Von der Freiheit in die Sklaverei

Movie-Kritik: 12 Years A Slave
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Im Verleih von Ascot Elite

«I don’t wanna survive, I wanna live!», erwidert Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor, «Children of Men») auf die Bemerkung eines anderen Sklaven, er solle sich seinem Master nicht widersetzen, wenn er überleben möchte. Doch Solomon kann sich mit der Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren ist, nicht abfinden. Denn er stammt eigentlich aus Saratoga, New York, wo er als freier Mann mit seiner Familie ein ruhiges, zufriedenes Leben führt, bis ein lukrativer Musikerjob ihm zum Verhängnis wird. Nach erledigter Arbeit wird er unter Drogen gesetzt und entführt. Als er wieder zu sich kommt, findet er sich in Ketten gelegt in einer Zelle wieder, um als Sklave in den Süden verschifft zu werden. Allen Erklärungsversuchen zum Trotz landet er beim Sklavenhändler Theophilus Freeman (Paul Giamatti, «Lady in the Water»), der ihn kurzerhand an den Plantagenbesitzer William Ford (Benedict Cumberbatch, «The Fifth Estate») verkauft. Solomons handwerkliches Geschick beeindruckt Ford und er behandelt ihn unter den gegebenen Umständen relativ anständig. Doch eine Auseinandersetzung zwischen Solomon und Fords brutalem Vorarbeiter John Tibeats (Paul Dano, «Prisoners») zwingt den Master dazu ihn zu verkaufen. So landet Solomon beim sadistischen, ausbeuterischen Edwin Epps (Michael Fassbender, «Shame»), der keine Gelegenheit auslässt seine Sklaven auszupeitschen oder sonst wie zu quälen. Alle Versuche einen Weg aus diesem Elend zu finden scheitern. Dennoch gibt Solomon nicht auf. Als er nach 12 Jahren die Gelegenheit bekommt, dem Zimmermann und Sklavereigegner Samuel Bass (Brad Pitt, «World War Z») seine Geschichte zu erzählen, setzt er alles auf eine Karte.

 

Solomon findet sich plötzlich als Sklave auf einem Baumwollfeld wieder (Bild 1). Sein Master Ford (Bild 2, Mitte) hat zwar Sklaven, ist ihnen gegenüber aber freundlich gestimmt. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Der britische Künstler und Fotograf Steve McQueen beschäftigt sich in seiner dritten Regiearbeit nach «Shame» und «Hunger» mit einem der wohl dunkelsten Kapitel amerikanischer Geschichte. «12 Years A Slave» ist die Adaption der gleichnamigen Memoiren von Solomon Northup aus dem Jahr 1853 und gilt bereits seit seiner Auszeichnung mit dem Publikumspreis am 38. Toronto International Film Festival im letzten September als Oscarfavorit. Doch wer bei «12 Years A Slave» ein Melodrama à la Hollywood erwartet, irrt. McQueens virtuos inszeniertes Stück amerikanischer Geschichte berührt durch die darstellerische Intensität und erschüttert durch Bilder, die buchstäblich unter die Haut gehen. 

 

Verzicht von Stereotypen 

 

Die Authentizität der Geschichte wird durch die Kostüme, das Produktionsdesign sowie durch den von Hans Zimmer («Inception») komponierten Soundtrack, der sich nur traditioneller Musikinstrumente bedient, zusätzlich noch unterstützt. Kameramann Sean Bobbitt («Hunger») wiederum fängt gekonnt die Schönheit der Landschaft Louisianas ein, ohne den Eindruck einer Idylle zu erzeugen. Denn die langen Einstellungen, bei denen die Kamera über die Sümpfe und Felder schwebt, stehen in extremem Kontrast zu den Einstellungen, in denen Solomon oder seine Mitsklavin Patsey (Lupita Nyong’o) ausgepeitscht werden. Hier setzen Bobbitt und McQueen ebenfalls auf lange Einstellungen, scheuen sich aber auch nicht davor ganz nah an diese gepeinigten Menschen heranzutreten und vermeiden es von der Szene wegzuschneiden. So entsteht beim Zusehen eine beinahe unerträgliche Nähe und die Qualen der Figuren werden fast greifbar. 

 

 Solomon wird verkauft und gerät an den sadistischen Sklaventreiber Epps (Bild 1). Handelt mit Sklaven: Theophilus Freeman. (Bild 2)

 

Dieser Eindruck wird noch unterstützt durch die überragende darstellerische Leistung von Chiwetel Ejiofor und Lupita Nyong’o. Sie zeigen eine solche Intensität an Gefühlen, dass ihr Schicksal sofort berührt. Doch auch Michael Fassbender überzeugt als unbarmherziger, skrupelloser Sklavenhalter. Das liegt vor allem daran, dass es ihm gelingt diese Figur nicht einfach als das Böse darzustellen, sondern auf subtile Weise auch deren innere Zerrissenheit zu zeigen. Diese Psychologisierung sowohl von Opfern als auch von Tätern ist die Stärke des Films. Da auf altbekannte Stereotypen verzichtet wird, sind beide Seiten als Menschen erkennbar. Das wiederum macht die ganzen Ereignisse noch unfassbarer und verhindert die Distanzierung der Zuschauer vom Erzählten. 

 

Steve McQueen ist mit «12 Years A Slave» ein eindrückliches Werk gelungen, dass aufrüttelt, indem es die Sinnlosigkeit und Brutalität der Sklaverei vor Augen führt, ohne auf Hollywood-Klischees zurückzugreifen. Der Film ist definitiv keine leichte Kost, doch besonders wegen seiner ausdifferenzierten Figuren und der überzeugenden Darsteller sehr sehenswert.

 

  • 12 Years A Slave (USA / UK 2013)
  • Regie: Steve McQueen
  • Drehbuch: John Ridley (Screenplay) und Solomon Northup (Literatische Vorlage)
  • Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Lupita Nyong’o, Benedict Cumberbatch, Michael Fassbender, Paul Giamatti, Brad Pitt
  • Laufzeit: 134 Minuten
  • Kinostart: 23. Januar 2014
Sule Durmazkeser / Di, 21. Jan 2014