Hollywood-Western mit Tiefgang

Kritik: Once Upon A Time ... In Hollywood
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© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

«Once upon a time in Hollywood » feierte am Cannes Film Festival dieses Jahr Weltpremiere. Die wichtigste Botschaft von Quentin Tarantino? Bitte keine Spoiler verraten. Sein Wunsch sei uns Befehl, deshalb geben wir nur einen kurzen Einblick in die Story und konzentrieren uns stärker auf die überraschend starken Emotionen beim jüngsten Werk Tarantinos.

 

Wir schreiben das Jahr 1969 und vieles ist im Wandel. Die Filmindustrie wird vom Vietnamkrieg beeinflusst und zeigt sich vermehrt politisch sowie gesellschaftskritisch. Vorbei sind die guten alten Schwarz-Weiss-Western, in denen es eine klare Linie zwischen gut und böse gab. In dieser einfach gestrickten Welt wurde Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) zum Star und Vorbild. Nun aber muss sich der Darsteller von Rolle zu Rolle durchkämpfen. Emotionale Unterstützung erhält er von seinem ehemaligen Stunt Double Cliff Booth (Brad Pitt), welcher wie Rick misstrauisch der neuen Zeit samt Hippiekultur entgegenblickt. Als wäre der tägliche Kampf schon nicht genug, zieht ausgerechnet das frisch vermählte Paar Tate-Polanski neben Ricks Anwesen und läutet unbewusst ein neues Zeitalter in Hollywood ein.

 

Quentin Tarantinos neuster Film zieht sich diametral zwischen der für Tarantino untypisch kleineren, überschaubaren Charakterzahl und der unglaublich vielschichtigen Interpretationsebenen des Films. Es ist fast so als wäre der Film umso tiefgründiger, je einfacher sich der Hauptstrang entfaltet. So gäbe es beispielsweise die faszinierenden Parallele zwischen dem gespielten Film-Western mit DiCaprios Figur im Lead, und dem - ausserhalb der Filmstudios stattfindendem - Western-Aufeinandertreffens zwischen Pitts Figur und einer Horde Manson-Anhängern. Frei nach Oscar Wilde scheint das wahre Leben der Figuren die Kunstwelt öfters zu imitieren als im umgekehrten Fall. 

 

Unbekannte Sharon Tate 

 

Leonardo DiCaprio amüsiert glänzend in der Rolle des von Lebenskrisen geplagten Rick Dalton. Der leidende Künstler sorgt für viele vortreffliche Lacher. Es scheint kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet der sehr an der Schauspielkunst hängende DiCaprio die Rolle des zerrissenen Darstellers spielt. Genauso selbstverständlich ging die lässigste Rolle des Films, und zwar jene des Stuntmans, an den immerzu gelassenen Brad Pitt. Mit der wohl schwersten Last hatte - angesichts der tragischen Ereignisse im Jahr 1969 - Margot Robbie zu kämpfen. Sharon Tate drehte nur eine Handvoll Filme, der bekannteste ist wohl «Tanz der Vampire», aber wie sie als öffentliche Person war, ist längst verblasst durch den brutalen Mord, der für immer mit ihrem Namen verbunden sein wird. Umso glücklicher macht Margot mit ihrer Interpretation einer sorglosen, zutiefst sympathischen und komplett auf dem Boden gebliebenen Sharon Tate. 

 

Genauso gechillt, ruhig und gelassen präsentiert sich der Film in der Mehrheit seiner Zeit. Es wirkt so, als hätte Quentin sich selber eine Art Zeitmaschine mit diesem Film erbaut. Mehrfach wechselt der Film zwischen vielen verschiedenen Aufnahmetechnicken und macht so den Verlauf der Zeit deutlich. Was in den 50er-Jahren noch innovativ und gewagt wirkte, konnte Ende der 60er niemanden mehr vom Hocker reissen. Und diese Erkenntnis, dass das Wiederholen von Bekanntem keine neuen Funken zum Glühen bringt, wendet Tarantino gekonnt an, indem er der Bromance zwischen Cliff und Rick, sowie Ricks Berufskrise, den grössten Teil der Geschichte einräumt und die Gewalt- und Actionszenen während der gut 169-minütigen Laufzeit sehr dosiert einsetzt. Ein anderer überraschender - weil von Tarantino bisher nie so eingesetzter – Coup, findet sich in der Rolle von Cliffs Pit Bull-Hündin Brandy. Tierische Darsteller gab es bei Tarantino bisher nur in der Rolle von Nutztieren. In «Once upon a Time in Hollywood» scheint Tarantino aber auf den Hund gekommen zu sein und vergab die vierte grosse Rolle im Film an Brandy. Und um zurück auf Cannes zu kommen: Brandy ist die Siegerin des diesjährigen Palm Dog Awards. 

 

Wie sagte Guillermo del Toro so schön in seiner Twitter Nachricht zum Film: «Ich kann es nicht erwarten den Film wiederzusehen, ich vermisse das Abhängen mit den Charakteren.» Ich könnte es nicht besser formulieren.

 

  • Once Upon A Time … In Hollywood (USA, 2019)
  • Regie: Quentin Tarantino
  • Drehbuch: Quentin Tarantino
  • Besetzung: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino, Tim Roth, Kurt Russell, Dakota Fanning, Damien Lewis, Luke Perry
  • Laufzeit: ca. 161 Minuten
  • Kinostart: 15. August 2019

 

Tanja Lipak / Do, 22. Aug 2019