Der Anti-MacGyver
John Rambo ist eine der grössten Ikonen, die das amerikanische Actionkino der Achtziger hervorgebracht hat. Wann immer Verkehrsrowdys, Hooligans oder anderen Aggressoren auf den Plan treten, fällt sein Name. Dies jedoch zu Unrecht. Tatsächlich brauchte es in den bisherigen vier Filmen jede Menge Provokationen und Überredungskünste, um ihn zurück aufs Schlachtfeld zu locken, wo er sich hauptsächlich in Ninja-Manier an seine Opfer heranpirschte. Auch in «Last Blood» möchte John in Ruhe gelassen werden. Man könnte Rambo mit dem Hulk vergleichen. Die eine Sache, die wir von ihm sehen möchten, ist das Allerletzte, was er tun will. Tritt er trotzdem in Aktion, kann er sich auf seinen moralischen Kompass verlassen. Zumindest über weite Strecken.
Ramboléo
Sieht man sich nun das europäische Poster mit einem überbelichteten Sly Stallone an, könnte man rasch einen Cash Grab befürchten. Initiiert von einem alternden Actionstar, der verzweifelt nach Relevanz sucht. Der Eindruck trügt. Oskar-Nominierungen sind zwar in keiner Kategorie auszumachen. Aber die Darsteller sind gut gewählt, die Kinematographie ist ansprechend und die Handlung konsequent. Auch ohne Perücke verkauft Stallone überzeugend einen stark gealterten Rambo, der auf einer Ranch in einem Tunnelsystem haust. Inmitten von Jagdmessern und Schiesseisen, untermalt von klassischer Rockmusik. Bis seine Nichte auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater in Mexiko von einem Ring aus Menschenhändlern entführt wird.
Der Unverstandene
Ist «Last Blood» nun ein Kriegs- oder ein Anti-Kriegsfilm? Keine leichte Frage. Einerseits ist es der erste Rated-R-Film seit Jahren, der dieses Prädikat – will man es denn so nennen – tatsächlich verdient. Doch die blutigen Massakrierungen, welche sich mehrheitlich aufs Finale beschränken, sollten nicht als gewaltverherrlichend verstanden werden. Vielmehr sind sie eine logische Konsequenz innerhalb der Franchise. Steht Rambo mit dem Rücken zur Wand, hat er nur noch den Feind im Visier. Wer sich dann noch über das Nachfolgende beschweren will, sollte beim nächsten Kinobesuch besser prüfen, ob da wirklich «Disney» auf dem Ticket steht.
Vielleicht wollten die Filmemacher, zumindest auf einer gewissen Ebene, auf das Nachspiel bewaffneter Konflikte hinweisen. Noch heute schicken wir junge Erwachsene ohne Not in Kriegsgebiete und wundern uns dann, dass sich die traumatisierten Rückkehrer nicht mehr in der zivilen Gesellschaft zurechtfinden. Dies haben schon Filme wie «The Hurt Locker» verhandelt. Wenden sich Ehefrauen an die PTSD-Hotline, weil ihre Veteranen-Ehemänner sie im Schlaf beinahe erwürgt haben, wird ihnen dies als völlig normal verkauft. Überhaupt ist Krieg salonfähiger denn je. So erinnert uns «Last Blood» daran, was Krieg aus Menschen machen kann und wie dreckig sein wahres Gesicht doch eigentlich ist. Dass Krieg, wie John Rambos mörderische Seite, ein inakzeptables Relikt ist, das ein für alle Mal aufs Altenteil gehört.
Auch mit über Siebzig ist John Rambo weder für Sittenwächter noch für Jugendschützer zu haben. Grund zur Freude für die Fans. Denn ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, hat alles zu verschmieren.
- Rambo: Last Blood (USA, Teneriffa, Spanien, Bulgarien)
- Regie: Adrian Grünberg
- Darsteller: Sylvester Stallone, Sergio Peris-Mencheta, Yvette Monreal, Paz Vega u.a.
- Laufzeit: 101 Minuten
- Schweizer Kinostart: 19. September 2019