Der verfolgte Mann

Oliver Stone über «Snowden»
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Pressebild / © Zürich Filmfestival

Mit seiner jüngste Regiearbeit «Snowden», dem Bio-Pic über Edward Snowden, knüpft Oliver Stone an vergangene Erfolge wie «Born on the 4th of July», «Platoon» und «Natural Born Killers» an. Der Film erzählt Snowdens Werdegang bei der CIA, seine Kündigung und sein Wiedereinstieg bei der NSA. Aber auch über Snowdens privates Leben  -  wie der Beziehung mit Lindsay Mills - erfahren wir mehr. Es wäre auch dann ein guter, spannender und rasanter Actionthriller, wenn die Ereignisse nicht von wahrer Natur wären. Die Tatsache, dass wir hier keinem Jason Bourne zusehen, sondern einem real existierenden Menschen, macht betroffen. Was wir ja angesichts der Enthüllungen, die dank Snowden ans Tageslicht kamen, schon ohnehin sein sollten. Gut, gibt es nun also diesen Film, der ein wenig mehr private Hintergrundinformationen liefert als Laura Poitras‘ oscarprämierter Dokumentarfilm «Citizenfour». Ein wenig Hollywood wird mit Hauptdarstellern Joseph Gordon-Levitt und Shailene Woodley ebenfalls mitgeliefert. Die beiden machen sich gut. Joseph Gordon-Levitt verschmilzt geradezu in Edward Snowden. Ob dies einfach war und wie er über Snowden denkt, erzählte Joseph Gordon-Levitt beim Meidentermin am Zurich Film Festival, wo der Film Premiere feierte.  Bei der Pressekonferenz ebenfalls anwesend waren Shailene Woodley und Oliver Stone. Stone gab Auskunft über die Entstehung des Filmes und Shailene Woodley’s Ansichten gibt es hier nachzulesen: (Interview mit Shailene Woodley).

 

 

Wie bist du an die Story ran?

Oliver Stone: ich wusste nicht, wie ich die Story erzählen sollte. Ich ging nach Moskau und traf Edward erstmals im Januar 2014. Wir besprachen alles und im Juni 2014 begannen mein Co-Writer und ich mit dem Drehbuch. Es war sehr aufregend, zu wissen, dass Snowden mit uns kooperierte und wir so eine Innensicht bekamen. Das motivierte mich sehr. Andererseits gab es alle diese technischen Fakten und diese zu vermitteln, ist schwierig. Deshalb fokussierten wir uns eher auf seine Beziehung mit Lindsey, da ihre Geschichte nicht nur, aber auch Auslöser für sein Verhalten war. Eine lineare Erzählstruktur hielt ich für richtig. Wie er eben zu dem Mann wurde, der er ist und warum. 

War es beängstigend eine real existierende und diskutierte Person wie Edward Snowden zu verkörpern?

 

Joseph Gordon-Levitt: Die Tatsache dass Snowden real ist und es so viel Wirbel um ihn herum gibt, hat mich nicht abgestreckt, sondern eher motiviert. Es gab unendlich viele Facetten zu ergründen, was bei Filmfiguren eher selten der Fall ist. Generell sind meine liebsten schauspielerischen Darbietungen jene, in denen du den Schauspieler gar nicht mehr erkennst, sondern nur die Figur. Und die ist bei einem real existierenden Menschen einfacher umzusetzen, weil du alle seine Gesichtszüge und Reaktionen studieren kannst. Ich traf Edward Snowden sogar einmal in Moskau, Oliver nahm mich mit. Als ich Edward zum ersten Mal traf, war auch Lindsay anwesend. Wir begannen darüber zu sprechen, was Edward am meisten interessierte, was natürlich internationale Beziehungen und Politik waren. Und Oliver unterbrach uns, sagte das sei egal, dass könne man alles nachlesen, viel wichtiger sei es herauszufinden wie er schläft, was er isst und ähnliche Dinge. (lacht).

 

Hat dich etwas verblüfft als du Edward kennengelernt hast?

Joseph Gordon-Levitt: Ich ging mit den Vorurteil an die Sache, dass Menschen, die gut mit Computern sind, sozial eher Mühe haben. Doch ich habe mich sehr geirrt, er ist sehr altmodisch in der Hinsicht, dass er sehr gutes Benehmen zeigte, sehr höflich und zuvorkommend war. Er ist ein würdevoller Gentleman.

 

Hattest Du noch andere falsche Vorstellungen von Edward?

Joseph Gordon-Levitt: Als mir die Rolle des Edward Snowden angeboten wurde, war ich sofort dabei, da ich ein grosser von Olivers Filmen bin. Ich war aber plötzlich auch verwirrt und hab mich gefragt, wer dieser Kerl schon wieder ist, was er wo veröffentlich hat und warum. Und deshalb hatte ich zunächst auch keine Vorstellungen über Edward. Es gibt mittlerweile so viele Nachrichteninformationen, dass es mir schwergefallen ist, mich voll reinzuhängen. Ich denke, uns allen geht es da gleich, wir haben alle von Edward und seiner Geschichte gehört, aber die Details kennen wir nicht. Wenn wir sie jemanden erklären müssten, kämen wir schnell an unsere Grenzen. 

Wie denkst du nun über Snowden, nachdem du dich so intensiv mit ihm auseinandergesetzt hast?

