beenden, abgeschlossen durch ein verflochtenes Megakonstrukt aus «Fly Away» und «Are You Gonna Go My Way». Die Erschütterung der hüpfenden Menge, die das Stadion zum Beben brachte, hat sicherlich ein Seismograph irgendwo in Zürich noch registriert. Zur Zugabe setzten sich Lenny und sein Gitarrist an den Bühnenrand und spielten akustische Versionen von «Push», das Kravitz bisher nur sehr selten gespielt hat, und «I Belong To You». «Let Love Rule» beendete schliesslich das Hallenstadion-Double passend, weil es noch mal Bezug auf die Anfänge der Karriere von Kravitz nahm.

 

Lenny ist Profi, Lenny weiss was die Menschen von ihm erwarten und Lenny hat verstanden, wie er die Leute begeistert. Es sind seine durchaus charmanten Ansagen («Danke, dass ihr uns noch immer sehen wollt.»), es ist seine gelungene Setlist, die zur Retrospektive seines Werkes wird, es ist aber auch seine entwaffnende Selbstironie, die durchschimmert, wenn er den Rockstar gibt und sich in durchaus karikierte Posen wirft. Der Sound war sauber, die Band variierte die Hits versiert, aber nie so stark, dass die lieb gewonnenen Stücke den Fans nicht mehr gefallen könnten und vermochte im Hallenstadion zu begeistern.

Bildquelle: Pressfoto Warner

Livebild: offizielle Facebookseite @ Mathieu Bitton

Patrick Holenstein / So, 27. Nov 2011