Pianist Corbin Beisner: Ein weiser Guru ist sehr hilfreich

Interview mit Pianist Corbin Beisner
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© Corbin Beisner

Auf den Bühnen Europas begeistert er Klassikliebhaber und auf den Bühnen der USA heimste er einen Preis nach dem anderen ein. Der US-Amerikaner Corbin Beisner gilt unter Kennern der Klassik als ein besonderes Talent, das elegant Franz Liszt, Beethoven, Mozart, Schubert und Haydn zum Besten gibt. Doch wer ist dieser Mann, der seit Anfang 2017 auch in der Schweiz Klassik-Kenner an seine Konzerte lockt? Wir haben bei Corbin Beisner nachgefragt.

 

Wann hast du mit dem Klavierspielen angefangen?

Soweit ich mich erinnern mag, habe ich schon als Ein- oder Zweijähriger gespielt. Meine Eltern waren beide Musiker, meine Mutter Musiklehrerin. Mein Vater war ein ziemlich bekannter und talentierter Jazzmusiker. Auch spielte er ein paar Instrumente, unter anderem Klavier und Trompete.

  

Musik wurde dir quasi in die Wiege gelegt, vor allem der Jazz. Spielst auch du mehrere Instrumente?

 

Das ist wirklich so. Ich wuchs inmitten von Musik auf. Durch meinen Vater fing ich zuerst mit Jazz an und entdeckte später die Klassik für mich. Ich bin gar nicht mal so schlecht am Saxophon und Trompete habe ich ausprobiert. Aber das war nicht ganz so mein Instrument.

  

Warum hast du dich für das Klavier entschieden? 

Weil ich am Ende immer zum Klavier zurückkam und mich dieses Instrument von allen anderen am meisten fasziniert.

  

Was fasziniert dich daran? 

Ich vermute, es liegt daran, dass ich schon als Baby davon angezogen wurde und drauf spielen wollte. Mir gefällt nicht nur das Spielen, sondern auch die Musik. Ich wollte immer spielen, selbst als ich noch nicht so virtuos war und es noch nicht so gut klang.

  

Hattest du früh Klavierstunden? 

Am Anfang war es ein natürlicher Instinkt, ein sich Hingezogen fühlen zu diesem Instrument. Meine Mutter, die Musiklehrerin war, wusste, dass es klüger wäre einen Lehrer für mich zu finden, statt mich selber zu unterrichten. Ich hatte dann ein paar verschiedene Lehrer, bis ich mit etwa Zwölf den passenden fand.

  

Hat er dir Klassik oder Jazz beigebracht? 

Vorwiegend Jazz. Von meinem ersten Lehrer lernte ich eine Menge über Freiheit, Improvisation und Komposition. Man muss zuerst die Essenz des Stückes kennen und verstehen, um überhaupt improvisieren zu können. Anders gesagt: Du musst die Regeln kennen, um zu wissen, wie man sie brechen kann. Dann entsteht etwas, das ich musikalische Ästhetik nenne.

  

Eine goldene Mitte also? 

Ganz genau. Das führt dann zur goldenen Performance. Eine Mischung aus Kalkül und Improvisation.

  

Was braucht es sonst noch, um ein guter Pianist zu werden? 

Es hilft sehr, wenn du mit einem gewissen Talent geboren und dann gefördert wirst. Zudem spielt Leidenschaft eine grosse Rolle und du brauchst mindesten ein Mentor, der weiss wie er dich führen und fördern kann. Das lässt sich auf jeden Musiker der Weltgeschichte applizieren, sie waren alle talentiert und getrieben, doch brauchten sie einen Mentor, der diese Musikalität in die richtigen Bahnen lenken konnte.

  

Jemand, der dir Feedback gibt, damit du dich verbessern und entwickeln kannst.

 

Ein weiser Guru ist sehr hilfreich (lacht). Oder auch mehrere.

  

Hattest du demnach mehrere? 

Ein paar vielleicht. Mein erster Mentor, den Brasilianer Luiz de Moura Castro, habe ich in Connecticut an der Hartford University kennengelernt. Er war nicht nur ein grosser Klavierspieler und Musiker, sondern auch ein ausgezeichneter Pädagoge. Castro hat mir viel über Musikästhetik beigebracht.

  

Ist es schwer sich einen Ruf zu erarbeiten? 

