Eklektischer Musikgarten

Lake Street Dive - «Side Pony»
Bildquelle: 
Nonsuch Records / Warner

Zu Halloween wird schnell mal eine Version von Queens «Bohemian Rapsody» ins Web gestellt, die zwischen Staunen und Schmunzeln wechseln lässt und somit ziemlich gut unterstreicht, wie sich Lake Street Dive selbst sehen, nämlich als nicht zu wichtig. Wenn man bei Youtube nach dem amerikanischen Quartett mit dem Strassennamen sucht, stösst man schnell auf besagtes Cover. Der Clip macht charmant klar, man nimmt die Musik durchaus ernst, stellt aber in den Fokus, dass Musik vor und auf der Bühne Spass machen muss. 

 

Musik muss spürbar sein, direkt ins Herz gehen und bleibenden Eindruck hinterlassen. Diese Assoziation entsteht jedenfalls beim Hören von «Side Pony». Vielleicht liegt das daran, dass die Aufnahmen so «live wie möglich» im Studio gemacht wurden. Vielleicht an der Harmonie, die das Quartett zusammenhält. Zu keinem Zeitpunkt liegt der Fokus nicht auf dem Mikrokosmos, den diese Band bildet. Wenn Rachael Price, die sämtliche Songs auf dem Album singt, etwas mehr im Gedächtnis hängen bleibt, liegt das in der Natur der Sache. Gesang bleibt erfahrungsgemäss schneller im Kopf. Rachaels Stimme hat dazu aber auch eine angenehme Farbe, viel Flair von 60ties Soul gepaart mit aktueller Popmusik und einem gehörigen Schuss Soul. 

 

Getroffen haben sich Lake Street Dive am New England Conservatory of Music in Boston und schon hier fängt die Attitüde der Gegensätze in der Band an. Zwar hat man gemeinsam Jazz studiert, der Jazz ist in der Musik aber nur marginal vertreten, bildet quasi das solide Grundbeet für den eklektischen Garten, den Lake Street Dive gekonnt bewirtschaften. Das funktioniert bestens und kennt man diesen musikgeschulten Hintergrund, erstaunt auch nicht, dass alle vier Bandmitglieder komponieren und das sorgt dann folgerichtig wieder für eine natürliche Abwechslung. Lake Street Dive machen viel richtig und da war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Band aufmerksam werden würde. Dass es dann Country-/Folkikone T Bone Burnett sein würde, war eher Zufall. Er sah nämlich eine bestechend gute Cover-Version von «I Want You Back» von den Jackson Five. Die Band hat sie maximal reduziert auf einem Trottoir in Boston aufgenommen und ins Web gestellt. 

 

Alle Mitglieder komponieren Songs.  

 

Burnett hat Lake Street Dive daraufhin zu einem Konzert eingeladen, das er in New York kuratierte, um den Folk des Coen-Films «Inside Llewyn Davis» zu zelebrieren. Die Band hatte genau einen Song lang die Plattform, um sich zu zeigen, ihr Können zu beweisen und ihre Karriere in Schwung zu bringen. Sie haben die Chance genutzt und sind im Studio des in Nashville lebenden Produzenten Dave Cobb gelandet. Der ist für eine Arbeit bekannt, die von allen möglichen Einflüssen geprägt wird. Genau wie die Band, es haben sich also zwei gefunden. 

 

Entstanden ist ein Album, das zwar viele Stile verknüpft, stellenweise richtig rockige Funken sprüht («I Don’t Care About You»), bei Balladen die richtige Intensität trifft («Mistakes») und selbst bei feinen Anleihen an Motown sicher wandelt («Call Off Your Dogs»). Wenn die Band zwar schon nicht brutal variiert, ja, manche Kompositionen sich in der Grundstimmung etwas ähnlich sind, so gelingt es Lake Street Dive doch einen eigenen Stil zu finden und dann trotzdem in der selbst gesteckten - und offen hörbar gemütlichen – Umgebung zu experimentieren. So kann ein Ausflug in luftig-leichtem 60ties-Pop enden, während ein anderer sich in Blues und Gospel suhlt. Lake Street Dive gelingt eine Platte, die trotz kleiner Schwächen nie langweilig oder noch schlimmer, belanglos wird. 

 

Lake Street Dive - «Call Off My Dog»

 

«Lake Street Dive» ist ein Name, mit dem sich Fans von Pop-Musik mit breiten Einflüssen ruhig beschäftigen können. Es gibt viel zu entdecken.

 

 

  • Band: Lake Street Dive
  • Album: «Side Pony»
  • Herkunft: USA
  • Label: Nonesuch Records
  • Verkaufsstart: im Handel erhältlich
  • Live: 18. April / Moods Zürich / Tickets: Starticket

 

Patrick Holenstein / So, 03. Apr 2016