Pretty strong woman

Moviekritik: Anora
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© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.

Die 23-jährige Ani arbeitet als «erotische Tänzerin» in einem Strip Club. Dort lernt sie eines Abends während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit den jungen, reichen Ivan - «Vanya» - kennen. Hals über Kopf stürzen sich die beiden in eine befriedigende Geschäftsbeziehung, gemäss welcher Ani für eine Woche lang exklusiv mit Vanya verkehrt, ganz im Stil von «Pretty Woman». Jugendlicher Leichtsinn führt - gepaart mit synthetischen Drogen - im kitschigen Las Vegas zum ultimativen Happy-End: einer sehr spontanen Hochzeit. Abspann. 

 

Ani (Mikey Madison) und Vanya (Mark Eydelshteyn) an ihrer spontanen Las-Vegas-Hochzeit. (© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.)

 

STOPP! «Anora» stammt aus der Feder von «Tangerine» & «The Florida Project» Filmemacher Sean Baker, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat marginalisierten Gruppen - insbesondere jenen in der Erotikbranche - eine Stimme zu geben. Und im Falle von «Anora», oder eben Ani, ist diese Stimme SEHR laut. Vor allem als Vanyas Eltern gegen die Hochzeit intervenieren. Die junge Dame hält sich nicht zurück, wenn es darum geht ihre gemeinsame Zukunft mit Vanya zu beschützen und den Handlanger von Vanyas Eltern auf Augenhöhe Paroli zu bieten. Mit der Ankunft des Gangster-Mobs landet Ani Knall auf Fall auf dem Boden der Realität und wir in einem anderen Genre. Nach einer guten Stunde karnickelartigem Herumgetriebe, dreht der Film voll auf. Wir befinden uns nicht mehr in einer verruchten RomCom, vielmehr erinnert das Ganze nun an Quentin Tarantino und Guy Ritchie. Sean Baker wirbelt ab diesem Zeitpunkt mit Genre-Konventionen, als ob er im Leben nichts anderes gemacht hätte. Ani muss sich hingegen einer neuen Situation stellen: Ihr potenter Gatte ergriff die Flucht und lies sie mit dem Gangster-Mob mutterseelenallein zurück. Mehr möchten wir an dieser Stelle nicht verraten.

 

Ani’s Zielstrebigkeit macht auch vor dem Gangster-Mob keinen Halt. Wer Schmerzmittel hat, ist im Vorteil. (© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.)

 

«Anora» erhielt an den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes zurecht die goldene Palme für den besten Spielfilm. Der Film schafft das Unmögliche: er ist sexy, betörend, anregend, lustig, albern, satirisch, actionreich, scharfsinnig und er berührt. Er besitzt Tiefsinn sowie einen unverfrorenen Blick auf die Realität. Wenige Unterhaltungsfilme wagen diesen, geschweige denn er gelingt ihnen derart meisterlich. Es ist deshalb kein Wunder lässt der US-Verleiher Neon aktuell nichts unberührt, um den Film und dessen hervorragende Hauptdarstellerin Mikey Madison für die Academy Awards zu positionieren. 

 

Am diesjährigen Zurich Film Festival feierte der Film «Anora» seine Schweizer Premiere. Dies gab uns die Möglichkeit ein kurzes Green-Carpet-Interview mit der Hauptdarstellerin Mikey Madison, welche die titelgebende Figur verkörpert, zu führen. Auf unserem Instagram-Kanal baeckstage.ch ist das Videointerview verfügbar.

 

Hier bleibt kein Auge trocken. Der bissige Humor die charismatische Besetzung sowie die unvorhersehbare Handlung tragen diesen Film bis und mit der emotionalen Schlussszene. Anora ist ein moderner Klassiker.

 

  • Anora (USA 2024)
  • Regie und Drehbuch: Sean Baker
  • Besetzung: Mikey Madison, Mark Eydelshteyn, Juri Borissow, Karen Karaguljan, Watsche Towmasjan
  • Dauer: 139 Minuten
  • Kinostart: 31. Oktober 2024

 

Tanja Lipak / Mi, 30. Okt 2024