Es ist für Musiker nie einfach gewesen, sich einen guten Ruf zu erarbeiten – selbst vor hunderten Jahren nicht. Zudem ist es ein moderneres Phänomen, dass der Klavierspieler im Mittelpunkt steht. Eine Karriere als Pianist ist relativ neu, denn Pianisten waren in der Regel Komponisten, Dirigenten oder Musiklehrer. Beethoven und Liszt waren in jungen Jahren Performer und erst später Komponisten. Sie begannen ihre Karriere als Pianisten.

  

Du hast schon ein paar Punkte genannt, wie man ein guter Pianist wird. Ich nehme an, dass es nicht reicht Talent, Mentoren und Förderung zu haben. Es braucht gute PR und …

 

 … das Glück zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Natürlich brauchst du Leidenschaft und die Stärke, des Willens und Wollens. Es gibt nur eine Handvoll Pianisten, die wirklich alleine von Konzerte leben können. Die meisten arbeiten als Pädagogen und Musiklehrer.

  

Es gibt auch Musiker, wie etwa David Garrett, der aus der Klassik kommt und auch Klassik-Konzerte gibt, aber vor allem bekannt wurde durch seine Crossover-Musik – ein weiteres Standbein also.

 

Ich bin etwas misstrauisch gegenüber Crossover-Musik. Klar steckt viel Arbeit dahinter, aber was die Massen anzieht, ist nicht rein die Musik, sondern die ganze Show. Der Musiker ist der Mittelpunkt und nicht die Musik.

  

Diese Stücke müssen doch auch alle geschrieben und orchestriert werden. Das steckt einiges an Arbeit dahinter.

 

Klar haben wir heute Techniken, die zum Beispiel Beethoven, Mozart und Liszt alle nicht hatten. Ich möchte nicht abgehoben klingen und die Leistung dieser Musiker schmälern. Aber all diese klassischen Stücke, die heute mit Rock-Elementen ergänzt werden, wurden einst von den grossen Genies der Musikgeschichte komponiert. Sie sind perfekt, so wie sie sind. Warum muss man sie verwässern? Man kann sie geniessen wie sie sind: pur. Man muss dafür kein Liebhaber klassischer Musik sein.

  

Denkst du aber nicht, dass Crossover ein Brücke zur klassischen Musik sein kann, für Menschen, die sonst nie mit klassischer Musik in Berührung kommen würden?

 

Es ist eine Möglichkeit. Aber warum besuchst du nicht direkt ein klassisches Konzert und machst dir ein Bild davon? Die meisten kennen ja bereits viele Stücke, weil man sie als Klingeltöne herunterladen kann oder diese in Werbespots verwendet werden.

 

Das Problem ist nicht die Musik, sondern wie du eine Verbindung zu ihr findest. Wie willst du auf die Idee kommen ein Klassik-Konzert zu besuchen, wenn du nicht mit dieser Art von Musik aufwächst? Wie kannst du etwas geniessen, dass du nicht kennst?

 

Ich würden den Menschen, die noch nie an einem solchen Konzert waren, raten hinzugehen und versuchen die Musik zu verstehen. Mir ist bewusst, dass viele Menschen die Klassik nicht mögen. Lernt sie erst kennen, statt es von Grund auf abzulehnen, weil ihr die Klassik noch nicht kennt. Die meisten, die ich kennen, die sich ein Bild gemacht haben, waren am Ende davon angetan, egal welcher Herkunft und Bildungstandes.

  

Vielleicht sind es Vorurteile, die sie davon abhalten, überhaupt ein solches Konzert zu besuchen?

 

Vermutlich schon. Viele denken, es sei zu formell oder steif. Man darf aber eines nicht vergessen: Die heutige Musik hat ihren Ursprung in der Klassik, wie etwa der frühere Jazz. Was ich damit sagen möchte ist, dass man Musik gar nicht so auseinanderreissen kann, denn sie hat die gleiche Quelle. Sogar Frank Zappa, dessen Musik ich gerne höre, sagte immer, dass er alles von der Klassik gelernt hätte.

  

Hast du denn diese Veränderung in der Klassik-Szene in den letzten Jahren gemerkt?

 

Die kurze Antwort darauf wäre, dass es Leute gibt, die diese Musik sehr konservativ vermarkten und andere eher moderner und mit mehr Pepp.

  

Wer ist dein Publikum? 

