Wenn ich die Natur einige Tage nicht sehe, vermisse ich sie

Interview mit Ekat Bork
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Radicalis.ch

Ekat Bork sitzt mir gegenüber und strahlt. In der Frühlingssonne haben wir direkt beim Schiffbau ein Plätzchen gefunden und unterhalten uns über ihre Zeit als Strassenmusikerin, wieso sie mit dem Schreiben von Songs angefangen hat und was ihr die Natur und persönliche Freiheit bedeutet. Von Frage zu Frage blüht die sympathische Tessinerin mehr auf und erzählt authentisch aus ihrem Leben. 

 

Du bist mit 16 Jahren nach Sankt-Petersburg geflohen und hast dort auf der Strasse Musik gemacht. Wie sehr hat dich diese Zeit geprägt?

 

Es war eine sehr wichtige Zeit für mich. Wenn ich heute zurückschaue, bin ich in der Zeit sehr gereift. Ich bin als Mensch weitergekommen, weil längst nicht alle Erfahrungen positiv waren. Es war eine harte Zeit und wenn ich heute Texte schreibe, kann ich durch diese Erfahrungen besser eine Message in meinen Lyrics rüberbringen.  

Was hat dich schliesslich 2007 in die Schweiz gebracht?

 

Das ist eigentlich eine normale Geschichte. Ich traf einen Mann und folgte ihm in die Schweiz.  

Du machst fast dein ganzes Leben schon Musik. Lässt sich dein Album «Veramellious» als Summe deiner Erfahrungen zusammenfassen?

 

Ich habe nicht mein ganzes Leben Musik geschrieben. Mit sechs Jahren habe ich angefangen zu singen, aber ich begann damit Songs zu schreiben, als mein Bruder starb. Diese Erfahrung war sehr schmerzhaft für mich und ich konnte nicht gut darüber sprechen. Also habe ich angefangen Songs zu schreiben, um zu erzählen, wie ich mich fühlte. Anfangs waren es einfache Lieder und mit der Zeit wurden sie etwas komplexer. Da spielen aber noch viele andere Dinge mit. Natürlich die Lebenserfahrung, aber auch Fortschritte mit der Studiotechnik und die Übung beim Schreiben. 

Ich möchte zwei Songs ansprechen und dich bitten, etwas dazu zu sagen: «The World is Dancing».

 

Das ist der Song der Hoffnung. Ich hatte damals, als ich ihn geschrieben habe, keinen Platz, wo ich hin konnte und hatte keinen Ort zum Leben. Aber das Wichtigste war für mich positives Denken und das Leben als etwa Schönes anzunehmen. Wenn du dem Leben zulächelst, scheint alles einfacher zu gehen.  

Wie war die Arbeit mit dem New Light Chor für den Song?

Einer der Produzenten war in Indien, in Kalkutta. Dort ist das New-Light-Zentrum mit Waisenkindern. Er sagt, die Aufnahmen seien eine der schönsten Erfahrungen in seinem Leben gewesen. Die Kinder hat er in einen Raum mit einem kleinen Mikrophon gebracht und dort haben sie den Part für den Song gesungen. Er hat mir Bilder gezeigt und die Kinder scheinen sehr viel Spass gehabt zu haben und man sieht ihnen die Energie und die Freude an, die sie bei den Aufnahmen hatten. Eines der schönsten Dinge am Album sind diese wunderbaren Stimmen. 

 

Songschreiben läuft sehr spontan, eigentlich ein bisschen wie alles in meinem Leben.  Es dreht sich wenig um Pläne, sondern mehr um das Gefühl. Ich wache morgens auf und schaue, was kommt.

 

 

Der zweite Song ist «Wild Nature». 

Das ist ein sehr besonderer Song für mich, weil er von Freiheit handelt. Als ich den Song schrieb, wollte ich alle Strukturen brechen und schauen, wo mich das beim Schreiben hinbringt. Es geht darum, sich selbst zu akzeptieren und einfach spontan, frei und ehrlich zu sein. 

Du nennst im Booklet deine Lieblingsberge. Wie wichtig ist dir die Natur als Inspirationsquelle?

 

Natur ist sehr wichtig für mich. Sie ist für mich gleichbedeutend mit freiem Geist und wenn du innerlich frei bist, kannst du kreativ sein. Wenn ich die Natur ein paar Tage nicht sehe, vermisse ich sie. Ich muss mich immer 100 % frei fühlen und dabei hilft mir die Natur.  

Wie entstehen deine Songs? Brauchst du eine spezielle Stimmung, um zu schreiben?

 

Nein, das läuft sehr spontan, eigentlich ein bisschen wie alles in meinem Leben.  Es dreht sich wenig um Pläne, sondern mehr um das Gefühl. Ich wache morgens auf und schaue, was kommt. 

Hast du eine Musikausbildung gemacht oder alles autodidaktisch gelernt?

 

Ich traf einmal eine Person, die mir sagte, Studieren ist sehr gut, aber wenn du eine Ausbildung machst, solltest du nur die Informationen aufnehmen, die du auch wirklich brauchen kannst und den Rest vergessen, um den Geist freizuhalten. Das entspricht mir sehr, denn ich war nie eine gute Studentin. 

Wird man dich im Sommer auf Festivals sehen können?

Ja, wir werden am Caprices sein und wir freuen uns schon sehr auf das Gurtenfestival. Ich bin schon sehr aufgeregt, weil ein Traum wahr wird. Und es werden noch einige mehr wie Fete de la music in Lausanne dabei sein. Aber das Leben spielt heute und heute bin ich zufrieden. Mal schauen, was morgen kommt.

 

Ekat Bork - «The World Is Dancing»

 

Mehr Informationen zu Ekat Bork gibt es auf der Website der Künstlerin.  

Patrick Holenstein / Di, 08. Apr 2014