Eluveitie: «Ich spiele auch vor Eisbergen, wenn's sein muss»
Eluveitie gehören zweifellos zu den erfolgreichsten Metalbands der Schweiz. Nun melden sich die Folkmetaller nach einem grösseren Line-up-Wechsel mit einem neuen Album zurück. «Evocation II - Pantheon» ist eine Hommage an die keltische Mythologie; jeder Song ist einer keltischen Gottheit gewidmet und in einer altkeltischen Sprache gesungen. Ganz Eluveitie also, auch wenn die elektronischen Instrumente weggelassen wurden: «Evocation II» ist wie schon «Evocation I - The Arcane Dominion» ein Akustik-Album. Wir haben mit Sänger Chrigel und (der neuen) Sängerin Fabienne über das mysthische Werk gesprochen.
«Evocation I» kam bereits 2009. Ihr scheint gewusst zu haben, dass noch ein zweiter Teil folgen wird. Warum habt ihr acht Jahre lang damit gewartet?
Chrigel: Keine Ahnung (lacht). Wir haben uns nach dem ersten Album einfach gesagt, wir machen uns keinen Druck und nehmen’s wie es kommt. Warum «Evocation II» gerade jetzt kommt, dafür gibt es keinen Grund. Die Entscheidung ist schon länger gefallen, und das war jetzt einfach eine Bauchgefühl-Sache. Es hat sich richtig angefühlt.
Die Recherche hinter «Evocation II» scheint sehr aufwendig gewesen zu sein. Wie lange habt ihr an diesem Album gearbeitet?
Chrigel (schaut Fabienne fragend an): Wie lange hatten wir? Letzten Sommer irgendwann, oder? Wobei ich sagen muss, angesichts der Materie, die an sich schon sehr aufwendig ist, hat es sich für dieses Album im Rahmen gehalten, weil ich sehr stark von der Recherche zum letzten Album profitieren konnte, weil es thematisch zumindest teilweise in die selbe Richtung geht. Also alles in allem war es etwa ein Jahr.
Man liest, ihr wart bereits im Aufnahmeprozess, als es letzten Sommer zum Mitgliederwechsel kam …
Chrigel: Naja, was heisst Prozess … die Entscheidung, dass es «Evocation II» wird, ist bereits gefallen, als wir unser letztes Album «Origins» (2014) erarbeitet haben. Aber konkret mit dem Songwriting begonnen haben wir erst in der neuen Besetzung.
Ist das Album sehr anders geworden, als wenn es bei der alten Besetzung geblieben wäre?
Chrigel: Ich glaube Ja und Nein. Nein insofern, dass es stilistisch wohl nicht anders geworden wäre. Aber rein von der Umsetzung her glaube ich schon. Denn so wie wir uns jetzt als Band in neuer Besitzung entwickelt haben, ist es zumindest für mich extrem geil. Die Atmosphäre war extrem gut und familiär und wir haben sowohl als Menschen als auch als Musiker schnell zueinander gefunden. Gleichzeitig konnten wir sehr fokussiert arbeiten. Das hat sich im Studio auch bewährt. Es war fast immer die ganze Band dort, auch jene, die gerade nicht aufnehmen mussten. Einfach, um dabei zu sein, für die anderen zu kochen, über Details zu brüten oder zu jammen. Drei Tracks sind so auch komplett im Studio entstanden, einfach so spontan und mehr oder weniger ungeplant. Und das ist für uns schon ein Novum, und das hört man dem Album glaube ich auch an, dieser organische Wachstums- und Entstehungsprozess.
Wie war es für dich, Fabienne, mitten in eine bereits erfolgreiche Band zu gelangen, und auch gleich mit einem Album zu beginnen?
Fabienne: Das war schon ein heftiger Einstieg. Aber ich hatte etwas Vorbereitungszeit, in der ich mich auch auf das erste Konzert vorbereiten konnte, und ich wusste da auch schon, dass wir im Frühjahr ins Studio gehen werden. Aber der Schritt war schon nicht ganz einfach – so viele neue Leute, und alles gleich so gross. Ich hatte das so noch nie, hatte noch nie an so grossen Konzerten gesungen. Aber ich bin selbst erstaunt, wie wohl ich mich damit fühle (lacht).
Fabienne: Ein paar Kollegen, die wissen, wie ich sonst singe, sagen, ich klinge anders auf dem, was sie von «Evocation II» schon gehört haben.
Hattest du vorher eine andere Band?
Fabienne: Nein. Schulbands hatte ich, aber sonst war ich jeweils nur für mich am Klavier. One-Man-Band.
Chrigel: Wir hatten sogar mal am gleichen Ort gespielt. Das war so lustig. Wir spielten im Zelt, und da sehe ich plötzlich im Programm den Namen Fabienne Erni, da waren wir bereits in Kontakt.
Wie ist es eigentlich, in einer so fremden Sprache zu singen? Euer neues Album ist ausschliesslich in altkeltisch gehalten.
Fabienne: Ich finde es spannend. Ein paar Kollegen, die wissen, wie ich sonst singe, sagen, ich klinge anders auf dem, was sie von «Evocation II» schon gehört haben. Dann habe ich darüber nachgedacht, und rein vom Klang her ist es tatsächlich so, dass ich in dieser Sprache heller singe. Vielleicht, weil es mehr Vokale hat als sonst.
Chrigel: Ja stimmt, du hast recht. Habe ich mir gar noch nie überlegt, aber du hast recht.
Fabienne: Ich habe dann auch tatsächlich probiert, das dunkler zu singen, aber es geht nicht. Das wäre irgendwie komisch. Aber ich finde das cool. So habe ich eine neue Seite an mir entdeckt.