Die Altersklassen sind verschieden. Sie sind schon eher 40-Plus, aber es kommen auch Familien mit Kindern. Es sind Musikliebhaber dabei, aber eben auch Menschen, die neugierig sind.

 

Gibt es einen Unterschied zwischen dem Publikum verschiedenen Ländern? Je südlicher desto lauter und je nördlicher desto zurückhaltender?

 

(lacht) Das könnte man in der Tat so sagen. Aber es heisst nicht, dass ein zurückhaltendes Publikum die Musik weniger geniesst als ein enthusiastisches. Das Schweizer Publikum ist wirklich etwas leiser und auch höflicher, das heisst aber nicht, dass es nicht gefesselt ist. Ein lautes Publikum kann sehr amüsant sein. Ich erinnere mich an ein Konzert in Rom, wo das Publikum schier durchgedreht ist. Sie sind nach jedem Stück aufgestanden und haben applaudiert. Südländer sind es mehr gewohnt, Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Sie sind leichter ums Herz.

  

Sind das meistens kleinere oder grössere Konzerte, die du gibst?

Bei Auftritte mit Orchestern ist das Publikum entsprechend grösser. Spiele ich alleine, ist es meistens kleiner und intimer. In Amerika habe ich ein paar grössere Konzerte gegeben, beispielsweise in Connecticut, Indianapolis oder Las Vegas.

  

Vegas und klassische Musik funktioniert das zusammen? 

(lacht) Man möchte meinen nein, aber es gibt dort ein Orchester, das ein paar Konzerte pro Jahr gibt. Ich habe mit ihnen zusammengespielt.

 

 

Du hast gesagt, dass du Zappa hörst. Was für Musik, ausser klassischer, hörst du sonst noch?

 

Ganz klar, alten Bigband-Jazz. Ich mag Oskar Petersen und nerve damit all meine Freunde, weil ich geradezu versessen auf ihn bin. Er war ein grosser Pianist seiner Zeit. Ich lasse mich auch mal zu Rock- und Popmusik hinreissen. Diese beiden sind aber eindeutig nicht meine Welt.

 

  

Du bist ein grosser Liszt-Kenner und hastin Budapest an der Liszt Akademie studiert. Hast du noch andere Vorbilder?

 

Liszt ist sehr wichtig für mich, aber auch Beethoven. Die erste Autobiografie, die gelesen habe, war von Swjatoslaw Teofilowitsch Richter. Er hat mich schon immer inspiriert. Ich war fasziniert von seiner Art Klavier zu spielen. Ich habe zu jedem meiner Mentoren oder zu den grossen Pianisten vor mir hoch geschaut, aber ich bin weise genug, um zu wissen, dass es nicht gut ist, jemanden so stark nachzueifern.

  

Warum bist du dieser Meinung?

Weil du deinen eigenen Weg finden musst als Künstler. Wenn du jemanden nacheiferst, stehst du dir als Musiker selbst im Weg.

 

Hat dich nur das Studium nach Europa gelockt? 

In Europa liegt schliesslich die Wiege der klassischen Musik. Als Musiker möchtest du immer zu den Wurzeln zurückkehren. Ich wollte zudem schon als Teenager Europa bereisen. Für uns Amerikaner ist Europa etwas sehr Exotisches.

  

Anscheinend bist du nicht nur auf Durchreise. 

Ich hatte das Glück, dass ich an sehr vielen Konzerten und Festivals in ganze Europa teilnehmen konnte, auch schon bevor ich definitiv nach Europa ausgewandert bin. Das schafft ein grosses Beziehungsnetz und eröffnet immer wieder neue Türen, wie etwa in der Schweiz.

  

Wie ist es dazu gekommen, dass du auch in der Schweiz Konzerte gibst? 

Die in Basel lebenden, ungarische Sopran-Sängerin Eva Csapo hat mich in Budapest spielen sehen und einer Freundin von mir erzählt. Diese hat gute Beziehungen zur Musikszene hier und machte mir daraufhin das Angebot, hier Konzerte zu geben.

  

Würdest du gern die Schweiz zu deinem festen Wohnsitz machen?  

Ich würde gerne in die Schweiz ziehen. Ich habe hier zusammen mit ein paar anderen Künstlern die Franz-Liszt-Gesellschaft gegründet und hoffe natürlich, dass das mir und anderen Musiker Türen öffnet.

