1000 Meilen unterwegs auf der Suche nach sich selbst
Eine gescheiterte Ehe, Heroinsucht, wahlloser Sex mit wildfremden Männern, die abgöttisch geliebte Mutter Bobbi (Laura Dern, «Das Schicksal ist ein mieser Verräter», «Jurassic Park») tot und die Familie auseinandergebrochen: Mit 26 Jahren steht Cheryl Strayed (Reese Witherspoon, «Walk The Line», «Wasser für die Elefanten») vor den Scherben ihres Lebens und fasst einen wagemutigen Entschluss. Ohne Wandererfahrung und verfolgt von ihrer Vergangenheit begibt sie sich alleine auf den Pacific Crest Trail (PCT), der sie von Südkalifornien bis in den Norden Oregons führt. 3 Monate kämpft sie gegen extreme Wetterverhältnisse, Angst, Einsamkeit und körperliche sowie seelische Schmerzen, um am Ende dieses fast 2000 Kilometer langen Fussmarsches endlich wieder zu sich selbst zu finden.
«Wild» ist die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Cheryl Strayed, der 2012 veröffentlicht wurde und die eindrücklichen Erlebnisse der Autorin auf dem PCT beschreibt. Fürs Kino adaptiert wurde die Geschichte von Erfolgsautor Nick Hornby («About a Boy», «High Fidelity») und für die Regie zeichnete sich Jean-Marc Vallée («Dallas Buyers Club», «The Young Victoria») verantwortlich.
Bild 1: Cheryl packt den Rucksack und macht sich auf die Wanderschaft durch (Bild 2) die malerische Natur der USA. (Mit Maus über Bild fahren)
Wie bei «Dallas Buyers Club» setzt Vallée auch bei «Wild» auf natürliches Licht und einen dokumentarischen Stil. Der Verzicht auf durchgehende Hintergrundmusik lässt Raum, um die Naturgeräusche hervorzuheben. Dadurch wird ein unmittelbarer Realismus erzeugt, bei dem auch ein gewisses Unbehagen vor unbekannten Gefahren mitschwingt. So werden Cheryls Ängste für den Zuschauer nachvollziehbar. Dass die Natur aber ebenso überwältigend wie atemberaubend sein kann, zeigen die vielen Aufnahmen in der Totale, die Cheryl dabei klein und unscheinbar wirken lassen und gleichzeitig eine Ruhe und Zeitlosigkeit ausstrahlen.
Merkwürdige Typen und Spuren auf Händen und Füssen
Die Story fokussiert auf Cheryls Wanderung auf dem Trail. Die Vorgeschichte, die zu ihrem Entschluss zu diesem gewagten Abenteuer führt, wird in Form von kurzen Einschüben erzählt. Diese Erinnerungen erscheinen zunächst als lose, unzusammenhängende Bilderfolgen, die nur kurze Augenblicke dauern, bis sie sich im Laufe des Films zu grösseren thematischen Rückblenden gruppieren. So erfährt der Zuschauer auch, wie der frühe Tod der Mutter die junge Frau aus der Bahn geworfen hat und sie zu selbstzerstörerischen Handlungen trieb.
Bild 1: Einsam streift die junge Frau durch die Wälder und (Bild 2) überquert Bäche und Flüsse.
Reese Witherspoon – vor allem bekannt für Liebeskomödien – überzeugt in dieser für sie eher ungewohnten Rolle einer verlorenen jungen Frau, die sich auf den Weg macht, um sich selbst wieder zu finden. Für ihre Leistung wurde sie deshalb auch für den Golden Globe nominiert. Witherspoon gelingt es, die Schmerzen und Strapazen, die Cheryl als unerfahrene Wanderin immer wieder an ihre Grenzen bringen, glaubhaft rüberzubringen. So fühlt man als Zuschauer sehr schnell einmal mit ihr mit. Sei es, dass ihr in der Wüste das Wasser ausgeht, sie Mitten im Nirgendwo auf zwei merkwürdige Typen trifft, oder der riesige Rucksack und die Wanderschuhe ihre Spuren auf Körper und Füssen hinterlassen.
«Wild» wartet zwar nicht mit grossen Überraschungen und unerwarteten Wendungen auf, doch Jean-Marc Vallées Fähigkeit, die Figur der Cheryl mit ihren Schwächen und Stärken zu zeigen, ohne zu werten, erleichtert den Zugang zu ihr und erlaubt uns mit ihr mitzufiebern. Die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen untermalen das Ganze und tragen zusätzlich zum Gefühl von Freiheit und Abenteuer bei.
- Wild (USA 2014)
- Regie: Jean-Marc Vallée
- Drehbuch: Nick Hornby
- Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Gaby Hoffmann, Charles Ba-ker, Kevin Rankin, Michiel Huisman
- Laufzeit: 115 Min.
- Kinostart: 15. Januar 2015
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