Musiker Dodo: «Ohne Musik würde ich vermutlich gar nicht mehr existieren»

Interview mit Dodo
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Pressefoto, ©Ella Mettler

Dodo ist seit Jahren ein fester Bestandteil der Schweizer Musikszene. Im Gespräch mit Bäckstage beim Atelier du Futur, einem Sommercamp für Jugendliche, taucht der Musiker tief in die Erinnerungen seiner eigenen Jugend ein. Während er als Workshopleiter den jungen Teilnehmenden seine Leidenschaft für Musik näherbringt, reflektiert er über seine ersten musikalischen Schritte und die Träume, die ihn einst begleiteten.

 

Dodo, wie war dein Jahr 2024 bisher?

Das Jahr 2024 war bisher ein riesiges Abenteuer. Ich habe zahlreiche Shows gespielt und durfte die Sendung «Sing meinen Song» moderieren. Ich durfte Sachen machen, die mir Angst gemacht haben, aber ich habe sie trotzdem gemacht und bin mit Freude belohnt worden. Daher kann ich sagen, dass 2024 eines meiner besten Jahre ist.

 

Ein Dodo ist ja ein flugunfähiger Vogel. Trifft das auf dich zu oder wie bist du auf deinen Künstlernamen gekommen?

 

Das trifft absolut nicht auf mich zu – ich fühle mich eher wie der flugfähigste Vogel, den es gibt. Die Geschichte hinter dem Namen stammt aus Afrika: Als ich von der Elfenbeinküste nach Wallisellen zog, nahm ich am ersten Tag eine Steinschleuder mit in den Kindergarten. In der Pause versuchte ich, Vögel auf dem Schulhof zu treffen, was mir jedoch nicht gelang. Die Kinder fingen an, mich «Dodo» zu nennen, als Anspielung auf die ausgestorbenen Vögel, auch wenn ich die Vögel gar nicht getroffen habe. Seitdem ist der Name geblieben, obwohl ich heute nichts mehr mit Steinschleudern oder dem Jagen von Vögeln zu tun habe – ich bin inzwischen Vegetarier und würde keinem Tier etwas zu Leide tun.

 

Deine erste EP erschien 1998 – Wie sehr hat sich dein Sound seither verändert?

 

Mein Sound hat sich seitdem enorm weiterentwickelt. Damals stand ich noch am Anfang und war längst nicht so gut wie heute. Als ich mit Rap angefangen habe, wusste ich oft nicht genau, wie viele Silben in eine Zeile passen oder wo die Einsätze kommen. Es brauchte viel Übung, und diese Entwicklung kann man in meiner Musik hören. Aber was man auch deutlich spürt, ist die Frische und Leidenschaft – dieser unbedingte Wille, etwas zu schaffen. Auch wenn die Musik damals noch nicht perfekt war, spürt man das Feuer, das mich angetrieben hat.

 

Du scheinst die Nähe zu deinen Fans zu schätzen, da du nach deinen Shows oft rauskommst zu den Leuten. Wie würdest du die Leute beschreiben, die deine Musik hören?

 

Die sind mega weltoffen und denken gerne übers Leben nach. Ich glaube es sind sehr reflektierte Fans, die ich habe. Viele haben schwierige Zeiten erlebt, tragische Erlebnisse oder eine Kindheit im Heim. Gleichzeitig höre ich oft von Sportler:innen, die meine Musik mögen. Sie finden darin ein Lächeln, Motivation und Hoffnung – und eben nicht nur Hoffnung, sondern auch den Glauben, dass sie es schaffen können.

 

 

Das Jahr 2024 war bisher ein riesiges Abenteuer.

 

 

Wie alt wärst du, wenn du nicht wüsstest, wie alt du wärst?

Ich glaube, ich wäre 37.

 

Warum?

