Bart Freundlich: «Die grösste Herausforderung war der Ton»

Interview mit Bart Freundlich
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Pressebild / © ZFF

«After the Wedding» Regisseur Bart Freundlich nahm sich am Zurich Film Festival Zeit für ein Interview. Er gab Auskunft über die Dreharbeiten mit Michelle Williams, die Zusammenarbeit mit Ehefrau Julianne Moore, seine Liebe für Avantgardefilme, wie viel Spass Drohnenkameras machen und weshalb er Alfonso Cuaron als Vorbild sieht.

 

Was hast du in Susannes Biers Film gesehen, das dein Interesse für ein Remake weckte?

 

Zuerst war ich mir gar nicht sicher, ob ein Remake eine gute Idee ist. Ich mag Susannes Film sehr, er hat eine eigene Erzählweise und diese 1:1 zu kopieren, ergibt aus meiner Sicht als Filmemacher keinen Sinn. Mich faszinierten insbesondere die verschachtelte Story sowie die dreidimensionalen Charaktere. Üblicherweise findest du ein Stück mit starken Charakteren, aber mit einer schwachen Story oder umgekehrt, aber Susannes Film besass beides, dies fesselte mich. Erst als ich die Idee mit dem Geschlechterrollenwechsel entwickelte, fand ich für mich persönlich eine Legitimation für das Remake. Weil es die Geschlechterstereotypen verdreht und dadurch auch den Plot ändert.

 

Du arbeitest im Film erneut mit Julianne Moore, deiner Ehefrau, zusammen. Habt ihr ein Erfolgsgeheimnis für eine gute Zusammenarbeit?

 

Ich kann nicht für Julianne reden, da sie nicht in Zürich ist, aber ich kann dir meine Sicht der Dinge darlegen. Für mich macht es grossen Spass. Dies liegt insbesondere daran, dass Julianne eine hervorragende Schauspielerin ist. Dies sage ich aus Sicht des Regisseurs. Es ist so als hättest du einen grossartigen Maler damit beauftragt, ein Bild für dich zu malen und du kannst nicht erwarten, zu sehen, was er macht. Dies gibt in etwa mein Gefühl wieder, wenn ich ans Set gehe und Julianne spielt. Meine andere Sicht ist die des Ehemannes. Wir haben eine glückliche Familie, aber unser Beruf führt dazu, dass wir an unterschiedlichen Orten arbeiten und uns häufig über mehrere Wochen nicht sehen. Deshalb ist es umso schöner, wenn wir mal zusammen arbeite können. Da es sich zudem um einen Low-Budget Film handelt, hatten wir gar keine richtige Pre-Production, was dazu führte, dass wir diese zuhause in unsere Küche verlegten und dort die Szenen vorbesprochen haben. Aber wenn ich nun Juliannes Sicht einnehmen würde, denke ich, ist es für sie ein wenig schwerer. Sie kennt mich durch und durch, es gibt nichts was ich ihr vormachen könnte. Ich war sehr nervös beim Dreh und als Regisseur musste ich mich um sehr viel kümmern. Julianne hat mir das angesehen. Und wenn der Regisseur dein eigener Mann ist, geht dir das näher. Aber alles in allem überwiegen die Vorteile einer gemeinsamen Zusammenarbeit. Dies ist auch bereits unsere vierte Zusammenarbeit und Julianne arbeitet nur dann mit dir, wenn sie wirklich an die Sache glaubt. Wenn sie die Rolle als Herausforderung und eigene Bereicherung ansieht.

 

Michelle Williams funktioniert auf eine ähnliche Weise nehme ich an.

 

Ja, absolut. Das stimmt. Wir haben Michelle das Drehbuch mit einer persönlichen Notiz zugesendet, weil wir sie von Anfang an in dieser Rolle sahen.

 

 

Wow, das erstaunt mich. Die Chemie zwischen Julianne, Michelle und Billy (Crudup) ist fantastisch, aber ich nahm an, dass es vorher ein Vorsprechen oder so gegeben hat. Wie wusstest du, dass es klappen würde als du Michelle das Script zugesendet hast?

 

Es freut mich zu hören, dass die Chemie wahrgenommen wurde. (lacht) Ich war mir sehr sicher, dass jeder in seiner eigenen Rolle sehr gut sein wird. Ich dachte ehrlich gesagt gar nicht so viel über die Chemie nach, es war mir wichtiger, dass sie in ihre Rolle passten. Aber wie wichtig die gemeinsame Chemie war, stellten wir alle erst am Set fest. Es gibt diese eine Szene an der Hochzeit, in der Michelles Charakter Isabel Billy’s Charakter Oscar entdeckt. Die beiden Figuren kennen sich von früher, aber haben sich ewige Zeit nicht mehr gesehen. Nachdem wir die Szene gedreht haben, kam Michelle auf mich zu und meinte, sie habe erst jetzt realisiert, dass Isabel und Oscar sich noch lieben müssten, trotz allem was passiert sei. Das Drehbuch und das Original reichten nicht für diese Feststellung, es brauchte das aktive Durchspielen der Szene. Michelle, Billy und Julianne sind sehr praktisch ausgerichtete Darsteller. Sie spielen Szenen viel lieber mehrmals durch und versuchen verschiedene Methoden als es zu Tode zu diskutieren. Sie müssen deshalb vom Cateringteam auch nicht mit ihrem Charakter-Namen angesprochen werden. (lacht)

 

 

Stimmt, ich war auf sehr vielen Sets, aber um ehrlich zu sein, ich fühlte mich dort immer sehr unwohl, weil ich nur Besucher war. Und als solcher hatte ich konstant das Gefühl den Leuten, die arbeiten, im Weg zu stehen.

