Der Blick von Dina
Dänemark ist weit über Europa hinaus als sehr kreatives Filmland bekannt. Das hat nicht erst seit der «Dogma 95»-Bewegung für emotionale Filme gesorgt und liegt mit an der Förderung im Land. Mit «Die Hüterin der Wahrheit» bringen dänische Filmemacher einen gelungenen Film, der zwar auf einem Jugendroman basiert, aber auch für Erwachsene sehr ansprechend ist.
Die junge Dina hat eine Gabe. Sie kann den Menschen direkt in die Seele schauen und erkennen, was man lieber verdrängt. Niemand kann Dina belügen. Deswegen wird sie gemieden, als Hexe verschrieben und findet keine Freunde, was sie verzweifeln lässt. Ihre Mutter hat die selbe Gabe, ist ebenfalls eine sogenannte Beschämerin, die das wahre Wesen eines Menschen sehen kann. Eines Tages wird die Mutter zu einem brutalen Mord gerufen, um den Schuldigen klar festzustellen. Drakan, der Auftraggeber, glaubt ihrem Urteil jedoch nicht bzw. es passt ihm nicht, und er lässt Dina holen. Sie soll die Schuld zweifelsfrei feststellen, glaubt er doch, das Kind eher einschüchtern zu können.
Der Beschuldigte, Nicodemus, soll seine Familie, die gleichzeitig auch die Königsfamilie ist, umgebracht haben. Somit würde er, falls er schuldig ist, den Erbanspruch verlieren. Doch Dina erklärt ihn für unschuldig. Das passt Drakan gar nicht. In einem Kampf hilft Nico dem Mädchen Dina zur Flucht und greift den fiesen Drakan an. Bei der Flucht durch Drakans Drachenhöhle wird Dina von einem Drachen angegriffen, Nico rettet sie aber erneut. Dina bleibt allerdings nicht viel Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen, denn die Schergen Drakans sind auf ihren Fersen. Auf der Flucht erkennt Dina, dass es Menschen gibt, die ihr bedingungslos helfen und sie nicht als Hexe diffamieren. Doch sie muss sich über kurz oder lang Drakan und seiner Drachensekte stellen.
Hervorragende Hauptdarstellerin
Eigentlich ist «Die Hüterin der Wahrheit» ein Märchen für Jugendliche. Das ist an der unblutigen Inszenierung und den in dieser Hinsicht konsequenten Settings gut zu erkennen, ist doch sonst gerade das Gerne Fantasy nicht zimperlich. Allerdings macht es den Charme des Films aus, dass der Fokus auf Dina liegt und nicht auf literweise Kunstblut. Man fühlt mit der vordergründig starken Dina, die nur von allen Menschen akzeptiert werden möchte. Das Setting in einer doch recht tristen Fantasiewelt unterstreicht das Seelenleben von Dina zusätzlich. Dina beziehungsweise deren Darstellerin Rebecca Emilie Sattrup sind das Zentrum des Films. Sattrup ist perfekt besetzt. Sie strahlt mit einem Blick sehr viel unbewusste Macht aus und ihre glitzernden Augen beweisen unmissverständlich, dass sie eine der Guten ist. Man hinterfragt das gar nicht, solche Augen können nicht lügen. Für Rebecca Emilie Sattrup ist es die erste grosse Filmrolle und sie verkörpert Dina hoch professionell. Dina schliesst man schnell ins Herz, weil ihre Figur weise und vollkommen aufrichtig wirkt, sich für Schwächere einsetzt und für ihre Bestimmung mit viel List gewaltige Hindernisse überwindet.
«Die Hüterin der Wahrheit - Dinas Bestimmung» ist die Verfilmung des gleichnamigen Young-Adult-Romans von Lene Kaaberbøl und eine der teuersten Filmproduktionen Dänemarks. Die Geschichte über Lüge und Wahrheit ist gerade in der aktuelle Zeit, wo Fantasy Hochkonjunktur hat, ideal für Kinder. Aber auch Erwachsene können der Geschichte viele Facetten abgewinnen. Beispielsweise schwingt die Moral mit, dass Kinder mit dem Herzen denken und sehr direkt sind. Das sieht man auf der einen Seite, weil die Kinder zwar Dina böse ärgern, aber eher weil sie es nicht besser wissen und von den Eltern, die vor Dinas Gabe Angst haben, so gesagt bekommen und nicht, weil sie bewusst Dina schaden wollen. Dagegen versteht Dina nicht, dass man überhaupt lügen kann. Sie als Hüterin der Wahrheit ist der moralische Kompass im Film und der ist nicht pathetisch platziert, sondern einfach als eine Selbstverständlichkeit da, mitten in einer Welt voller Bauern, Ritter und Schwerter.
Die Drachen und ihr Blut
Der Regisseur von «Die Hüterin der Wahrheit - Dinas Bestimmung» heisst Kenneth Kainz und ist noch nicht so erfahren. Allerdings hat er Serienerfahrung und kennt sich mit Kurzfilmen aus. Das pointierte Erzählen dürfte ihm hier zugute gekommen sein. Alle Zutaten für ein spannendes Fantasyepos sind da. Von den Drachen und deren magischen Blutes über die Völker und Welten bis zu den Verschwörungen und Geheimorden. Kainz dirigiert die Welt und erzählt ein ruhiges, aber spannendes Märchen.
Kinderaugen lügen nicht. Im Fall von Dina sind die Augen sogar ein wenig hypnotisch. Dinas Gabe möchte man zwar gerne mal ausprobieren, auf die Verantwortung, die damit auf den Schultern des Mädchens lastet, verzichte ich aber gerne.
- Die Hüterin der Wahrheit - Dinas Bestimmung (Dänemark, Norwegen, Tschechien, Irland 2016)
- Regie: Kenneth Kainz
- Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Lene Kaaberbøl (Roman)
- Darsteller: Rebecca Emilie Sattrup, Jakob Oftebro, Allan Hyde, Roland Møller
- Laufzeit: ca. 96 Minuten
- Veröffentlichung: 1. September 2016