Klyne: Vor dem Konzert denkst du immer «Heilige Scheisse»

Interview mit Klyne
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Promobil / © Warner Music

Interview von Rahel Inauen und Seraina Thuma

 

Zwei bodenständige und zurückhaltende Jungs aus den Niederlanden – das ist Klyne. Der Bekanntheitsgrad des Elektro-Pop-Duos hat in der Schweiz noch deutlich Luft nach oben doch in deren Heimat und in England haben sich die beiden 22-jährigen bereits einen Namen gemacht. Mit ihrer Debüt-Single «Paralyzed» belegten sie gleich die Nummer zwei der UK Spotify Viral Charts und konnten den BBC Radio 1 Support und den The Fader and Noisey Support für sich gewinnen. Im vergangenen Jahr weckten die 22-jährigen sogar das Interesse von Disclosure, die sie um einen Remix für den Song «Omen», einen gemeinsamen Track mit Sam Smith, baten. Was ihnen die Spotify-Streams und das Glastonbury-Festival bedeuten, verrieten sie uns im Interview.

 

Wie und wo habt ihr euch kennen gelernt? Wie hat sich Klyne getroffen? 

Nick Klein: Wir machten beide Musik, haben einander aber nicht gekannt. Ich habe mit 14 begonnen, Gitarre zu spielen und Ferdous produziert Beats, seit er geboren ist (lacht). Wir haben uns dann durch Freunde kennen gelernt, da waren wir etwa 15 oder 16.

 

Spielst du nur Gitarre oder auch noch andere Instrumente? 

Nick: Ich spiele hauptsächlich Gitarre, aber ich glaube ich kann auch Bass spielen (alle lachen).

 

Ich habe ein Video von dir auf Instagram gesehen, in dem du Klavier spielst … oder versuchst, Klavier zu spielen.

Nick: Ah ja, ich habe es versucht und mein Bestes gegeben.

 

Warum «Klyne»? Es scheint, als ob das einfach eine andere Art ist, deinen Nachnamen zu schreiben, Nick.

Nick: Genau, das ist es (lacht).

  

Wisst ihr, dass das auf Deutsch «klein» bedeutet? 

Ferdous Dehzad: Ja, es bedeutet dasselbe in Niederländisch.

  

Ah, wirklich? Cool, das wussten wir nicht (alle lachen). Ihr habt vorhin schon erwähnt, dass es einen Zeitpunkt gab, an dem ihr beschlossen habt, ernsthaft zusammen Musik zu machen. Wann war das, wie alt seid ihr da gewesen?

Ferdous: Ich glaube, das war etwa vor zwei Jahren.

 

Nick: Ja, also waren wir etwa  20, 21.

 

Ferdous: Das ist noch gar nicht so lange her eigentlich.

  

Worauf seid ihr am meisten stolz bis jetzt? 

Ferdous: Die Tour mit Years + Years ist abgefahren.

 

Nick: Wir haben einige Dinge, auf die wir wirklich stolz sind.

 

Ferdous: Ja, wir haben zuvor auch noch nie ausserhalb von Holland gespielt und dann gleich in so einer grossen Sache involviert zu sein, ist schon ziemlich cool.

  

Wie habt ihr reagiert, als ihr gehört habt, dass Years + Years euch auf Tour mit dabei haben wollen?

Nick: Das war irre! Wir wussten aber nicht wirklich, wie wir darauf reagieren sollen.

 

War es ein Anruf oder wie muss man sich das vorstellen? 

Ferdous: Es lief alles über E-Mail. Unser Manager teilte uns mit «Hey, die Jungs von Years + Years wollen euch auf ihrer Tour.» Da wir bei derselben Agentur sind wie Years + Years, lief das über die Agentur und unseren Manager.

 

 

Ferdous: Es ist schön zu sehen, wenn die Leute unsere Musik mögen und geniessen. Das ist mir wirklich wichtig und es ist eines der schönsten Gefühle, die du als Musiker je haben kannst.

 

 

Wie ist es, mit ihnen auf Tour zu sein? Wie sind die Jungs?

Beide durcheinander: Es ist unglaublich! Die sind wirklich cool, sehr nett. 

Nick: Nein ernsthaft, das sind unglaublich nette Jungs.

  

Schön, denn das ist so wichtig für eine Tour. Wenn wir bereits von der Tour sprechen; ihr habt bereits eine Show in Paris gehabt, richtig? Wie war es, dort zu spielen, nach all dem, was letztes Jahr passiert ist?

