Dear John
Als Lastwagenfahrer James «Jim» Cameron 1977 «Star Wars» im Kino gesehen hatte, wollte er sofort Regisseur werden. Während der Dreharbeiten zu seinem ersten Film «Terminator» war er derart pleite, dass er im Auto pennte. Seine Mum kaufte ihm in der Not zwei Hamburger, von denen er einen für den nächsten Tag aufsparte. Paramount Pictures hatten so wenig Vertrauen in den Film, dass sie ihn vorzeitig aus den Kinos nahmen – was Schwarzenegger dem Studio noch lange übelnahm. Und nun ist bereits der sechste Teil der Reihe fertig. Ob es diesen wirklich braucht, ist dabei die falsche Frage.
Jims Portfolio folgte stets drei Themen: der Heldenfähigkeit von Frauen, dem Umweltschutz und den dunklen Seiten der technologischen Entwicklung. Seit dem zweiten Teil ist er weder finanziell noch kreativ an der Franchise beteiligt. Auch bei «Dark Fate» tauchte er kein einziges Mal am Set auf. Doch Terminator wird immer mit ihm in Verbindung gebracht werden. Das ist an dieser Stelle von Belang, weil der sechste Teil den Anspruch erhebt, der einzig wahre Nachfolger von «Terminator 2: Judgement Day» von 1990 zu sein. Dieses Meisterwerk revolutionierte das Actionkino, die Spezialeffekte-Industrie und überdauerte die vergangenen drei Jahrzehnte mühelos als Goldstandart der Franchise und seines Genres. Bevor wir uns aber anschauen, ob Teil 6 dieses Titels würdig ist, müssen wir erst eines klarstellen: «Dark Fate» ist die erste Fortsetzung, die sich dafür überhaupt qualifiziert.
Die beiden Originale hatten ein bestechendes Konzept. Eine Gruppe von Leuten muss vor einem unzerstörbaren Killer aus der Zukunft flüchten, und die schiere Ausweglosigkeit ihrer Lage allein sorgte für wohliges Gruseln. Einerseits war Terminator 2 quasi Terminator 1 mit weit höherem Budget. Andererseits beantwortete «Judgement Day» eine Frage, die der Vorgänger aufgeworfen hatte. Gibt es ein unabänderliches Schicksal? «No Fate» lautete damals die Antwort. Allein aus diesem Grund war «Rise of the Machines» von 2003 keine ernstzunehmende Fortsetzung, weil es in jener Welt keinen Weg gab, den Aufstieg von Supercomputer Skynet, dem Schöpfer der Terminatoren, zu verhindern.
Genipig und die verbrannte Erde
«Salvation» von 2009 verlagerte die Handlung in die Zukunft, wo die Menschheit inmitten von Trümmern ums Überleben kämpfte. Interessant inszeniert, aber vom Konzept her eine Neuauflage. Und dann wäre da noch «Genisys» von 2015. Eine Quasi-Komödie, die sich hemmungslos an den Motiven ihrer Vorgänger vergriff, sich dabei hoffnungslos in der eigenen Verschachtelung verrannte und nur noch von den chinesischen Kinokassen gerettet werden konnte. Man erhielt gar das Gefühl, Produzent David Ellison habe lediglich den Hauptsitz von Oracle, der Firma seines Vaters, in die Luft jagen wollen. Es ist gerade diese vielen Fans verhasste filmgewordene Erschöpfung, die «Dark Fate» das längste Bein stellt. Beide Streifen basieren über weite Strecken auf dem gleichen Script. Beide Streifen sind ähnlich beworben worden. Doch der aktuelle Teil ist – auch wenn es selbst die unglaubwürdigsten aller Gazetten bestätigen (jene, die «JOKER» verrissen) – der beste seit «Judgement Day».
Er propagiert heldenhafte Frauen wie kaum ein Vorgänger und wurde vielleicht deshalb im Vorfeld als «HERminator» oder «LGBT-1000» verunglimpft – in Anlehnung an den legendären Flüssigmetall-Bösewicht T-1000 aus dem zweiten Teil. Es hat aber auch mit der weitgehenden Absenz von Edward Furlong zu tun, der den Skynet-Bezwinger John Connor gemimt hatte. Doch wie Jim einst sagte, sollten seine Filme nicht aufzeigen, dass auch Frauen mit Schiesseisen umgehen können. Vielmehr ging es darum, dass eine Tötungsmaschine den Wert des Lebens zu schätzen lernt, während Sarah Connor – die Mutter von John – in ihren Weltrettungsbestreben beinahe selber zur blindwütigen Killerin wird.
Die Rückkehr einer Ikone
Linda Hamilton, die zum ersten Mal seit 1990 wieder dabei ist, verleiht dem Film seine grösste Relevanz. Als gealterte, griesgrämige und streitlustige Terminatoren-Jägerin führt sie die Franchise dort fort, wo «Judgement Day» eigentlich alles bereinigt hatte. Doch die Macher haben einen passablen Weg gefunden, die Geschichte weiterzuspinnen. Die Tonalität stimmt. Die Handlung ist relativ schnörkellos, die Hetzjagd perfekt und es kommt wieder diese Verzweiflung angesichts eines unverwundbaren Gegners auf. Schwarzenegger selbst mimt den bestaussehenden und interessantesten T-800 seit dessen freiwilliger Einschmelzung im Stahlwerk.
Leider fehlt ein massgeschneiderter Soundtrack, wie jener von Brad Fiedel. Leider werden wieder all die alten Elemente zusammengepappt ¬– nur einfach seitenverkehrt. Rückblenden in die Zukunft finden nun bei Tag statt. Gleich zu Beginn gibt es einen Showdown in einer Fabrik mit anschliessender Flucht vor dem obligaten Lastwagen. Und irgendwie verfehlt der Film eine frische Herangehensweise an ein unvermindert brisantes Problem. Musk, Gates, Kurzweil und Hawkins haben alle unlängst vor den Gefahren künstlicher Intelligenz gewarnt. Hier wäre so viel mehr drin gewesen.
Für John
Und was ist nun mit John? Angesichts Furlongs jahrelangen Gesundheitsproblemen blieb kaum eine andere Wahl, als ihn mit einem Twist aus der Handlung zu nehmen – denn eine Neubesetzung stand ausser Frage. Aber er wurde nicht einfach durch eine Frau ersetzt, so wie das dieser Tage viele bequeme und opportunistische Drehbuchautoren tun. Vielmehr wird John Connor die eigentliche Ehre dieses Films zuteil. «Dark Fate» ist gewissermassen eine bombastische Abdankungsfeier, auch wenn sie die konsequente Beschliessung zuletzt um Lichtjahre verpasst. Dennoch ist sie würdig. Dennoch ist sie treuen Fans eine Zäsur. Sie gibt ihnen im Grunde exakt das, was sie dreissig Jahre lang eingefordert hatten. Leider haben sich die Zeiten geändert. Sie kam zu spät. Bei einer Filmreihe über Timing und Zeitreisen eine fast melancholische Ironie.
- Terminator: Dark Fate (USA, 2019)
- Regie: Tim Miller
- Besetzung: Linda Hamilton, Arnold Schwarzenegger, Edward Furlong, Mackenzie Davis, Gabriel Luna, Natalia Reyes
- Laufzeit: 128 Minuten
- Schweizer Kinostart: 24. Oktober 2019