Es ist mehr ein Gefühl, das ich habe. 37 fühlt sich für mich nach einer Art Mitte an: Du bist noch mit den 27-Jährigen verbunden, aber auch mit den 47-Jährigen. Manchmal fühle ich mich aber auch wie ein Jugendlicher, vor allem, was mein Temperament und die Freude am Leben angeht. Jugendliche haben vielleicht nicht immer Spass im Leben, aber sie können sich unglaublich für etwas begeistern und sich darin verlieren. Wenn sie etwas wirklich wollen, dann machen sie es einfach. Genauso fühle ich mich, wenn ich Musik mache. Vielleicht bin ich auch noch ein bisschen jugendlich geblieben.

 

Wie hast du deine Jugend verbracht?

Meine Jugend war geprägt von zwei grossen Leidenschaften: Eishockey und Musik. Ich wollte eigentlich Eishockeyprofi werden und trainierte fünfmal pro Woche. Gleichzeitig verbrachte ich viel Zeit damit, Musik zu machen, Texte zu schreiben und Konzerte zu besuchen. Mein Leben spielte sich entweder auf dem Eisfeld ab oder zuhause mit Stift und Papier.

 

Du bist durch Umwege zum Musik machen gekommen, was würdest du Jugendlichen auf den Weg mitgeben, was die Berufswahl anbelangt?

Ich würde ihnen mitgeben, dass alles möglich ist. Träume gross, egal, was andere sagen und behalte deinen grossen Traum immer im Auge. Der grosse Traum muss nicht sofort Realität werden; manchmal ist man als Jugendlicher ungeduldig und will alles sofort erreichen. Das ist zwar gut, weil es dir Feuer und Motivation gibt, aber denk daran, dass es Zeit braucht, bis sich Dinge manifestieren. Überlege dir, was du tun würdest, wenn du morgen gehen müsstest. Niemand weiss, wie lange wir noch haben und wir sind alle gleich nah am Tod dran. Daher ist es wichtig, dein Leben so zu gestalten, dass du Dinge tust, die dir Freude bereiten. Du musst nicht unbedingt etwas machen, womit du viel Geld verdienst. Wenn du gerne skateboardest, dann gehe jeden Tag skaten und daneben suchst du dir einen Job, der es dir ermöglicht, das zu tun, was du liebst. Mach einfach das, was dir Freude bringt! Finde heraus, was dich wirklich begeistert!

 

 

Vielleicht bin ich auch noch ein bisschen jugendlich geblieben.

 

 

Wie siehst du die heutige Jugend in Bezug auf ihren Zugang zur Musik im Vergleich zu deiner eigenen Jugendzeit?

 

Heute ist es viel einfacher und es gibt viel mehr Möglichkeiten. Früher haben wir CDs gekauft und gehört, oder wir haben Platten bestellt. Musik anzumachen war nicht einfach ein Klick entfernt. Heute hast du die gesamte Musikbibliothek zu Hause – du kannst auf YouTube, Spotify, Apple Music und anderen Streaming-Plattformen endlos Musik entdecken. Das ist unglaublich, dass das möglich ist. Man hat Zugang zu einem riesigen Universum an Musik. Aber das Konsumverhalten hat sich verändert. Weil es so viel gibt, kann man nicht alles hören, und man hört oft nur kurz rein. Man hört 30 Sekunden und swipet dann weiter zum nächsten Song. Jede Zeit hat aber etwas Besonderes, und ich finde es spannend, wie sich das entwickelt hat. Es ist cool, dass es so vielfältig geworden ist.

 

Was ist deine Botschaft an die Jugend?

Glauben ist ein Gedanke, den du immer denkst. Darum kannst du denken, was du willst, und du wirst, was du denkst.

 

Wenn die Musik nicht wäre, wo wärst du jetzt?

Ohne Musik würde ich vermutlich gar nicht mehr existieren. Ich wäre eingegangen wie ein Würmchen und hätte gar nicht wachsen können.

 

Was ist für dich das Schönste an deinem Beruf?