 

 

Was war die grösste Herausforderung bei diesem Film?

 

Die grösste Herausforderung war der Ton. Es sollte nicht zu melodramatisch, aber auch nicht zu kühl erzählt werden. Wenn ich den Film betrachte, sehe ich all die Male, wo es uns wunderbar gelang und all die Male, als wir es nicht richtig trafen. Susannes Film ist ein klassisches Melodrama, Geheimnis um Geheimnis wird enthüllt. Deshalb war es mir sehr wichtig, dass die Darsteller in ihrem Schauspiel sehr geerdet und cool blieben, weil eine überdrehte Darstellung uns direkt in die Soap-Opera-Ecke gedrängt hätte. Andersrum sollte es nicht so abgeklärt sein, dass wir den entscheidenden emotionalen Moment verpassen. Dies war ein sehr schmaler Grad. Die Schauspieler kamen immer wieder auf mich zu und fragten, ob dies nun zu viel oder zu wenig war. Und jede Szene in diesem Film hat so viele Emotionen. Wir mussten die ganze Zeit über eine Checkliste verwenden und aufschreiben wer welches Geheimnis bei einer Szene kennt, wer noch im Dunkeln tappt und so weiter. Es war sehr viel Kopfarbeit dabei, weil es meine Aufgabe war, Wellen zu erzeugen und die Emotionen während zwei Stunden konstant hoch zu halten, weil man sonst in einer Monotonalität endet. Deshalb waren mir die Naturaufnahmen wichtig. Sie sollen den Zuschauern eine Pause zum Erholen geben.

 

Am Anfang gibt es eine sehr schöne Landschaftsaufnahme, hast du hierzu Drohnen eingesetzt?

 

Das ist korrekt, wir haben dort und noch an paar weiteren Stellen Drohnen eingesetzt. Mir war es wichtig, das sich wenigstens die Machart meines Films von jener von Susanne unterscheidet, wenn wir ja schon die Kernstory kopieren. Wir nutzten nicht viel Kamerabewegung und filmten sehr klassisch. Es sollte nicht 1:1 wie bei einem Kirk Douglas-Film aussehen, aber es sollte klar eine Story sein, während Susanne eine viel progressivere Kameraarbeit bevorzugte, die einem mitten ins Geschehen zog. Mir waren wiederum die Gesichter der Figuren wichtig, da sie für mich eine Art Landschaft wiedergeben, weil sie sehr nah gefilmt wurden. Wir filmten mit der gleichen Technik wie Alfonso Cuaron «Roma» filmte, eine Technik mit derart guter Bildqualität, die man insbesondere für grosse Landschaftsaufnahmen verwendet. Aber ich wollte es für die Gesichter nutzen, um diese emotionalen Landschaften zu zeigen. Dies war der künstlerische Aspekt. Bei den Drohnen war für mich als Film-Geek auch sehr viel Spass dabei, ich habe selbst ein paar Kameradrohnen geführt und ausgetestet. Ich fühlte mich wieder wie ein kleiner Junge mit einem Kameragerät. (lacht)

 

Und wenn du an deine Anfänge zurückdenkst, wie hast du dich als Filmemacher entwickelt, was für Filme möchtest du heute im Vergleich zu früher machen?

 

Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe einige Zeit lang versucht, Filme zu machen, von denen ich annahm, dass sie schnell und einfach ein Publikum finden würden. Ich habe Avantgarde-Filme studiert während meiner Unizeit und es hat mich schon immer fasziniert wie Bilder und Musik zusammen Emotionen in uns hervorrufen können, auch wenn es nur simple Muster sind. Solche Filme sollte ich jetzt vielleicht angehen. Uf, was sage ich da, ich werde nie wieder als Regisseur angestellt, wenn dieses Interview mal publiziert wird. (lacht) Nein, im Ernst, mich fasziniert der Gedanke, wie ich das Innenleben einer Figur filmisch umsetzen und greifbar machen kann. Ich denke, ich möchte keine Filme mehr sehen, die mich emotional nicht ergreifen. «Roma» funktioniert so gut, weil man merkt, dass es auf wahren Gefühlen basiert. Damit meine ich nicht historische Fakts, sondern authentische Empfindungen.

 

Du hast als Juliannes Ehemann sicherlich viele andere Film-Sets besucht. Hast du dir gewisse Handhabungen von anderen Regisseuren abgeschaut?

 

Stimmt, ich war auf sehr vielen Sets, aber um ehrlich zu sein, ich fühlte mich dort immer sehr unwohl, weil ich nur Besucher war. Und als solcher hatte ich konstant das Gefühl den Leuten, die arbeiten, im Weg zu stehen. Aber ja, ich habe mir die grossen Regisseure und Darsteller bei der Arbeit angeschaut und ich frage mich immer wieder was es ist, was diesen Funken auf die Leinwand zaubert. Du siehst die Performance vor dir, live. Du denkst, ja das ist so la-la. Dann siehst du dir die Filmaufnahme an und denkst dir «wie ist dies jetzt passiert?». Die Kamera hat etwas Magisches eingefangen, das du am Set nicht gesehen hast vom blossen Auge. Die Magie des Films.

 

 

Tanja Lipak / Fr, 18. Okt 2019