Starke Frau mit einzigartiger Stimme
Hin und wieder muss man in der eigenen Vergangenheit kramen, um klar zu machen, wieso ein Konzert empfohlen werden soll. So stand ich irgendwann Mitte oder Ende der 90er, so gernau weiss ich das jetzt nicht mehr, im Volkshaus in Zürich und kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Da war eine Sängerin auf der Bühne, die nicht nur eine Stimme wie ein in Watte gepacktes Reibeisen besitzt, rauh und verlebt und doch warm und weich, sondern dieses Organ auch sehr gezielt einzusetzten vermag. Sie kann im richtigen Moment alles aus sich schreien und wenige Augeblicke später mit so viel Gefühl singen, dass sie mitten ins Herz trifft. Dazu strahlt sie die richtige Menge rockiger Attitüde aus und flirtet scheu mir Country und Soul. Damals war Melissa Etheridge auf der Höhe ihrer Karriere - hätte man denken können. Doch dann wurde sie gebeutelt.
Die charismatische Amerikanerin mit Jahrgang 61 erkrankte Mitte der 2000er an Brustkrebs, stellte sich dem Kampf und gewann ihn. Kurz darauf meldete sie sich mit neuer Platte und einem Cover von Joplins «Piece of my Heart», im Duett mit Joss Stone gesungen, eindrücklich zurück. Für Al Gores Film «Eine unbequeme Wahrheit» schrieb sie die Nummer «I Need To Wake Up» und wurde dafür mit dem Oscar belohnt. Und wie als Krönung ihres gewaltigen Schaffens, wurde ihr 2011 ein Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood verliehen. Heute geht es Melissa gesundheitlich sehr gut und sie ist unermüdlich am Schreiben und tourt um die Welt. Mein jüngeres Ich freut sich bestimmt diebisch darüber.
Den ganz grossen Druchbruch hat Melissa zwar nie wirklich geschafft, sie ist Zeit ihrer Karriere ein bombastisch grosser Geheimtipp geblieben, aber schon beim eingangs besagten Konzert aus den 90ern wirkte sie damit ganz zufrieden und wenn man sich heute mit der stimmgewaltigen Sängerin beschäftigt, unterstreicht sich dieser Eindruck gleich nochmals. Etherdrige ist als Künstlerin gefestigt wie nie und vermag es mühelos, einen ganzen Saal in ihren Bann zu ziehen. Einerseits, weil sie wahrschenlich Authentizität als Kind versehentlich verschluckt hat und andererseits, weil sie auf der Bühne jenes zufriedene Strahlen verbreitet, das nicht selten auch auf das Publikum abfärbt. Wer kann, sollte sich Melissa Etheridge keinesfalls entgehen lassen.
Melissa Etheridge - «Take My Number»
- Melissa Etheridge
- 15. Juli 2015
- Kongresshaus Zürich
- Tickets gibt es via Ticketcorner