Bastian Baker’s Aufstieg in den Olymp
Paris – die Stadt der Liebe. Worauf beruht dieser uralte Beiname? Um eine Antwort darauf zu finden, muss man etwas in die Geschichte eintauchen und sich den französischen Lebensstil vor Augen halten. Was dabei besonders herausragt, ist der Genuss. Franzosen lieben die Suche nach Individualität und schönen Dingen und nehmen sich die Zeit dafür, diese intensiv zu erleben. An jeder Strassenecke findet sich ein Café und jedes Viertel bezirzt durch beeindruckende Kulturbauten und sein eigenes Künstlerflair. Paris muss man erleben und bewusst auf sich wirken lassen, um den Charme, die lässige Eleganz und die Verführung der Stadt zu spüren. Der Schriftsteller Julien Green hat dazu treffend gesagt: «Als ich ein Kind war, fragte ich mich oft, wie es möglich ist, dass der einfache Name Paris so viele verschiedene Dinge bezeichnet.»
Paris bildet mit seinen über 2 Millionen Einwohnern den Mittelpunkt Frankreichs, jeder fünfte Franzose lebt in der romantischen Hauptstadt. Und inmitten dieser Weltstadt findet sich ein ganz besonderer Konzertsaal. Es handelt sich dabei um die älteste noch existierende Music Hall von Paris, das Olympia. 1988 wurde es von Joseph Oller (Gründer des Moulin Rouge) errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg von Bruno Coquatrix weitergeführt. 1993 ernannte man den Konzertsaal schliesslich zum Nationalen Kulturerbe. Das Olympia hat sich zum legendären Konzertsaal entwickelt und gilt als die ganz grosse Bühne Frankreichs. Musiker wie Serge Gainsbourg, David Bowie, Jeff Buckley, Jimi Hendrix und nicht zuletzt die Beatles und die Rolling Stones haben hier alle schon Musikgeschichte geschrieben. Eine ganz spezielle Verbindung zum Olympia hatte auch Edith Piaf, die, zwei Monate bevor sie an Krebs starb, eines ihrer denkwürdigsten Konzerte gab. Sie konnte sich dabei vor Schmerzen kaum noch aufrecht halten.
Zwei aufstrebende Schweizer Bands im legendären Olympia
Nun gibt es nach Namen wie Sophie Hunger oder Stephan Eicher einen Schweizer Künstler, der mit gerade einmal 21 Jahren bereits die Ehre hat, an diesem mythischen Ort auftreten zu dürfen. Es handelt sich um Bastian Baker, der u.a. nach seiner Teilnahme bei «Dance avec les stars» in Frankreich Erfolge verbuchen konnte und zurzeit durch unser Nachbarland tourt. Er hat es also geschafft, der ganz grosse Auftritt steht ihm an diesem frühlingshaften Abend in Paris bevor. Als Supporting Act sind 77 Bombay Street mit von der Partie, «un groupe que j’apprécie énormément», wie Bastian Baker sie zu Beginn des Konzerts ankündete.
Seine Fans können das Konzert kaum abwarten, einige harren bereits den ganzen Tag vor dem Olympia aus, während andere extra aus der Schweiz angereist sind, um diesen besonderen Auftritt nicht zu verpassen. Esra von 77 Bombay Street meint vor dem Konzert, es sei fast wie an einer richtigen Olympiade und bereitet sich mit einem Gläschen Weisswein auf seinen Auftritt vor.
Um halb Neun geht es endlich los, der Saal ist gut gefüllt, wenn auch nicht ganz ausverkauft. Neben den vielen weiblichen Fans haben doch auch einige Männer sowie zum Teil ganze Familien den Weg ins Olympia gefunden. 77 Bombay Street werden mit grossem Applaus auf der Bühne begrüsst und entfachen gleich das Feuer im legendären Konzertsaal. Sie animieren das Publikum zum Hüpfen und Mitsingen und sorgen für eine äusserst ausgelassene Stimmung. Die französischen Fans scheinen die ihnen bisher unbekannte Gruppe von vornherein zu mögen. Die Bündner wärmen das Publikum mit Songs wie «Up In The Sky» und «Oko Town» auf und geben ausserdem ihre Französischkenntnisse zum Besten. Nach etwa einer halben Stunde und einem grossen „Est-ce que vous êtes prêêêts pour Bastian Baker?» verlassen die vier Brüder schliesslich die Bühne wieder.
