Andrew Garfield: «Andy Serkis gab uns freien Raum.»
Bäckstage traf den ehemaligen «Spider-Man» Andrew Garfield zum Interview in Zürich, wo er am Zurich Film Festival 2017 den Film «Breathe» vorstellte. Im Film verkörpert Andrew den Briten Robin Cavendish, der in den 50er-Jahren an Kinderlähmung erkrankte, sich aber nicht seinen Optimismus nehmen liess. Im Gespräch gewährte uns Andrew Einblick in seine Recherchetätigkeiten, die Zusammenarbeit mit Regisseur Andy Serkis, dem engen Band mit Co-Star Claire Foy und was ihn auf die Theaterbühne zieht.
Wie leicht viel es dir die Rolle anzunehmen? Hast du am Anfang gezögert?
Ich war von Anfang an begeistert und fasziniert, als ich das Drehbuch gelesen habe. Ich wollte Robin verkörpern und verstehen. Und dann kam natürlich das Bedenken. Es ist eine gewichtige Rolle. Das Leben von Robin und Diana war alles andere als ereignislos. Ihre Geschichte hat eine grosse Bedeutung für vielen Menschen auf der Welt, deshalb fühlte ich eine grosse Verantwortung auf meinen Schultern liegen. Es war mir wichtig, ihrem Leben und ihren Charakteren gerecht zu werden. Es macht mich stolz, Teil dieses Werkes zu sein.
War Robin Cavendish immer eine wichtige Person für dich?
Ich wusste im Vorfeld wenig über Robins Leben. Als ich das Drehbuch las, musste ich lachen und weinen. Dann lernte ich Jonathan kennen und nach nur 2 Minuten bestand er darauf, dass ich die richtige Person war, um seinen Vater zu verkörpern.
Du hast in deinem Leben bereits mehrmals reale Personen gespielt wie beispielsweise in «The social Network» oder «Hacksaw Ridge». Wie unterscheidest du die Herangehensweise bei diesen realen Rollen im Vergleich zu fiktiven Rollen?
Ich habe ein anderes Set an Ressourcen bei wahren Persönlichkeiten. Es ist zwar der gleiche Prozess – und mir stehen die fiktiven Charaktere gleich nah wie die realen –, die Sehnsucht den Personen gerecht zu werden ist gleichermassen stark. Bei realen Personen habe ich einfach massiv mehr verfügbare und zugängliche Informationen. Der Rechercheprozess unterscheidet sich demzufolge. Über Robin konnte ich massenweise Bücher lesen, Personen treffen oder Bilder bestaunen. Die Ressourcen waren grenzenlos, ein wunderbarer Zustand (lacht).
Die Stimme war eindeutig schwerer. Beim Gesicht versuchst du das Beste daraus zu machen und erkennst schnell, wo deine Grenzen sind.
Du bist häufig auch im Theater zu sehen, wo die Präsens und Bewegung elementar sind. Hast du mit «Breathe» bewusst nach einer Herausforderung gesucht, die dich physisch ein wenig «einschränkt»?
Ich war sehr von dem Part angezogen, weil Robin ein Mann war, der so stark leben wollte. Und dieser tragische Inzident konnte dieses Verlangen nicht aufhalten. Ich bin fasziniert davon, welch ein Leben er sich trotz allen Widerständen aufgebaut hatte. Welche Schönheit er in diesen Verlust brachte. Und Filme mag ich genauso wie Theater. Beim Theater gefällt mir der Aspekt, dass es keine Trennung zwischen Publikum und Bühne gibt. Es ist sehr intim und die Verbindung zwischen beiden Welten ist stark spürbar. Aber es hängt sehr viel vom Stück, den Theaterkollegen und dem Publikum ab. Wenn der Funken rüber springt, ist es magisch und wenn nicht, sehr schmerzhaft. Ohne Claire Foy wäre auch Robins Part äusserst schwer und mühsam gewesen, aber der Fakt, dass wir einander hatten und einander mochten, bedeutete dass wir eine tiefe Verbundenheit spürten, dies machte alles einfacher. Ob ein Schauspiel gelingt, hängt von vielen Elementen ab. Vieles könnte schief gehen und wenn es gut geht, bist du einfach nur dankbar.
Was war die grössere Herausforderung: Robins Stimme zu imitieren oder seine Gesichtszüge expressiv zu gestalten?
Die Stimme war eindeutig schwerer. Beim Gesicht versuchst du das Beste daraus zu machen und erkennst schnell, wo deine Grenzen sind. Es ist eine Exploration in Vergleich zu einer Imitation. Es war keine Imitation, obwohl ich sicherstellen wollte, dass ich wie Robin spreche. Sein Gesicht war sehr lebendig, aber ich denke dies ist ein natürlicher Prozess, wenn du eine von Natur aus extrovertierte Person bist, und du dies nicht ausleben kannst durch deinen Körper. Du musst alle Körperlichen Bewegungsverlangen in deinen Gesichtszügen spiegeln.
Inwiefern war es hilfreich, dass Regisseur Andy Serkis als Schauspieler Karriere machte und sich in dich hineinversetzen konnte?
Er war um ehrlich zu sein, sehr an der Story interessiert und liess mich einfach gewähren. Sein Fokus lag auf der Story und den Kameraeinstellungen und weniger auf unseren schauspielerischen Leistungen. Er besetzte Schauspieler, denen er vertraute und bei denen er sich eben auch auf andere Sachen konzentrieren konnte. Er gab uns freien Raum. Er gab uns Ratschläge und Feedback, wenn wir danach fragten. Aber ansonsten liess er uns in Ruhe machen. Das war ein äusserst angenehmes Gefühl und eine grosse Geste des Vertrauens.
Du sagtest an der Pressekonferenz, dass der Film dich sehr berührt hat. Inwiefern lebst du seit der Erfahrung anders oder bewusster?
Ich strebe immer an, mich durch meine Arbeit weiterzuentwickeln. Das gleiche gilt, wenn ich ein gutes Buch lese oder einen Song anhöre. Diese Dinge verändern dich, wenn du dafür offen bist. Und für mich ist es dasselbe mit den Charakteren, die ich spiele. Ich will, dass sie mich zum Besseren hin verändern. Dass ich wacher werde. Denn ich bin zum Teil unzufrieden mit meinem wunderbaren Leben. Aber eine Geschichte wie diese zeigt einem wie glücklich wir uns schätzen können, eine solche simple Sache zu tun wie zu stehen und uns zu bewegen.
Robin Cavendish und seine Frau Diana blieben trotz aller Hürden zusammen. Wie erklärst du dir das?
Ich denke, sie hätte gehen können. Sie hätte ihn verlassen können, aber sie entschied, bei ihm zu bleiben. Sie ging keinen Kompromiss ein, sie verehrte ihn. Sie liebte ihn und wollte die ganze Zeit bei ihm sein. Ich denke, wir alle können dies finden. Wer weiss, ob es Glück war oder Schicksal, es war wie vorherbestimmt. Mit gefällt die Idee, dass es vorherbestimmt war, dass sich die zwei treffen und zusammenkommen.