 

Joseph Gordon-Levitt: Held oder Verräter? Ich würde niemanden empfehlen, meinem Urteil über ihm blind zu folgen. Es ist eine komplizierte Story und viele Leute vereinfachen sie nur. Deshalb würde ich eher jedem empfehlen, sich selbst einzulesen und seine eigene Meinung zu bilden. Meine persönliche Meinung ist, dass ich viele Leute verstehe, die sagen er sei ein Krimineller, weil er geheime Daten veröffentlichte. Aber die NSA brach ebenfalls das Gesetz, weil sie so viele Daten sammelte. Und sie brachen damit quasi unsere Verfassung. Und sie logen darüber, dass sie diese Tätigkeiten durchführten. Sie belogen ein Gericht und gaben an, dass sie diese Daten nicht sammeln würden. Aber Niemand konnte beweisen dass sie lügen, bis Edward den Journalisten den Beweis lieferte. Schlussendlich bin ich deshalb dankbar für das, was er getan hat.

Und ich denke da gibt es einen sehr wichtiger Punkt, der häufig vergessen geht: Edward Snowden hat kein einziges Dokument an die Öffentlichkeit gebracht. Sondern nur an eine sehr kleine, auserlesene Gruppe von hochqualifizierten Journalisten. Und er wollte nicht entscheidet was an die Öffentlichkeit geht. Ihr Medienleute entscheidet, was davon rausgeht und was nicht. Was steht im Interessen der Öffentlichkeit, was soll veröffentlicht werden und was nicht? Und dies wurde im Drehbuch sehr gut rübergebracht.

 

Oliver wie denkst Du über Edwards Enthüllungen?

Oliver Stone: Massenüberwachung bringt meiner Meinung nach gar nichts. Regierungen haben dann viel zu viele Daten und wissen gar nicht, wie sie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen finden sollen. Terrorismus ist eine ernst zunehmende Bedrohung, aber ich sehe den Zusammenhang zwischen Massenüberwachung und Terrorismusbekämpfung nicht. Ich sehe nicht wie die beiden im Zusammenhang stehen, wie mit dem einen das andere bekämpft werden soll. Im Film ist ersichtlich, dass für die US-Regierung China und Russland nach wie vor die grösste Bedrohung ausmacht, nicht die Terroristen. Die Massenüberwachung hat also gar nicht in erster Linie mit Terrorismus zu tun. Wenn die Sicherheitsleute meine Daten wollen, okay, aber beweist mir, dass diese Daten euch genutzt haben und ihr Anschläge verhindern konntet. Beweist mir das mal. Terrorismus gab es in Europa schon in den 60er-, 70er- und 80er- Jahren. Und jetzt muss auf einmal die Massenüberwachung her, weil es sonst nicht mehr einzudämmen ist? Terrorismus bekämpfen kleine Units, die sich an die Fersen von Terroristen heften, nicht Sicherheitsleute, die sämtliche Telefonate in Amerika abhören.

 

In der Schweiz stimmen wir über ein neues Nachrichtengesetz ab. Es geht auch um die Überwachung.

 

Oliver Stone: Die meisten Menschen werden sich der Regierung anschliessen, weil sie der Regierung vertrauen, das macht auch Sinn sonst würde es eine Revolte geben. Andererseits kommunizieren die Regierungen permanent «Terror, Terror, Angst, Angst…» und dies hat notabene eine Wirkung auf die Staatsbürger. Und es braucht mehr Gesetze und Regeln, um diese Terroristen zu schnappen. Aber das interessante ist ja, dass dies nicht unbedingt stimmt, häufig kommt raus, dass genau das Gegenteil wahr ist. Je mehr Informationen sie haben, desto weniger sehen sie das Relevante. Sie brauchen zielgruppenspezifische Informationen, nicht jene über das ganze Volk. Jeder, und auch eure Bevölkerung wird für mehr Sicherheit abstimmen, was völliger Irrsinn ist. Vergesst nicht, dass auch die Nazis dasselbe Angebot in den 1930er Jahren anboten, und als sie an die Macht kamen, gab es einen Verfassungsartikel der besagte, dass sie sich um die Sicherheit des Volkes kümmern würden. Um was sie sich wirklich gekümmert haben als sie an die Macht kamen, wissen wir alle.

 

Joseph Gordon-Levitt: Ich muss hier noch hinzufügen, dass es super ist, darüber abstimmen zu dürfen. Egal wie die Resultate rauskommen, ihr konntet euch einbringen, eure Stimme dazu abgeben, dies können wir in den Vereinigten Staaten nicht. Ob nun Massenüberwachung gut oder schlecht ist, ist eine andere Diskussion, ich sehe es ähnlich wie Oliver. Es gab noch keinen Terroranschlag, der aufgrund der Massenüberwachung verübelt wurde. Die CIA gab an, dass es solche Fälle gab und später musste die CIA zugeben, gelogen zu haben. Und es gibt da noch den Unterschied zwischen Massenüberwachung und zielgeführten Überwachung. Zielgeführte Überwachung heisst, einen Verdächtigen zu überwachen und nicht die gesamte Bevölkerung. Aber erneut, wenn die Bevölkerung befragt wird und sie sich für die Bewachung entscheidet, ist das in Ordnung, es ist die Umsetzung von Demokratie, des Volkswillens, auch wenn nicht alle damit einverstanden sind. Ich wäre froh gewesen, abstimmen zu können.

 

 

Tanja Lipak / Di, 18. Okt 2016