Julia Alexa: «Ich war zwei Monate in L.A. und habe meinen Traum gelebt»
Die Songwriterin Julia Alexa lebt in Zürich und erobert von hier aus mit ihrer Musik die Welt. Im Gespräch erzählt sie davon, was im letzten Jahr passiert ist, was sie an Konzerten liebt und wie sie sich Musikwissen angeeignet hat.
Du hast vor rund einem Jahr auf dem Gurten dein erstes Konzert gespielt. Wie hast du dich auf den Gig vorbereitet? Was hast du im Vorfeld gedacht?
Ich habe mein Leben lang nie damit gerechnet, irgendwann live zu spielen. Auch das Booking für das Gurtenfestival ist sehr spontan entstanden. Am Anfang war ich mega nervös und hatte keine Ahnung wie das Setup funktioniert und wie ich alles organisieren muss. Also habe ich mich intensiv bei Youtube und Google informiert und mir das Wissen selbst zusammengestellt. Am Ende hat das alles sehr viel Spass gemacht. Seither liebe ich es, live zu spielen.
Wie waren die Reaktionen der Leute auf dem Gurten?
Das Konzert war auf der Campfire Stage (Bühne im Campingbereich, Anmerkung der Redaktion) und das Publikum eher klein. Direkt an der Bühne sassen aber einige Leute, die meine Songs schon kannten, das war mega «härzig». Dadurch herrschte eine entspannte und sehr persönliche Atmosphäre. Aber die Bühne war schon ziemlich klein.
Später hast du das Debütalbum «i want to live forever when i die» im Musikcafe im X-TRA in Zürich vorgestellt. Dort kam das Publikum gezielt für dich, anders als auf dem Gurten. Hast du Unterschiede bei der Stimmung und vielleicht auch bei dir selbst bemerkt?
Es war ein riesiger Unterschied. Ich war fast noch nervöser, weil ich wusste, dass die Leute wirklich für mich gekommen sind, meine Musik bereits kennen und ich sie nicht enttäuschen kann und will. Am Ende waren es ungefähr hundert Menschen. Viele kannten bereits meine Lyrics und haben mitgesungen. Es war richtig berührend und das erste Mal in meinem Leben, dass Leute zu meiner Musik mitgesungen haben. Dass die Songs so gut beim Publikum angekommen sind, hat sich richtig schön angefühlt.
Jetzt stehst du vor der zweiten Festivalsaison. Bereitest du dich nach den Erfahrungen des letzten Jahres anders auf Konzerte vor?
Ich spiele vom Setup her sehr ähnlich, nur einige neue Songs sind dazugekommen. So viele Festival spiele ich aber gar nicht. Am Openair St. Gallen und noch eine Show in Österreich. Ich spüre schon, dass ich viel weniger aufgeregt bin. Im letzten Jahr war ich schon einen Monat vorher richtig nervös. Jetzt nehme ich es entspannt, weil ich weiss, wie der Ablauf aussieht, dass mein Setup funktioniert und mit wem ich auf der Bühne stehe. So kann ich mich noch mehr auf die Konzerte freuen.
In diesem Jahr habe ich zwei Monate in Los Angeles verbracht und meinen Traum gelebt. Jeden Tag habe ich ein, zwei Sessions gespielt, von morgens bis abends Musik gemacht und dabei viele interessante Leute getroffen.
Im letzten Jahr ist viel passiert, der erste Live-Auftritt oder das erste Album. Was war für dich das Schönste im vergangenen Jahr?
Schon das Reisen. Ich war im letzten Jahr für zwei Monate in Berlin, habe dort Musik gemacht und coole Leute kennengelernt. In diesem Jahr habe ich zwei Monate in Los Angeles verbracht und meinen Traum gelebt. Jeden Tag habe ich ein, zwei Sessions gespielt, von morgens bis abends Musik gemacht und dabei viele interessante Leute getroffen. So sind unterschiedliche Kollaborationen mit anderen Künstlern und Produzenten entstanden. Dadurch habe ich viele Input und neue kreative Ansätze bekommen. Das waren mega schöne Erfahrungen.
