Ein Menschenkind zwischen zwei Welten
Würde man Menschen auf der Strasse fragen, was ihnen zu Disney´s «Dschungelbuch» spontan in den Sinn kommt, die gesungene Lebensweisheit von Balu dem Bären wäre wohl eine oft genannte Antwort. Sowohl im Original mit «The Bare Necessities“ als auch in der deutschen Version mit «Probier’s mal mit Gemütlichkeit» hat sich der Song zum Klassiker entwickelt und das Original erhielt gar eine Oscarnominierung und gehört heute fest zur Pop-Kultur. Dabei ist er nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild, das «Das Dschungelbuch» ausmacht.
Alles fängt mit einem Laut an, der die Stille im Dschungel zerreisst. Der Panther Baghira findet ein Menschenkind. Erst weiss er nicht so recht, was er damit anfangen soll. Dann hat er die zündende Idee. Eine Wolfsfamilie hat gerade Junge bekommen, da stört ein hungriges Maul mehr nicht. Der Panther legt das Kind vor den Bau der Wölfe und dieses findet Anschluss im Rudel. Jahre später ist der Junge, der Mogli genannt wird, fest integriert in den Dschungel und fühlt sich pudelwohl. Einzig der Tiger Shir Khan bedroht den Frieden. Er will Mogli fressen und zwar um jeden Preis. Daher beschliesst der Rat der Wölfe zusammen mit Baghira, dass Mogli zurück zu den Menschen gebracht werden soll. Auf der Reise durch den Dschungel werden Baghira und Mogli von Balu dem Bären begleitet und sie treffen auf allerlei witzige und interessante Figuren. Etwa auf die Schlange Kaa, drei klugscheissende Geier oder den Affenkönig King Louie.
Barbershop Quartett anstatt den Beatles
«Das Dschungelbuch» ist der 19. abendfüllende Zeichentrickfilm aus der Schmiede von Walt Disney und es ist der letzte Film, bei dem Walt Disney noch persönlich ein Auge auf den Film hatte. Die Premiere hat er allerdings nicht mehr erleben können, da er 1966 verstorben ist. Der Film basiert auf den Erzählungen von Rudyard Kipling. Der Dschungel als Biotop voller Tiere und Pflanzen ist wie gemacht für einen Disneyfilm, denn die Animatoren konnten sich richtig austoben. Zum Beispiel ist die Szene im Palast von King Louie ein wahres Fest. Ebenfalls auffällig ist, dass sich der Hintergrund jeweils Moglis Gemütszustand anzupassen scheint. Ist er gut gelaunt, strahlt der Dschungel, fühlt er sich von allen verlassen, umgibt ihn ein Brachland. Unter den Figuren fallen natürlich Baghira und Balu zuerst auf. Besonders interessant sind aber die Geier. Diese wurden den Beatles nachempfunden und eigentlich sollten sie auch von den Pilzköpfen gesprochen werden. John Lennon lehnte jedoch ab, sodass der Song der Geier nochmals umgeschrieben wurde und sie im fertigen Film als Babershop Quartett auftreten.
Im Kontext geht es aber auch um die Gegensätze zwischen Baghira und Balu, also um Vernunft und Hedonismus. Während Baghira vernünftig agiert und Mogli möglichst aus der Gefahrenzone bringen möchte, ist Balu schlicht alles egal. Er lebt in den Tag heinein, ohne gross nachzudenken, solange es genug zu essen und zu singen gibt. Im Laufe des Films finden die beiden sich aber auf einer Ebene und ziehen am gleichen Strang zum Wohl von Mogli. Der Film erscheint zum ersten Mal auf Blu-Ray und die High-Definition-Auflösung bringt den Dschungel so richtig zum Leuchten. Daneben gibt es einige interessante Extras. Etwa das alternative Ende oder ein Dschungelbewohner, der es nicht in die Endfassung des Films geschafft hat, obwohl die Zeichner ein Jahr daran gearbeitet haben. Auch über 45 Jahre nachdem der Film im Kino lief (Premiere war 1967), kann von Alterserscheinungen nicht die Rede sein. «Das Dschungelbuch» gehört in jede gute Sammlung.
- Das Dschungelbuch (USA 1967)
- Regie: Wolfgang Reitherman
- Drehbuch: Larry Clemmons, Ralph Wright, Ken Anderson, Vance Gerry, Rudyard Kipling (lit. Vorlage)
- Laufzeit: ca. 78 Minuten
- DVD-/Blu-Ray-Start: 16. September