Das Allerschönste ist, dass ich das machen kann, was ich liebe und dass ich den Mut hatte, diesen Traum auszuleben. Auch wenn am Anfang noch kein Geld hereinkam, bin ich drangeblieben.  Das Zweitschönste ist, dass ich durch die Musik so vielen Menschen begegne. Dank der Musik habe ich bereits die ganze Schweiz gesehen, bin nach Deutschland gereist und sogar nach Afrika gekommen. Die Musik hat mir geholfen, aus schwierigen Situationen herauszukommen. Sie hat mich geheilt, mir Trost gespendet und mir ermöglicht, anderen Menschen Freude zu bereiten. Musik kann wirklich alles.

 

Dodo - «Himmel»

 

 

Was möchtest du mit deiner Musik erreichen?

Ich will den Leuten Kraft geben, dass sie an sich selbst glauben und dass sie den Mut haben, das machen, was sie lieben.

 

Du hast bereits zahlreiche Hits geschrieben und produziert. Was macht für dich einen guten Song aus?

 

Eine eingängige Melodie, eine packende Geschichte und etwas, das dich überrascht – so sehr, dass du den Song nochmal von vorne hören möchtest.

 

Was ist das Beste an der Schweizer Musikszene?

Das Beste ist, dass man die Texte versteht und dass es Kultur ist. Wenn man Schweizer Musik zuhört, versteht jeder, was gemeint ist, denn die Leute singen in unserer Sprache und erzählen von unserer Kultur. Indirekt. Also sie erzählen Geschichten, und das verbindet uns. Das ist etwas, das die Politik nicht versteht; es ist so wichtig, dass das passiert. Wir erzählen Geschichten untereinander und diese Geschichten werden weitergetragen, sie sind in unserer DNA. Jeder kennt «Bälpmoos», jeder kennt «079». Das sind unsere Geschichten, die wir erzählen, und das macht uns stolz und hält uns zusammen.

 

Wo entdeckst du neue Musik von anderen?

Ich entdecke viel durch den Algorithmus von Spotify oder Instagram. Ausserdem gehe ich oft zu Konzerten, und wenn mir ein Lied dort gefällt, singe ich gerne mit, auch wenn ich den Text nicht kenne. Eigentlich höre ich überall hin, wo Musik läuft und ich nutze oft Shazam, um Songs zu identifizieren.

 

 

Ich erzähle gerne Geschichten und verpacke dabei eine positive Message, selbst wenn die Geschichte traurig ist.

 

 

Hast du gerade Newcomer Empfehlungen aus der Schweizer Musikszene?

 

Ich würde Nicky B Fly empfehlen, sie macht tolle Afro Beats und ich finde es super, wie sie es macht. Es gibt einige coole Frauen in der Szene wie z.B. To Athena und Nola Kin. Bei den Jungs finde ich Opération Zéro besonders spannend, die momentan am Durchstarten sind.

 

Du besingst in deiner Musik oft Erfahrungen, die du selbst erlebt hast. Inwiefern hilft dir die Musik, mit solchen Erfahrungen umzugehen?

 

Ich erzähle gerne Geschichten und verpacke dabei eine positive Message, selbst wenn die Geschichte traurig ist. Musik hilft mir enorm, weil wenn du schreibst, kannst du deine Gedanken ordnen. Und wenn du das dann noch singst, sind es wie Affirmationen. Deshalb mache ich positive Lieder, weil ich mir sehr bewusst bin, dass das, was ich singe, auch einen Einfluss auf mich hat. Wenn ich den ganzen Tag nur negative Sachen singen würde, wäre ich sicher nicht so entspannt drauf, wie ich es jetzt bin.

 

Würdest du sagen, du bist das gleiche lyrische Du, wenn du auf Schweizerdeutsch beziehungsweise auf Englisch schreibt?

 

Nein, ich bin ein anderes lyrisches Ich. In jeder Sprache gibt es so viele Nuancen, Wortwitze und Redewendungen, die einzigartig sind. Zum Beispiel ein «Himmugüegeli» – das kannst du nicht anders sagen, das gibt es nur auf Berndeutsch. Im Dialekt kannst du Dinge ausdrücken, die nur Schweizer:innen wirklich verstehen. Auf Englisch habe ich diesen Kontext nicht, weil ich die Kultur nicht lebe. Deshalb ist mein lyrisches Ich auf Schweizerdeutsch viel ausgefeilter und detaillierter.