Ferdous:  Ich habe vor dem Konzert nicht oft darüber nachgedacht. Erst, als wir in Paris angekommen sind. Als wir auf die Strasse gingen, habe ich gedacht «Ui, hier ist es passiert und das ist noch nicht so lange her.» Das war für uns beide irgendwie gruselig.

 

Nick: Man merkte, dass die Leute dort noch sehr vorsichtig sind und sofort aufhorchen. Zum Beispiel, wenn jemand etwas fallen lässt oder wenn etwas Unerwartetes passiert. Das zu sehen, war wirklich merkwürdig.

 

Aber das Konzert war gut?

Nick: Ja, es war erstaunlich! Ich glaube, das war unser fünftes Konzert überhaupt.

 

Euer fünftes Konzert überhaupt? Und dann gleich in einer so grossen Stadt in einer grossen Location.

Ferdous: Ja, das war verrückt.  

Ich kann mir nur vorstellen, wie es sich anfühlt, vor so vielen Leuten zu spielen.

Nick: Oh, es ist furchteinflössend aber es macht wirklich Spass. 

Habt ihr auch Lampenfieber?

Nick: Vor dem Konzert denkst du immer «Heilige Scheisse». Danach machst du einfach Musik, gehst wieder Backstage, es ist vorbei und du fragst dich «Was ist da gerade passiert?».

  

Was macht ihr also, bevor ihr auf die Bühne geht?

Nick: We just stressed the fuck out.

 

Ferdous: …und wir übergeben uns. Neeeein, ein Witz.

 

Nick: Ja, aber vielleicht passiert das heute, weil wir alle krank sind.

 

Hoffentlich nicht. Was braucht es für euch, damit ein Konzert perfekt ist?

Nick: Für mich zählt die Atmosphäre; dass ich, die Musik und das Publikum Eins sind. Und wenn die Leute positiv auf meine Musik reagieren.

 

Ferdous: Es ist schön zu sehen, wenn die Leute unsere Musik mögen und geniessen. Das ist mir wirklich wichtig und es ist eines der schönsten Gefühle, die du als Musiker je haben kannst.

 

Seht ihr die Menschenmenge als Ganzes oder einzelne Personen wenn ihr auf der Bühne steht?

Ferdous: Wir sehen nur die Leute in den ersten beiden Reihen, der Rest ist alles in Schatten und schwarz. 

Aber fixiert ihr euch auf Personen? 

Nick: Niemals, das kann ich nicht. Wenn ich das tun würde, würde ich den Text vergessen.

 

Ihr habt einen Remix vom Lied «Omen» von Disclosure ft. Sam Smith gemacht. Wie kam es zu dieser Neuausgabe des Songs?

Ferdous: Einer der Jungs von Disclosure kontaktierte uns. Sie fragten uns, ob wir den Track remixen wollen und wir haben gesagt «Klar, das wäre super».

 

Das war wahrscheinlich ein weiterer Moment, in dem ihr vor Freude ausgeflippt seid. 

Beide: Ja natürlich! Das war verrückt und wahnsinnig.

  

Welchen Song von euch würdet ihr wählen, um euch selbst jemandem vorzustellen?

Ferdous: Ich denke, ich würde «Paralyzed» wählen. Das ist eine ziemlich einfache Entscheidung. «Paralyzed» war einer der ersten Songs, den wir gemacht haben. Wir haben bereits eine Menge anderer Songs, welche noch nicht veröffentlicht sind. Die würden sich vielleicht sogar besser eignen, um Klyne vorzustellen.

 

Nick: Ja, aber darüber dürfen wir euch nichts verraten. (alle lachen)

 

«Paralyzed» hat mehr als 1.5 Millionen Streams auf Spotify and 500‘000 Streams auf Soundcloud. Herzlichen Glückwunsch dazu. Wie fühlt es sich an, diese Zahlen ständig ansteigen zu sehen?

Ferdous: Es ist verrückt zu sehen, dass sich so viele Leute den Song anhören. Wir haben keine Ahnung, wie wir das beschreiben können.

 

Nick: Ja, das können wir nicht erklären.

 

 

Nick: Ich habe in einem Pizzaimbiss gearbeitet.

 

 

Von all dem – den Streams, auf Tour zu sein, etc. – was macht euch da am meisten stolz?

Nick: Die Tatsache, dass wir von dem leben können, was wir machen, ist das, worauf ich am meisten stolz bin.

  

Habt ihr Musik studiert?

Nick: Er schon, ich nicht.

 

Ferdous: Ja, ich.  

Nick: Ich habe in einem Pizzaimbiss gearbeitet.

