Trendige Asylanten.
Am diesjährigen «shnit»-Kurzfilmfestival in Bern regierte das Flüchtlingsthema. Kein Wunder, mag jeder denken, schliesslich ist das Thema hochaktuell und brisant. Aber rechtfertigt dies abermalig aufgewärmte Herzschmerz-Streifen? Wohl kaum. Das Ganze wirkt zu weilen gar schon kalkuliert. Fast so als müsse man als junge Filmemachende den Blick weg vom hedonistischen Leben in Europa lenken. Weil hier zu wenig Grenzerfahrungen erlebbar sind.
Umso erfrischender zeigt sich Tanja Bubbles «Spielplatz»-Kurzfilm. Der Film zeigt ein Paar Mitte bis Ende Dreissig und ihre unterschiedlichen Blickwinkel zum Thema Nachwuchs. Dabei nimmt er nebenbei auch die ganze vegane Hipster-Eltern-Kultur hoch. Kein Film mit hochstehenden politischen Aussagen, oder gesellschaftskritischen Provokationen, aber ein Film, der unterhält und hält was er verspricht. Ähnlich umwerfend ist «due piedi sinistri» über zwei Halbwüchsige und die Macht des Fussballs. Die Tücken des Erwachsenwerdens erfährt auch ein junger Migrant (Geschichten über Menschen mit Migrationshintergrund sind das «shnit»-Topthema Nr. 2!) in «Abseits». Abseits jedes Klischees zeigt der Film eine starke, selbstbewusste, irrsinnig humorvolle und verständliche muslimische Mutter. Schon allein für die von Stereotypen befreite Frauenfigur verdient der Schweizer Kurzfilm «Abseits» Preise.
Um Stereotypen kreist auch der englische Beitrag «Balcony», in welchen sich eine klassische white-trash Teenangerin in eine junge Asylantin verliebt. Wer jetzt an pathosüberlaufende Kulturvermittlung denkt, irrt sich gewalltig. «Balcony» gleicht eher einem Guy Ritchie Film: konsequent wird die Story vorangetrieben, ohne Angst vor Verlusten. Bitterkeit bleibt als Nachgeschmack hängen. Ähnlich wie beim Verlassen des «shnit»-Areals im Progr, der neuerdings einem Foodfestival-Gelände gleicht: vegane Crêpes, Bio-Burger, Soyamilchkaffis und viel Hipsternahrung mehr prägen das Bild. Freie Veranstaltungsblöcke für Asylanten - so hip sie zu sein scheinen - sucht man vergebens. Ausserhalb des Kinosaals werden die Festival-Besucher halt wieder von ihrem wahren Problemen eingeholt.