Madrugada: «Wir wollten uns Axe nennen»

Interview mit Madrugada
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Pressebild / ©Knut Aserud

Anfang dieses Jahres hat die norwegische Band Madrugada ihr neues Album «Chimes at Midnight» herausgebracht. Vor dem Konzert, dass sie im März im Zürcher Komplex 457 in Altstetten gegeben haben, traffen wir Leadsänger Sivert Hoyem, Bassist Frode Jacobsen und Schlagzeuger Jon Lauvland Pettersen gut gelaunt zum Interview. Im Gespräch schauen die drei Gründungsmitglieder auf fast 20 Jahre Bandgeschichte zurück, mit all ihren Hoch und Tiefs.

 

Es gibt viele Theorien, weshalb ihr euch Madrugada nennt. Was ist eure Begründung, für was steht Madrugada?

 

Frode: Es sind die paar Stunden vor Sonnenaufgang auf Spanisch/Portugiesisch. Ein norwegischer Poet, der in derselben Bar wie wir herumhing, hat uns den Namen vorgeschlagen. Er dachte es würde gut zur Stimmung unserer Musik passen.

 

Jon: Der Vorschlag hat uns sehr gefallen und harmonierte gut mit unserem Song «Strange Color Blue». Unser erster Name war aber «Axe». (Lacht und macht eine Geste, als würde er sich den Kopf abhacken).

 

Und weshalb seid ihr nicht bei «Axe» geblieben?

 

Frode: Wir haben uns musikalisch weiterentwickelt. (lacht)

 

Jon: Wir hatten uns als Symbolbild für unsere Band zwei übereinanderliegende Äxte vorgestellt, aber irgendwie hat es unsere Musik nicht gut repräsentiert. (lacht)

 

 

Jon: Wir sind in Oslo zusammengezogen, wollten wirklich vom Musikmachen leben und arbeiteten viel. Wir suchten nach unserer musikalischen Stimme, einer eigenen Stilrichtung.

 

 

Als Band gibt es euch nun fast 20 Jahre. Dazwischen gab es aber eine Trennung, bevor ihr wieder vor ein paar Jahren zusammengekommen seid. Was hat sich verändert, was ist gleichgeblieben?

 

Jon: Das erste Mal habe ich mit der Band in einem Kühlerraum gespielt. Die Location hat sich also stark verändert seit unserem Beginn damals. (lacht) Ich weiss noch wie wir an einem Musiktreffen waren und dort habe ich Sivert gesehen. Er spielte damals noch für eine andere Band, war aber unglaublich und wir wollten ihn. Und ihm gefiel zum Glück auch unsere Musikrichtung.

 

Sivert: Ich sah sie und kannte den ehemaligen Gitarristen (nicht Robert S. Buras, Anm. d. R.) von politischen Treffen. Ein enthusiastischer Kerl, wir kamen ins Gespräch und 1 bis 2 Jahre später stiess Robert dazu. Da waren wir fünf Kerle und hatten zwei Gitarristen.

 

Jon: Wir sind in Oslo zusammengezogen, wollten wirklich vom Musikmachen leben und arbeiteten viel. Wir suchten nach unserer musikalischen Stimme, einer eigenen Stilrichtung. Etwa vier Jahre haben wir gesucht, aber es war damals nicht einfach Auftritte zu erhalten. So entstand der Song «Salt». Dann kam das Plattenlabel Virgin und hat uns super Konditionen gegeben, damit wir die beste Platte fertigstellen konnten, die wir in uns trugen. Es wurde «Industrial Silence». Ein Jahr konnten wir daran arbeiten. Das waren noch gute, alte Zeiten, als die Labels noch viele Ressourcen hatten.

 

Frode: Wir wollten einen neuen Sound schaffen, unseren Sound. Also hatten wir Riffs, die sich immer und immer wiederholten. Wir wollten die Strukturen quasi neu erfinden.

 

Madrugada - «Call My Name»

 

 

Welche musikalischen Einflüsse waren für euch prägend? Inwiefern habt ihr euch mit anderen norwegischen Bands wie Gluecifer oder Motorpsycho identifiziert?

 

Frode: Unsere Einflüsse waren weniger norwegische Bands. Wir mögen die Ramones, wenn sie langsam spielten. The Sisters of Mercy sind ebenfalls nach unserem Geschmack. So was in der Richtung. Wir wollten raus aus der norwegischen Musiklandschaft, weil wir uns nicht allzu sehr damit identifizieren konnten. Wir fühlten uns wie musikalische Einzelgänger, aufgrund unseres speziellen Stils.