Haben sich diese Kontakte über die Songs ergeben, die du veröffentlicht hast oder bist du auch aktiv auf Produzenten zugegangen?
Es war sehr unterschiedlich. Wenn ich coole Leute entdecke, von den ich denke, dass sie gut zum Style meiner Musik passen könnten, gehe ich schon aktiv auf sie zu. Aber es kommt auch vor, dass andere Künstler oder Produzenten mich finden, auf Insta anschreiben und so ein Gespräch entsteht. Das ist etwas von der Situation abhängig.
Gerade Los Angeles taucht immer wieder in deinen Social Media-Kanälen auf. Das scheint für dich schon wichtig zu sein.
Das stimmt. Im September reise ich erneut nach Los Angeles und bleibe bis im April, um von dort aus meine Masterarbeit im Bereich pharmaceutical sciences, Cancer Immunology Research bei UCLA zu schreiben.
Julia Alexa - «all i do is think about u»
Das passt, denn deine Musik erinnert mich an manche Songwriterinnen aus den USA. Du nennst selbst Gracie Abrams oder Billie Eilish, ich würde noch Phoebe Bridgers nennen. Wie wichtig sind solche Einflüsse für dich?
Am Anfang war mein Haupteinfluss schon Billie Eilish. Ich habe sie entdeckt, als sie noch ganz am Anfang stand, mit siebzehn Jahren oder so. Ich habe sie in der Halle 622 gesehen, als sie erstmals in der Schweiz spielte, ab da war für mich klar: das will ich auch mal machen. Also habe ich angefangen, eigene Songs zu schreiben und immer intensiver daran gearbeitet. Gracie Abrams ist für mich eher als Songwriterin eine Inspiration. Sie findet die richtigen Wörter, um Gefühle auszudrücken. Durch sie versuche ich zu lernen, wie ich Dinge in Worte fassen kann, damit die Leute verstehen, wie ich fühle und was ich sagen möchte.
Trotzdem hast du deine Stimme und oft denkt man von aussen, dass jemand sehr viel natürliches Talent hat. Wie viel Arbeit steckt tatsächlich in deiner Stimme?
Sehr viel Arbeit. Ich habe früher sehr lange Gesangsstunden genommen, aber eher im Bereich Klassik und Musical. Ich glaube aber, dass ich mich stark verbessert habe, als ich begonnen habe, eigene Songs zu machen. Ich habe sie zuhause aufgenommen und beim Anhören erkannt, was nicht gut ist. Mir der Zeit habe ich auf diese Art richtig viel gelernt. Aber auch beim Proben für Konzerte profitiere ich. Ich weiss zwar, wie das mit dem Aufnehmen mit Mikrofon funktioniert, aber live spielen ist nochmals etwas ganz Anderes. So bin ich dauernd am Proben und Singen und verbessere mich dadurch. Natürlich verändert sich so meine Stimme laufend. Vor drei Jahren klang meine Stimme völlig anders als jetzt und in drei Jahren klingt sie vermutlich nochmals anders.
Deine Texte klingen oft sehr persönlich, fast ein wenig wie eine Tagebuchseite, die vertont wird. Wie viel von dir lässt du in die Songs einfliessen? Und musst du dich auch mal bremsen, quasi als Selbstschutz?
Für mich ist das Songwriting eine Art Therapie. Darum gibt es eigentlich keine Grenze, an der ich sage: «Das ist jetzt zu viel». Ich möchte mich gerne über diese Grenze hinaus pushen, damit ich das Gefühl bekomme, alles auch ausdrücken zu können, was ich sagen will. Mir ist mega wichtig, die Texte so zu releasen, wie ich sie gefühlt habe und wie sie für mich ehrlich und persönlich sind. Es gibt da draussen sehr viele Leute, die genauso fühlen, aber vielleicht niemanden finden, um das zu teilen und dadurch denken, dass sie ganz alleine sind. Ich bekomme viele Nachrichten von Menschen, die mir schreiben, ich sei für sie ein comfort space. Es freut mich sehr, wenn manche Leute sich durch mich weniger alleine fühlen.