  

Oh, das ist interessant. Dann bist du plötzlich gegangen à la «Tschüss, ich mache jetzt Musik und keine Pizzas mehr»? (alle lachen) Aber zurück zu «Paralyzed». Steckt da eine Geschichte aus deinem Leben dahinter?

Ferdous: Das ist eine schwierige Frage … aber eine gute. Es basiert auf etwas in meinem Leben, was ich jetzt nicht vollständig erklären werde. Ich versuchte, ergreifende Worte zu finden, es einfach zu halten und es nicht zu kompliziert zu machen. Ich hoffe, das ist mir gelungen. Ich wollte lieber etwas Neues machen, als es vollständig auf einer Lebensgeschichte aufzubauen. Ich weiss nicht, ob das die richtige Antwort ist?

  

Das können wir gern so stehen lassen. Ihr habt vorhin den Song «Closer» erwähnt. Erzählt etwas von diesem Stück.

Ferdous: Der Song handelt von einer Person, welche unter sehr schwierigen Umständen ihr Bestes geben muss. Jemand, der ständig nur negative Bemerkungen aus dem Umfeld erhält. Der Song war für uns sehr einfach zu schreiben, denn es ist einer der ehrlichsten Pop-Songs von uns.

  

Warum habt ihr den Clown für das Musikvideo ausgewählt?

Ferdous: Das war nicht unsere eigene Entscheidung. Das kam vom Musikdirektor. Er machte uns die Idee schmackhaft und wir dachten «Ja, das ist verdammt irre!» Es war die verrückteste Idee, aber wir liebten sie.

 

Nick: Ja, sie war fantastisch und zu jenem Zeitpunkt der beste Vorschlag, den wir hatten. Es stellte sich im Endeffekt als sehr cool heraus.

 

Welches Festival oder in welcher Location würdet ihr gerne spielen, wenn ihr auswählen könntet? Habt ihr eure eigenen Traum-Festivals oder Traum-Bühnen?

Ferdous: Ich würde sehr, sehr gerne am Pukkelpop in Belgien spielen. Das ist eines der coolsten Festivals, an dem ich je war. Das wäre so verrückt, wenn wir dort einmal auftreten könnten.

 

Nick: Nun ja, ich bin mit Pinkpop in Holland aufgewachsen. Das wäre sicherlich cool, denn es ist etwas aus meiner Jugend, etwas, mit dem ich aufwuchs. Alle Künstler, die ich mag, spielten einmal dort. Das wäre der Wahnsinn.

 

Viele Musiker erwähnen jeweils das Glastonbury oder Coachella, aber es ist sympathisch, für euch eine Geschichte dahinter steckt, warum ihr genau an diesen Festivals spielen möchtet.

Ferdous: Ja, es ist alles sehr persönlich. Wir beide waren nie am Coachella oder Glastonbury, obwohl das natürlich grossartig wäre (lacht).

 

Welchen Song hört ihr zurzeit am liebsten? 

Ferdous: Mein momentaner Favorit ist «Sandra‘s Smile» von Blood Orange. Ich höre diesen Song immer und immer wieder seit etwa zwei Wochen.

 

Nick: Ich kann gerade nicht an nur einen Song denken…  

…einen Künstler? 

Nick: Hmm, im Moment … Jamie Woon denke ich. Ihr solltet euch den mal anhören.

 

Ferdous: Ich weiss, dass du «Spirals» sehr magst.

 

Nick: Ja, stimmt. «Spirals» von Jamie Woon. 

Super, da hören wir mal rein. Habt ihr noch irgendwelche Projekte geplant? Konzerte, Festivals, oder anderes?

Nick: Wir spielen am Pitch Festival in Holland dieses Jahr. Und haben wir noch etwas anderes? Etwas, was wir hier sagen dürfen?

 

Ferdous: Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf unser Album.  

Ist bereits ein Veröffentlichungsdatum bekannt?

Ferdous: Nein, noch nicht. Wir denken, es wird Ende dieses Jahres.

 

Nick: Genau, wahrscheinlich noch dieses Jahr.

 

Ferdous: Aber wir müssen schauen, wie schnell die Dinge ihren Lauf nehmen. Wir haben noch anderes, was wir euch aber nicht erzählen dürfen (lacht).

 

Viel Erfolg, was auch immer es ist. Wir freuen uns auf eure Performance heute Abend. Danke für eure Zeit und viel Spass am Konzert nachher.

 

Klyne - «Paralyzed»

 

Rahel Inauen / Mo, 28. Mär 2016