 

Jon: Wir sangen auf Englisch und wollten ausserhalb Norwegen Verbindungen knüpfen, ein Publikum ausserhalb Norwegen erreichen. Wir waren nie Teil der norwegischen Musikszene, jedenfalls empfanden wir es so.

 

Frode: Uns waren immer die Stimmungen in unseren Liedern wichtig. Wie haben unsere Lieder immer um Stimmungen herum erarbeiten.

 

Sivert, hat dir schon mal jemand gesagt, dass deine Stimme sehr derjenigen von Eddie Vedder, dem Leadsänger von Pearl Jam, ähnlich ist?

 

Sivert: Ja, das höre ich noch oft. Eddie war eine grosse Inspiration für mich als ich ein Teenager war und gerade mit dem Singen anfing.

 

Frode: Das erste Mal als ich Sivert singen hörte, sang er einen Song von Pearl Jam.

 

Sivert: Ja, Eddie hatte einen riesen Einfluss auf viele Sänger als ich mit dem Singen anfing. Er war unser Vorbild und Inspirationsquelle.

 

 

Frode: Ich mag persönliche Songs sehr, sie schweissen einen zusammen. Es ist so wie bei «Exit» von U2. Du musst eine Band sein, keine Einzelspieler, um so einen Song zu machen.

 

 

Wie schreibt ihr heute Songs, was ist anders geworden?

 

Frode: Wir holen uns Unterstützung und Inspiration von ausserhalb der Band, so wie bei «Ecstasy, Call My Name».

 

Sivert: Robert Duncan Mcvey, ein britischer Gitarrist, mit dem ich früher in einer anderen Band spielte, hat mitgeholfen die Songs zu entwickeln.

 

Frode: Die Songs sind noch persönlicher geworden, falls dies überhaupt möglich ist. «Nobody loves you like I do» ist so ein Beispiel. Ich mag persönliche Songs sehr, sie schweissen einen zusammen. Es ist so wie bei «Exit» von U2. Du musst eine Band sein, keine Einzelspieler, um so einen Song zu machen. Du musst zusammenkommen und ein wenig jammen. Nur so funktioniert es.

 

Ihr habt wohlverdient das Image, eine der besten Live-Bands zu sein. Woher kommt das, was denkt ihr?

 

Sivert: Das war nicht immer so, das hat sich über die Jahre entwickelt. Wir waren zu Beginn keine perfekte Live-Band. Aber wir lernten sehr viel bei unserer ersten «Industrial Silence»-Tour. Wir waren sehr fokussiert, aber auch da gab es gute und schlechte Abende. Und jetzt sind wir viel stabiler.

 

Jon: Wir haben uns vorgenommen, wirklich, wirklich gut zu sein und uns keine Patzer zu erlauben, als wir auf die «Industrial Silence»-Tour gingen.

 

Frode: Wir haben etwa ein Jahr in die Vorbereitung der Tour gesteckt und 80 Auftritte auf der Tour gehabt. Wie bei dieser Tour jetzt auch. Wir üben viel und versuchen herauszufinden, wie ein Song am besten live gespielt wird.

 

Sivert: Wir wollen auf der Bühne nicht einfach die Aufnahme aus dem Studio reproduzieren oder wiederholen, wollen nicht an Details hängen, sondern versuchen, die Dinge zu vereinfachen. Wir haben heute ein neues Selbstvertrauen als Band. Das geniessen wir sehr.

 

Frode: Wir stellen uns vor, wir spielen vor einem Publikum. Der grosse Traum ist es immer vor einer grossen Menge zu spielen. Dieses Album ist live aufgenommen. Dann wissen wir recht schnell, ob der Song live auch funktioniert. Wenn du Songs im Studio schmiedest, mit all den Tools, die dir zur Verfügung stehen, hört es sich live nie wirklich gut an. Dies haben wir gelernt.

 

Viele Fans begleiten euch schon fast 20 Jahre lang. Gibt es da spezielle Erinnerungen?

 

Jon: Wir haben einen Fan, der nun seine Tochter mit an Konzert nimmt. Ihr Name ist Louise, sie waren gestern im Fri-Son in Fribourg dabei. Das war sehr schön und bedeutet uns viel. Ihr Vater schrieb mir, dass sie auch heute vorbeikommen.

 

Sivert: Viele der Fans, sind inzwischen Eltern geworden und ziehen ihre Kids mit unserer Musik auf. Das ist gut, unsere Fans werden nachgezüchtet. (lacht) Plötzlich haben wir wieder viele neue, junge Fans. Das ist schön.

 

 

 

Tanja Lipak / Mo, 23. Mai 2022