Benjamin von Stuckrad-Barre & Martin Suter: «Kein Grund, gleich so rumzuschreien»

Sie sind schon ein sehr kurioses Duo. Der laute, ironische, zappelige Benjamin von Stuckrad-Barre, Pop-Kultur-Phänomen der 00er Jahre und bekannt für Werke wie «Soloalbum», «Panikherz» und «Noch wach?». Und Martin Suter, der ruhige, sarkastische CH-Autor bekannt durch «Die dunkle Seite des Mondes», «Small World» oder «Ein perfekter Freund». Im ersten Coronajahr 2020 taten sie sich zusammen und veröffentlichten ihr Gesprächswerk «Alle sind so ernst geworden». Das Buch ist eine kuriose Mischung ihrer Diskussionsprotokolle über Dinge wie Badehosen, Mundharmonika, Kochen, aber auch polarisierenderen Themen wie LSD, Rechnungen oder Gott.
Seither ist viel passiert. Martin Suters, Ehefrau Margrith Nay Suter, ist vor zwei Jahren verstorben. Im Innencover des Klappentextes ihrer neusten Veröffentlichung «Kein Grund, gleich so rumzuschreien» steht folgender Text: «Wer auch in schwierigen Situationen und Kippmomenten des Lebens noch lacht, meint es wirklich ernst mit dem Humor.»
Auf ihrer Lesetour machten Benjamin und Martin im Berner Kursaal halt. Ausgerechnet an Martin Suters Geburtstag, oder zumindest fast. Der wurde am 29. Februar, also einem Schaltjahr, geboren. Die Lesung fand aber am 28. Februar statt. Ein grosses Blumenbouquet schmückte den kleinen Lesetisch. Um den Platz auf dem Tisch von Beginn an zu optimieren, wurde nach Geburtstagskindern gesucht. Gefunden hat Benjamin - nach sorgfältiger Prüfung der ID-Karte - einen Mann namens Andreas Armand, der daraufhin die Blumen erben konnte, mitsamt des von Publikum und den beiden Autoren vorgetragenen «Happy Birthdays».
Ähnlich spontan plapperten die beiden Intellektuellen weiter, nur um innezuhalten und aus ihrem neuen Buch vorzulesen. Dieses beinhaltet einen ähnlich heterogenen Zusammenwurf über die kleinen wie auch grossen Dinge des Lebens. Sie ziehen darin brillante Pointen, aus ansonsten scheinbar belanglosen Themen wie der Apple-ID. Ihrer lakonischen Art hört man gerne zu. Sie hören sich selbst auch gerne zu, würden dies aber nie zugeben. Nicht mal unter Folter. Viel lieber machen sie sich über das Publikum lustig resp. deren intellektueller Kapazität. Dies vor allem, wenn sie mal wieder ein raffiniertes Wortspiel verüben - bei dem es kurz 3-4 Sekunden geht, bis sich der mentale Gedankenknopf des Publikums löst.
Das besondere an der Lesung ist deshalb vor allem ihre Unvorhersehbarkeit. Zwar sind die Textpassagen sowie gewisse Lacher vorstudiert, aber viel passiert im Moment selbst. Sei es die Ausleihe einer Uhr aus der Hörerschaft, die am dem Abend gar die Ausleihe eines Handy wurde, mitsamt der daraus resultierenden Irritationen (einkommende Mails, SMS usw.). Bei so viel Freiraum bleibt der Spannungsbogen nicht immer in voller Höhe, resp. Anspannung. So gehörte die Diskussionen über die korrekte Anzahl Blumen in einem Strauss zum Lowlight des ansonsten famosen Abends.
Was sich neckt, das liebt sich. Dies gilt für die Beziehung zwischen Stuckgrad-Barre und Suter, als auch die zwischen Publikum und der Autorschaft. Einmal mehr boten die beiden Herren einen gelungenen Abend voller Lacher, einer gesunden Portion Hirntraining und ganz viel Ironie & Sarkasmus.