Die Geschichte der Halle schwingt in jedem Ton mit
Es folgt der lang ersehnte Auftritt von Bastian Baker und seiner Band, die ihre Show mit einem grossartigen Lichtspiel und dem Song «Colorful Hospital» beginnen. Die Fans in den vorderen Rängen sind hin und weg, es wird gekreischt und geschrien. Beim dritten Stück betritt Morgane Imbeaud, die Sängerin des französischen Folk-Duos Cocoon, die Bühne und trägt zusammen mit Bastian ein wunderschönes Duett vor. Es folgen weitere Songs, zum Teil bekannte Titel, zum Teil solche seines neuen Albums, das im Herbst erscheinen wird. Daraus resultiert ein Ensemble aus rockigen wie ruhigen, gefühlvollen Klängen. Was auf keinen Fall fehlen darf, ist die Gitarre in Bastian Baker’s Händen. Die Stimmung im Saal ist magisch und es ist ein spürbar besonderer Moment für alle. Die Geschichte der ältesten Music Hall schwingt in jedem Ton etwas mit.
Es ist eine Nacht voller Überraschungen. Bastian Baker performt aussergewöhnlicherweise und zur grossen Freude seiner Fans das französische Lied «Le vent nous portera» in einer sehr gelungenen individuellen Rock-Version. Aber auch die verschiedenen Fanclubs haben sich zusammengeschlossen und eine kleine Überraschung vorbereitet. Es ist kurz nach 22.30 Uhr als zum Song «I’d Sing for You“ angestimmt wird und der Saal plötzlich von über 100 kleinen Plakaten überflutet wird, alle beschriftet mit: La classe intégrale. Bastian Baker scheint sichtlich gerührt, es ist ein Kompliment an ihn und die ganze Band. Es folgt ein emotionales «Hallelujah», das vom Sänger wie folgt eingeleitet wird: «La chanson que je vais vous chanter est une reprise de Léonard Cohen. Il ne peut pas être ici ce soir… Nous allons donc la chanter tous ensemble». Um 22:45 Uhr beenden Bastian Baker und Band das gelungene Konzert mit «Dirty Thirty», ein Lied das auf dem zweiten Album sein wird. Die Lichter gehen an und die Fans verlassen widerwillig den Saal.
Nach der Show ist vor der Party
Bastian Baker meint nach dem Konzert, es sei überwältigend gewesen auf die Bühne zu treten, er habe beinahe weinen müssen beim ersten Lied. Alles in allem lässt sich sagen, dass es grosse Freude bereitet, Bastian Baker als Teil seiner Band zu sehen, die live überzeugt und eine grossartige Rockshow auf die Beine stellt.
Das Konzert ist zwar zu Ende, doch der Abend im legendären Olympia noch nicht ganz. Weiter geht es mit der Afterparty, die hinter geschlossenen Türen mit Familie und Freunden bis um etwa 1 Uhr stattfindet. Ausgeläutet wird die Nacht schliesslich draussen in einem französischen Café in den Strassen von Paris, wo bis in die früheren Morgenstunden Champagner geschlürft, gefeiert und laut gesungen wird. «Savoir vivre» bezeichnet diesen schönen Abschluss eines mythischen Abends treffend, womit wir wieder zurück sind beim französischen Lebensstil, der dazu beigetragen hat, dass Paris als die Stadt der Liebe gilt.
Die bisherigen Ausgaben: Bäckstage auf Achse …
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… bei Blue October in Heidelberg