Mit der Natur verbunden

Serien-Kritik: Jordskott
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Impuls Film

Sieben Jahre ist es her, dass Eva Thörnblad (Moa Gammel) den Horror aller Eltern erleben musste. Ihre Tochter Josefine ist bei einem Ausflug an einem See spurlos verschwunden. Von einer Sekunde auf die andere. Keine Spur fanden die Ermittler. Eva hielt es bald nicht mehr in ihrer Heimatstadt Silverhöjd aus und zog weg. Exakt sieben Jahr später verschwindet in Silverhöjd erneut ein Kind. Eva fühlt sich brutal an ihre Tochter erinnert, reist zurück in ihre Vergangenheit und muss sich dabei mit ihrem Vater auseinandersetzen. Dass sie dann aber einem grossen Geheimnis auf die Spur kommt, das sie unmittelbar betrifft, damit hätte sie nicht gerechnet. Denn plötzlich steht die seit sieben Jahren vermisste Tochter vor ihr, zumindest glaubt Eva das, als sie eine junge Frau findet. Ist Josefine wieder da? 

 

Wieso gräbt das unbekannte Mädchen ihre Hand in die Erde? (© Polyband) 

 

Der Wald. Schon in Kindheitstagen wird uns davon abgeraten, alleine in den Wald zu gehen. Dort lauern böse Wölfe oder Hexen, die Kinder fressen, sagt man uns, durch Märchen unterstützt, und meint … ja was genau? In «Jordskott» ist der Wald eher das Synonym für die Natur, für die heile Welt, den schützenswerten Aspekt der blauen Kugel, auf der wir leben. Fazinierend schön und weitläufig sind die Bilder, die den Wald ins rechte Licht setzen. Das ist insofern wichtig, als dass die Serie mit der Ebene unter der Oberfläche arbeitet und der Wald wie ein gewaltiges Lebewesen gezeigt wird.  

 

Aber da ist ja noch der Mensch. Gierig, verzweifelt, ängstlich und zu allem bereit. Es sind klassische Themen, wie man sie unzählige Male in Serien und Filmen erzählt bekommen hat, denn natürlich ist der Menschen der Störfaktor in der Idylle. Was hat beispielsweise der Ermittler zu verbergen und was genau wissen die Bewohner des Dorfes? Und was hat die alte Frau, die das Wasser im See probiert, für ein Geheimnis? Fast noch wichtiger, was züchtet sie in der Badewanne? 

 

«Twin Peaks» grüsst deutlich. Die schrullige Alte weiss mehr als sie zugibt. (© Polyband) 

 

Die Inszenierung von «Jordskott» ist langsam, lässt den Strukturen und Figuren genug Zeit zur Entfaltung, vergisst aber nicht, schon in der ersten Folge Elemente einzupflanzen, die neugierig machen. Bald hat man das beklemmende Gefühl, dass mit der halben Stadt etwas nicht stimmt und dann ist es von der unheilvollen Stimmung und der teils melancholischen Inszenierung nur noch ein kleiner Schritt, bis gross «Twin Peaks» im Kopf aufleuchtet. Nicht ganz falsch. Mindestens als Input dürfte die Kult-Serie von David Lynch hergehalten haben. Wer jetzt aber befürchtet, dass sich Logik und Story immer mehr in Luft auflösen, wie es «Twin Peaks» oft vorgehalten wird, der kann ohne Angst in «Jordskott» reinschauen. Hier sind die Verstrickungen zwar auch nicht von Anfang an klar, aber man will nicht unzählige falsche Fährten legen, sondern auch auf der menschlichen beziehungsweise psychologischen Ebene erzählen. 

 

Die Serie macht sehr viel richtig 

 

Mutterinstinkt ist als übergeordnete Instanz eingesetzt. Die Polizistin und Mutter wirft jedes rationale Denken über den Haufen, ist sogar trotz der abweichenden DNA-Proben der Meinung, das unbekannte Mädchen sei ihre Tochter. Das ist symbolisch, denn betrachtet man den Wald, der den Ort verwurzelt zu haben scheint, als Lebewesen, sind sich Eva und das Grün nicht so fremd. Eva ist sogar bereit, ihre Tochter gegen ein anderes Mädchen einzutauschen und überschreitet damit klare ethische Grenzen. Damit jongliert «Jordskott» sehr geschickt, regt zum Mitdenken an und macht trotzdem nicht den Fehler, zu viel zu wollen, sich in Handlungsstränge zu verwickeln und somit die Serie an die Wand zu fahren. Die mehrfach preisgekrönte Serie macht sehr viel richtig. 

 

Polizistin Eva tappt sich im Dunkeln langsam vorwärts. (© Polyband) 

 

Schnell ist klar, dass «Jordskott» eine moderne Sage sein will. Es geht um Menschen, die aus falschen Antrieben eine Verkettung der Ereignisse auslösen und wenn man so will, an der metaphorischen Kreuzung einen teuflischen Deal abgeschlossen haben, der sich nicht rechnet. Es sterben plötzlich Menschen, ein Mann mit einem seltsamen Hut geistert in der Landschaft herum und neben dem geheimnisvollen Mädchen sind Männer mit eigenen Interessen im Spiel. Die Elemente der Geschichte sind effektiv verwoben und lassen die Wahrheit nur langsam ans Licht kommen. In der ersten Hälfte der Serie tauchen mehr Fragen auf, als geklärt werden. Wieso beispielsweise schmieren eine Handvoll Eltern ihre Kinder mit einer «nach Pipi riechenden Flüssigkeit» ein, wie ein Mädchen bemerkt? Das Schöne an der Serie ist aber, dass sie am Schluss in sich abgeschlossen ist und die Ereignisse sinnvoll erscheinen. 

 

Eine brillant geschriebene moderne Sage. Verwebt geschickt Elemente, die an uralte Geschichten erinnern. Quasi eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne mit einem Schuss «Twin Peaks».

 

  • Jordskott (Schweden / Finnland / UK / Norwegen 2016)
  • Regie: Anders Engström, Henrik Björn
  • Darsteller: Moa Gammel, Göran Ragnerstam, Richard Forsgren, Lia Boysen
  • Laufzeit: 1 Staffel à 10 Folgen. 
  • Verkaufstart: im Handel erhältlich. 

 

Patrick Holenstein / Do, 23. Jun 2016