Succession im Vatikan

Moviekritik: Conclave
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© Elite Film AG

Als der amtierende Papst unerwartet an einem Herzinfarkt verstirbt, muss Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) in den Vatikan reisen und das Konklave leiten. Die ohnehin schwere Aufgabe wird für Lawrence zu einem Krampf, da er selbst mit seinem Glauben hadert. Doch gerade dadurch besitzt er am meisten Klarheit über den aktuellen Glaubenskrieg, der zwischen den Kardinälen herrscht. 

 

Edward Berger, Regisseur des Oscar-prämierten «Im Westen Nichts Neues», steigt mit «Conklave» erneut ins Oscarrennen ein. Erneut mit einer Literaturverfilmung. Der Film basiert diesmal auf den gleichnamigen Roman von Robert Harris und gibt Berger die Chance, sein Können in einem fein inszenierten Kammerspiel unter Beweis zu stellen. Und Letzteres zieht alle Register. Das Schauspielensemble - wenn auch fast ausschliesslich männlich - brilliert einwandfrei. Das Casting der Kardinäle ist beeindruckend erfolgreich. So reicht ein Blick, um zu wissen, dass Kardinal Bellini (Stanley Tucci) zu den Liberalen gehört, während Kardinal Trembley (John Lithgow) die konservative Seite vertritt. Isabella Rossellini triumphiert in einer kleinen aber sehr feinen Rolle als Schwester Agnes. In einer unvergesslichen Szene - die auch im Trailer zu sehen ist - erinnert sie daran, dass auch wenn die Schwestern keine tragende Rolle besitzen, Gott ihnen durchaus Augen und Ohren gab.

 

Nutzt ihre Ohren und Augen - Isabella Rossellini als Schwester Agnes. © Elite Film AG

 

«Conclave» unterhält auf vielen Ebenen. Zum einen als Thriller mit dem Rätsel, wie natürlich der Tod des Papstes war und wer allenfalls dafür verantwortlich ist. Auf einer anderen Ebene zeigt sich der Film als bittersüsse Sozialsatire, die unermüdlich die wahren Motive und Machtbegierden der Kardinäle erforscht. Manchen Szenen erinnern  an Ganggespräche in einer grossen Unternehmung, wenn die CEO Position neu besetzt werden soll. Oder einfach an ein Pfadilager mit Männern mittleren Alters in der Middle-Crisis. Das alles bietet der Film. Und dann gibt es noch eine Prise Mystery mit der Ankunft des neuen, jüngst in pectore (unter Geheimhaltung) ernannten Kardinals mit mexikanischen Wurzeln. All diese Fäden finden gekonnt einen gemeinsamen Anker in Ralph Fiennes Mimik. Er braucht oft kein Wort zu sprechen, seine Augen allein widerspiegeln Gedanken, Ängste und Befürchtungen. Lawrences zunehmender Zweifel gibt dem Verlauf ein zusätzliches Element: Schafft er das Konklave umzusetzen und einen neuen Papst zu wählen, bevor er seinen eigenen Glauben verliert? 

 

Die Rolle als ehrenhaften Zweifler, der versucht die Wahl seriös, moralisch und ethisch korrekt zu orchestrieren, zugleich einen potentiellen Mord aufzudecken, während sein eigener Glaube von Tag zu Tag schwindet, passt auf Fiennes wie angegossen. Unterstützt wird sein inneres Wanken mit der Kinematografie des Filmes. Muster, Farben, gar Objekte wie Regenschirme, sie alle werden als Medium eingesetzt, um das Schachbrett des Konkave visuell zu verdeutlichen. Interessant ist ebenfalls der ungebräuchliche Farbkontext: Männer in Rot, Frauen in Blau. Begleitet wird die impresive Bildgestaltung von Volker Bertelmanns rhythmischer Musik. Er steht ebenfalls hoch im Kurs für den Goldjungen, den er zuvor schon für «Im Westen Nichts Neues» erhalten hat.

 

Edward Berger kann Literaturverfilmungen. «Conclave» punktet in allen erdenklichen Film-Disziplinen. Ein perfekt inszeniertes Meisterwerk, dass trotz seiner Präzision nie kalt lässt, nie in reine Ernsthaftigkeit versinkt und auch nie den moralischen Zeigefinger erhebt. Ein durch und durch zugänglicher, menschlicher Film, mit Zweifel, mit Zynismus und mit Zukunftsperspektive.

 

  • Conclave (USA 2023)
  • Regie: Edward Berger
  • Besetzung: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Lucian Msamati, Jacek Koman, Bruno Novelli, Thomas Loibl, Brían F. O’Byrne, Isabella Rossellini, Rony Kramer
  • Laufzeit: 120 Minuten
  • Kinostart: 28. November 2024

 

Tanja Lipak / Mi, 27. Nov 2024