Auf Insta bekommst du Antworten aus der ganzen Welt. Wie wichtig ist es für dich, diesen direkten Draht zu den Menschen zu haben?
Das ist mir mega wichtig. Das Beste an diesem Job ist, Feedback zu bekommen und zu sehen, dass ich Einfluss auf Menschen habe und sie vielleicht sogar inspirieren kann. Ohne Social Media wäre das fast nicht möglich. Ausser natürlich bei Konzerten, wo es im echten Leben stattfindet. Aktuell kann ich nicht auf Tour gehen, aber über Social Media spüre ich trotzdem, was die Menschen durch meine Musik fühlen.
Die ersten Songs waren schon sehr schlecht. Aber ich habe alles alleine gemacht, vom Schreiben über das Aufnehmen bis zum Produzieren und eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie das funktioniert. Ich habe ausprobiert und dadurch laufend gelernt.
Wann warst du so weit, dass du dachtest, der Zeitpunkt ist da, um deine Songs zu veröffentlichen?
Schon ziemlich am Anfang. Ich hatte nie eine Phase, in der ich nichts releasen wollte. Die ersten Songs waren schon sehr schlecht. Aber ich habe alles alleine gemacht, vom Schreiben über das Aufnehmen bis zum Produzieren und eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie das funktioniert. Ich habe ausprobiert und dadurch laufend gelernt. Hemmungen hatte ich aber nie oder wollte Songs für mich behalten. Zurückblickend wäre das vielleicht eine gute Idee gewesen. (lacht) Aber damals dachte ich: «Mach etwas und teile es mit den Leuten.»
Im Juni hast du mit «Antidote» eine neue Single veröffentlicht. Ist das schon ein Vorbote auf ein neues Album oder ein Song aus der Arbeit am ersten Album?
Es sind vor allem neure Songs, die ich veröffentliche, aber teils auch ältere. Sie sind als Singles für die im Juli kommende neue EP gedacht und da gehört «Antidote» dazu.
Du wohnst und studierst heute in Zürich. Spielt die Stadt eine Rolle für dich als Musikerin?
Ich habe das Gefühl, Zürich ist voller kreativer Leute, auch wenn es meiner Meinung nach schwierig ist, diese Leute zu finden. Irgendwie habe ich nicht so viele Verbindungen in der Schweiz. Aber man findet schon immer mal wieder jemanden auf Insta oder so und sieht, dass er aus Zürich ist. So merkt man, dass die Stadt eine riesige Szene an kreativen Leuten hat. Viel mehr als in Zug, wo ich ursprünglich herkomme.
Was steht bei dir in diesem Jahr neben dem Openair St. Gallen noch an? Arbeitest du an neuen Songs?
Ich habe in Los Angeles viele neue Songs geschrieben. Aber sie sind vom Style her ziemlich anders als meine bisherigen Songs. Es geht mehr in Richtung Alternative, also Rockmusik, oder Dark Pop. Viel weniger diese Sad Girl-Sachen, die ich jetzt mache, oder der Billie Eilish-Stil. Ich habe das Gefühl, in den letzten paar Monaten viel mehr zu meinem eigenen Stil gefunden zu haben. Aber erstmal kommt die EP mit Songs aus dieser Zwischenphase und im August oder September erscheinen dann die neuen Sachen.
Mehr Infos zu Julia Alexa gibt es auf ihrem mx3-Profil.
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* Dieser Artikel ist Teil einer Textpartnerschaft mit den Lokalzeitungen von zuerch24.ch.