  

Du hast einige Preise gewonnen. Unter anderem den Chopin-International-Piano-Wettbewerb in Hartford und einigen internationalen Klavierfestivals in Portugal, Spanien und Deutschland. Nicht zu vergessen auch der dritten Platz am International-Liszt-Wettbewerb in Kalifornien. Ich nehme an diese sind extrem karrierefördernd?

 

Solche Wettbewerbe und Preise pushen dich und sind schön und recht, aber ich bin ohne jetzt elitär klingen zu wollen, immer noch der Meinung, dass es bei Musik um die Kunst und nicht um den Wettbewerb gehen sollte.

  

Aber warum machst du trotzdem mit? 

Es fördert deine Karriere und macht dich bekannter. Und jeder Musiker träumt davon, von der Musik zu leben. Deshalb werde ich mich 2018 auch wieder bei Wettbewerben anmelden.

 

Gab es diese Art von Wettbewerb denn nicht schon immer? 

Nein, das ist erst seit zirka 40 - 50 Jahren vermehrt der Fall. Es gibt unzählige Klavier-Wettbewerbe in fast jedem Land – zu viele, meiner Meinung nach.

 

Sie sind bestimmt sehr nervenzerrend für einen Musiker. 

Die, an denen ich teilgenommen habe, habe mich nervlich ziemlich gefordert und zum Teil auch an meine Grenzen gebracht. Die liefen dann nicht ganz so wie erhofft und ich konnte nicht mein volles Potenzial ausschöpfen. Doch bei anderen war ich ziemlich gut, wie etwa beim Chopin International Piano Wettbewerb in Hartford.

  

An was liegt es, dass du bei einem brillierst und beim anderen nicht? 

An mir selbst. Ich war nicht ganz so gut vorbereitet und beim Spielen nicht konzentriert. Das ist dann wie beim Eiskunstlaufen: Setzt du den Fuss einmal falsch ab und rutscht aus, ist dein ganzer Auftritt hin und du verlierst wertvolle Punkte.

  

Wie viele Stunden musst du täglich üben, um auf solche einem hohen Niveau zu sein, dass dir keine Fehler unterlaufen?

 

Ich habe keine festen Abläufe oder Stundenansätze, die ich täglich durchgehe. Ich wünschte, ich wäre so diszipliniert und würde mich täglich mehrere Stunden konzentrieren können. An manchen Tagen sitze ich den ganzen Tag am Klavier, an anderen berühre ich keine Taste. Bereite ich Konzerte vor oder möchte ich ein neues Stück lernen, finde ich dann aber immer die Konzentration.

 

Momentan gibst du eher Konzerte im Raum Basel und auch am angrenzenden Ausland und nun bald auch mit dem Neuen Orchester Basel. Was wird man in Zukunft von dir hören?

 

Ich werde mit dem Neuen Orchester Basel «Rhapsody in Blue» von meinem Landsmann und Komponist George Gershwin spielen. Es ist eine Mischung aus Jazz und Orchestermusik.

 

Stehen noch weitere Projekte an? Vielleicht ein CD

Das ist ein Projekt, das noch in Planung ist. Es war noch nicht der richtige Zeitpunkt da. Ich hoffe, dass ich in der Schweiz bleiben kann und weiterhin hier und in ganz Europa spielen darf. Das Wichtigste ist, dass ich von Musik leben kann.

 

  

 

 

Zur Person:

 

Corbin Beisner wurde 1988 in Las Vegas geboren und fand sehr früh seine Leidenschaft zur Musik, im speziellen für das Klavier und die Klassik. Sein Repertoire umfasst unter anderem Liszt, Schubert, Beethoven oder Haydn. Unter Musikkennern wird er hochgelebt und gilt trotz seines jungen Alters schon jetzt als ein Talent seiner Generation.

 

Er hat den Bachelor of Music mit Auszeichnung an der University of Hartford’s Hartt School bestanden und schloss später an der Liszt Ferenc Zeneművészeti Egyetem (Liszt Academy) in Budapest seinen Master ab. 

 

Am 13. und 14. Januar steht Corbin Beisner mit dem Neuen Orchester Basel auf der Bühne. Alle Informationen dazu gibt es unter http://www.neuesorchesterbasel.ch. Unter www.lisztgesellschaft.ch erhält man alle weiteren Informationen zu kommenden Konzerten. 

 

 

 

catarina martins / So, 07. Jan 2018