Delikatessen am Büffet der Religionen

Lesung: Alain de Botton im Kaufleuten
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www.buch.ch

«Die Welt ist geteilt in Atheisten und religiöse Menschen», bringt es Alain de Botton gleich zu Beginn seiner Lesung im Zürcher Kaufleuten auf den Punkt. Er selbst zählt sich eindeutig zur Seite der Atheisten. Trotzdem will er nicht auf alles verzichten, was Religion zu bieten hat. In seinem Buch «Religion für Atheisten» versucht der Philosoph und Schriftsteller seinen Lesern näher zu bringen, wie man auch ohne den Glauben an Gott von den Religionen lernen kann.

 

«Ich führe sie entlang des Büffets der Religionen und helfe ihnen, die schönsten Sachen auszuwählen», sagt de Botton. Das Publikum hört ihm aufmerksam zu und lässt sich auf diese Reise entführen. Den ersten Stopp macht er bei der fesselnden Rede eines Pfarrers während einer Predigt. Ein charismatischer Pfarrer könne zehn Mal «Thank you, Jesus» sagen und die Leute würden ihm gebannt zuhören, meint de Botton. «Ein Professor an der Uni hingegen sagt die Dinge nur ein Mal und geht davon aus, dass sich die Studenten bis an ihr Lebensende daran erinnern», meint er. Dies entspreche jedoch nicht der Realität. Laut de Botton könnte noch manch ein Professor von den rhetorischen Fähigkeiten eines Pfarrers lernen. Sich vorzustellen, wie ein Gelehrter in einem Vorlesungssaal voller Euphorie  «Thank you, Shakespeare» schreit, scheint dem Publikum jedoch etwas absurd und es beginnt zu lachen.

  

Als eine weitere Delikatesse am Büffet der Religionen bezeichnet Alain de Botton den Gemeinschaftssinn. Einen Nachteil unserer immer anonymer werdenden Gesellschaft sieht er darin, dass selten aus Fremden Freunde werden. Unter religiösen Menschen sei dies anders. «Fremde, die man nicht mal auf Facebook adden würde, werden in der Kirche zu Freunden», meint de Botton.  

 

Die Wunder der Natur zu schätzen, empfindet de Botton auch als eine Freude, die vielen Atheisten vorenthalten bleibt. «Einfach mal den Mond betrachten ist etwas, das vor lauter Terminen in Vergessenheit gerät», sagt er. Im Buddhismus hingegen erinnern Feiertage die Gläubigen daran, den Vollmond zu ehren und bewusst wahrzunehmen.

 

«Religion ist zu interessant, um nur für diejenigen da zu sein, die tatsächlich daran glauben», schliesst de Botton den Rundgang am Büffet der Religionen. Sich die Delikatessen der verschiedenen Glaubensrichtungen auszuwählen, tönt verlockend und passt in eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch ob «all inclusive», exklusiv des Glaubens ,das Leben eines Atheisten tatsächlich bereichert, sei dahingestellt.  

 

 

 

Regina Schneeberger / Di, 21. Mai 2013