Konzert-Review One of a Million Festival Baden

Konzert-Review One of a Million Festival
Bildquelle: 
www.ooam.ch

Letzten Freitag durfte ich ein gut organisiertes, herziges und an musikalischen Perlen kaum zu übertreffendes Musikfestival erleben: Das «One of a Million»-Festival in Baden. Vom 1. bis 9. Februar gaben sich dort regionale und internationale Bands im Indie-Bereich die Ehre. Am 8. Febuar durfte ich Diver (AT), Blaudzun (NL) und Camera (D) live erleben.

 

Gänsehaut garantiert


Erst ein paar wenige Leute haben sich zum Konzertbeginn von Diver im Club Merkker eingefunden, als die Jungs still und heimlich die Bühne betraten. Sogleich ging es los, alle drei an Gitarren. Es wurde augenblicklich still im Raum, denn trotz sanfter Singer/Songwriter-Musik gelang es der Band, jegliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mit ihrem zurückhaltenden Charme, raffinierten Lyrics, den liebevoll gestalteten Songs und dem flexiblen, durchdachten Einsatz verschiedener Instrumente schafften sie eine wunderbare Atmosphäre, die jedem im Publikum ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Jeder der Bandmitglieder überzeugte auf ganzer Linie und wenn sie alle drei im Chor sangen, war Gänsehaut garantiert. Einige Lieder waren schnellere Nummern, die Steigerungen enthielten und das Publikum beinahe zum Mitklatschen und Tanzen animierten - aber eben nur beinahe. Hier liegt noch ein grosses Potential der Band. Ihr musikalisches Können scheint noch lange nicht ausgeschöpft und offenbar steckt da noch viel dahinter, das ausbrechen möchte. Die Frage, ob denn bald mal eine Erweiterung der Band geplant sei, zum Beispiel mit einem Drummer, konnten die Jungs nicht definitiv beantworten. Sie sind sich noch nicht sicher, wo ihre Musik sie noch hinführt. Schliesslich stehen sie noch ganz am Anfang ihrer Karriere, und hoffentlich führt sie diese Karriere auch bald mal wieder in die Schweiz. Ein gelungener, sympathischer und musikalisch interessanter Auftakt für diesen Abend.

 

Eine Emotionalität, die kaum zu übertreffen ist

 

Danach folgte Blaudzun im Club Royal. Wieso diese Band noch nicht weltbekannt ist, bleibt ein grosses Rätsel. Die Vergleiche mit Arcade Fire, die man von überall her hört, kann man nach wenigen Takten bestätigen. Der Musikstil gleicht sich sehr, jedoch sind Blaudzun eine Spur sympathischer, ein wenig unorganisierter, etwas wilder und rauer. Unberechenbar leidenschaftlich und voller treibender Energie setzen sie von einem Höhepunkt zum nächsten an. Da werden riesige Klangmauern erbaut, mit Streichern, Pauken, Trompeten und dem eindringlichen Gesang von Frontmann Johannes Sigmonds errichtet, um sie kurz darauf in einem donnernden Sturm wieder niederzureissen. Live erreicht Blaudzun eine Dynamik und Wucht, die den Konzertclub beinahe einzureissen droht. Die melodramatische, düstere Euphorie, die von den Songs ausgeht, schafft eine wunderbar verzaubernde Stimmung.

 

Vom ersten Ton an erfüllte den ganzen Club eine unbeschreibliche Energie, die man einfach live erleben muss, um sie zu verstehen. Das Publikum tanzte zuerst zögernd und staunend mit, um sich dann gegen Mitte und Ende des Konzertes in purer Ekstase zu verlieren. Blaudzun bietet an den Konzerten eine Emotionalität, die kaum zu übertreffen ist. Sigmonds imposante Erscheinung trägt zu diesem faszinierenden Konzerterlebnis zusätzlich bei. Der grosse, bärtige Mann mit dieser unmöglichen Frisur und der dicken schwarzen Hornbrille hat eine so starke Bühnenpräsenz und eine derart einehmende Aura, dass es beinahe unheimlich ist. Als er dann nach einigen Songs ins Publikum trat, um alleine mit seiner Ukulele einen Song ohne Mikro zu performen, wurde es andächtig still im Raum. Auch die zahlreichen Musiker, die ihn stets begleiten, und die nach dieser kurzen Soloperformance wieder zum nächsten imposanten Stück einsetzten, sind allesamt unverschämt talentiert und voller Leidenschaft mit dabei. 


Wer Blaudzun bis zu diesem Abend noch nicht live gesehen hat, der war wohl erstaunt und erschlagen zugleich. Wahrscheinlich ging jeder, der im Publikum war und Zeuge dieses grandiosen Auftritts wurde, an diesem Abend mit einem breiten und seligen Grinsen aus dem Royal. Blaudzun, einer der absoluten Höhepunkte des diesjährigen «One of a Million»-Festivals! Sie sind übrigens schon bald wieder in der Schweiz: am 20. April treten sie im Papiersaal in Zürich auf.

 

Passende Musik für die späteren Abendstunden

 

Wenig später folgte die letzte Band des Abends, Camera, in der Stanzerei. Hier wurde es schwierig. Denn nach einem solchen Auftritt wie jenem von Blaudzun noch zu begeistern, ist kein leichtes Spiel. Camera starteten ihr Set mit einem sphärischen und sehr ausgedehnten Intro. Düster erschien das Ganze, einige Köpfe begannen versonnen mitzuwippen, andere schauten der ganzen Sache eher skeptisch zu. Der Musikstil der aus Berlin stammenden Band wird als Krautrock angepriesen, Gesang gibt es keinen. Problematisch war es für die Jungs nun, diese Euphorie, die man vom vorherigen Konzert mitgenommen hatte, nicht mit ihrer vor sich hin stampfenden Musik zu zerstören. Leider ist ihnen das nicht unbedingt gelungen. Obwohl ihre Musik durchaus anregt und zum Mitwippen und Tanzen animiert, kam nicht wirklich Stimmung auf. Das Publikum war zwar sehr dankbar und gerade die ersten paar Reihen waren sehr engagiert, aber es lag ein etwas fader Beigeschmack auf dem Ganzen. Nichtsdestotrotz, die Band spielte gut und wer ihre Musik mag und in Partylaune war, der war an richtiger Stelle vor Ort. Schliesslich war es passende Musik für die späteren Abendstunden, in denen man langsam etwas tanzen möchte und vielleicht schon das ein oder andere Bierchen intus hat. Und mit dem anschliessenden DJ-Set war dann wahrscheinlich jeder Clubgänger bestens bedient.


Das ist leider nur der Bericht über den Konzertabend vom Freitag, 8. Februar. Trotzdem gab es uns einen guten Einblick in das One of a Million und hinterliess einen durchwegs positiven Eindruck. Das Festival spielt in drei tollen, sympathischen Clubs (Merkker, Stanzerei und Royal). Die Grösse der Clubs war für die jeweiligen Bands ideal. Es ist ein Musikfestival, das zum Entdecken einlädt und viele Musikperlen offenbart - klein, aber fein. Ausserdem ist es wunderbar organisiert, man hat genügend Zeit um von Club zu Club zu gelangen und kann jede der Bands in Ruhe und vor allem zu Ende sehen. Auch das Personal war freundlich und hilfsbereit. An dieser Stelle ein ganz grosses Lob an alle Organisatoren und Helfer! Wir freuen uns schon aufs nächste «One of a Million»-Festival.

Natascha Evers / Mo, 11. Feb 2013