 

Du bist in Westafrika geboren – Wofür steht deine Heimat für dich und welchen Einfluss hat sie auf deine Musik?

 

Ich bin an der Elfenbeinküste aufgewachsen, und von dort habe ich meine Liebe zur Black Music mitgebracht. Meine Eltern hörten viel Reggae, insbesondere Alpha Blondy, der als Superstar aus der Elfenbeinküste gilt. Es gab Bob Marley und danach kam Alpha Blondy, der Reggae aus Afrika heraus gross gemacht hat. Ausserdem habe ich von meiner Heimat das familiäre, weltoffene und temperamentvolle Miteinander übernommen. Diese Eigenschaften sind tief in meiner DNA verankert. Ich bin viel gereist, auch als Kind. Das hat mich gelehrt, Menschen offen zu begegnen und die Vielfalt der Ansichten und Kulturen zu schätzen. Es ist mir wichtig zu verstehen, dass es verschiedene Wege gibt, Dinge zu tun. In Kenia macht man gewisse Sachen anders als in der Schweiz und sogar im Wallis macht man es anders als in Zürich. Aber das heisst nicht, dass die anderen «richtiger» sind als ich oder umgekehrt.

 

Du bist mit deinem Studiocontainer nach Yopougon gereist, back to the roots. Was hast du von dieser Reise mitgenommen, was du hier weiterträgst?

 

Ich habe viel Musik mitgebracht und auch ein Lied geschrieben, das «Yopougon» heisst. Die Reise hat mir auch geholfen, einen Teil meiner Geschichte aufzuarbeiten. Zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder habe ich den Ort gesucht, an dem wir aufgewachsen sind. Es war sehr schön, diese Erinnerungen als Familie wieder aufleben zu lassen, auch wenn der Ort ziemlich heruntergekommen aussah. Es war eine schöne Erfahrung, trotz der traurigen Umstände, die uns damals dazu gebracht hatten, zurückzukehren, weil mein Vater im Sterben lag. Es war eine Mischung aus Schmerz und Schönheit, aber die Erinnerungen und das, was wir dort erlebt haben, waren total schön. Es war wie eine Zeit, die vergangen ist, und dann kam eine neue Zeit. In allem gibt es etwas Schönes und es ist wichtig, das auch zu sehen.

 

 

Ich möchte weiter Stadien füllen, Fernsehsendungen machen, Alben rausbringen und meine Weisheiten verbreiten.

 

 

Was ist dein Lebensmotto?

Hör nicht auf, zu machen, was du liebst.

 

Welchen Song von dir würdest du den Leuten zeigen, die deine Musik noch nicht kennen?

 

Ich glaube, das wäre «Hippiebus».

 

Wie möchtest du, dass deine Zukunft aussieht?

Ich möchte konstant mein Glück manifestieren und maximieren, dass ich noch krasser mir Sachen realisieren kann. Ich glaube jeder Mensch hat die Begabung, seine Träume zu verwirklichen. Es braucht ein bisschen Übung. Für das Glück musst du etwas machen. Du musst am Morgen aufstehen und dich fürs Glück entscheiden. Es ist wie beim Training: Du kannst dich entscheiden, schlecht gelaunt zu sein, was oft einfach ist, oder du kannst das Gegenteil tun, indem du die guten Dinge im Leben siehst und sie verstärkst. Deshalb sieht meine Zukunft sehr gut aus und ich freue mich darauf. Ich möchte weiter Stadien füllen, Fernsehsendungen machen, Alben rausbringen und meine Weisheiten verbreiten.

 

Was soll später mal über dich gesagt werden?

Er war der Minister von den guten Vibes.

 

Was sind deine Pläne für den restlichen Sommer?

Ich spiele an die 30 Shows diesen Sommer, das sind meine Pläne. Neben den Openair-Auftritten werde ich im Herbst auf grosse Tour gehen.

 

* Alle Infos, Tourdaten gibt es auf dodomusic.ch

 

Celia Kruse / Di, 27. Aug 2024