Das letzte Album «Origins» war ziemlich hart. Nun habt ihr die elektronischen Instrumente gleich ganz weggelassen. Habt ihr nichts vermisst beim Aufnehmen?
Chrigel: Ich nicht. Wir haben das Akustik-Album ja freiwillig gemacht. Klar freuen wir uns, auch wieder die lauten Sachen auszupacken. Aber es gehören halt auch beide Seiten zu uns, und wir haben uns sehr gefreut, «Evocation II» zu machen.
Wie wird «Evocation II» denn auf den Konzerten vertreten sein? Es ist akustisch bestimmt schwieriger, die selbe Stimmung zu erzeugen als mit metallastigen Songs …
Chrigel: Das ist verschieden, kommt ein bisschen darauf an wo wir sind. Morgen (9.8., Anm. d. Red.) zum Beispiel spielen wir in Basel auf dem Schiff mitten in der Stadt. Da werden wir ein paar ruhigere Sachen spielen. Wir werden auch eine rein akustische Release-Show machen. Aber auf der kommenden Europa-Tournee im Herbst wollen wir grundsätzlich ein Metalset spielen. Ich finde aber, gerade in härteren Metalsets kann man akustische Sachen extrem schön einbauen.
Ihr seid der Schweiz sehr treu (alleine bis Ende September sind 6 CH-Gigs geplant). Ist es als international erfolgreiche Band schwierig, das so zu halten?
Chrigel: Das ist tatsächlich so. Früher haben wir diesbezüglich viel Kritik gehört. Aber seit drei bis vier Jahren spielen wir wieder mehr in der Schweiz. In den letzten fünf Jahren ist aber die Nachfrage gewachsen. Das war früher auch anders.
Also war das eine Reaktion auf die Kritik, oder war es euer eigener Wunsch, wieder mehr in der Schweiz zu spielen?
Chrigel: Es ist natürlich auch schön für uns. Also ein bisschen von beidem.
Chrigel: Ich spiele persönlich lieber an Festivals. Die Bühnen sind in der Regel ziemlich gross, man hat Platz und muss sich keine Sorgen machen, dass auf der Bühne noch jemand über dich drüber fällt.
Gibt es einen Ort, an dem ihr noch nie gespielt habt, aber gerne würdet?
Chrigel (ohne zu zögern): Spitzbergen.
Fabienne (begeistert): Woah! Da wär ich voll dabei!
Chrigel: Ich würde so gerne mal in Spitzbergen spielen. Auch vor fucking Eisbergen, wenn’s sein muss.
Fabienne: Einfach so im Nichts draussen.
Chrigel: Oder in der Antarktis. Ich bin so neidisch auf Metallica. Das würde ich echt auch gerne mal machen.
Fabienne: Das wäre echt geil. Wollen wir das angehen?
Spielt ihr lieber an Festivals oder an Konzerten?
Fabienne: Ich habe jetzt noch nicht so viel Erfahrung, aber bis jetzt finde ich Festivals schon cool. Wenn wir etwas früher spielen, kann ich danach selbst noch ein bisschen schauen gehen, oder die Bands kennen lernen – das habe ich genossen.
Chrigel: Ich spiele persönlich lieber an Festivals. Die Bühnen sind in der Regel ziemlich gross, man hat Platz und muss sich keine Sorgen machen, dass auf der Bühne noch jemand über dich drüber fällt.
Habt ihr noch Zeit, privat mal ein Konzert zu besuchen?
Chrigel: Ich gehe eigentlich nie.
Fabienne: Ich war auch nie der Typ der immer an Konzerte geht und jedes Wochenende etwas live hören muss. Erst seit ein/zwei Jahren gehe ich ab und zu mal.
Was wollt ihr als Band noch erreichen? Kann man überhaupt noch mehr erreichen?
Chrigel: Ich möchte einfach weiterhin das machen, was wir bisher gemacht haben. Sprich Musik schreiben, mehr Alben machen, ganz viele Konzerte spielen, und das furchtbar fest geniessen.
Fabienne: Und ich will das jetzt alles noch erleben.
Ist es organisatorisch schwierig mit neun Leuten in der Band?
Chrigel: In den ersten paar Jahren war es schwierig. Wir hatten ja relativ viele Line-up-Wechsel, gerade so in den ersten vier Jahren. Und eigentlich immer war das der Grund. Das Ziel war von Anfang an, als Band vorwärts zu kommen, und dafür zu arbeiten. Und so sind wir auch gewachsen, und jedes Jahr wurde es mehr, und das hat auch dazu geführt, dass es halt mal jemandem zu viel wurde, der das nicht hauptberuflich machen möchte.
Fabienne, wie ist es für dich, plötzlich mit acht Leuten auf der Bühne zu stehen, wenn du vorher eher dein Solo-Ding hattest?
Fabienne: Das ist noch gut, da hat man nicht das Gefühl, man müsse alles selber machen (lacht). Man kann sich auch mal zurückziehen und weiss, es passiert trotzdem etwas. Ich finde das noch schön.
Seid ihr eigentlich alle eingefleischte Metalfans in der Band?
Chrigel: Ich glaube, es sind einfach alles Musiker. Jeder einzelne von uns hat ein sehr breites Spektrum. Die wenigstens sind Helene Fischer Fans, aber sonst ist es ziemlich offen.
Habt ihr ein besonderes Erlebnis, das ihr mit der Band hattet, und uns gerne erzählen wollt?
Chrigel: Für mich persönlich war es die Studio-Zeit mit der jetzigen Formation. Die war sehr schön und extrem intensiv. Wir hatten sehr viel Zeit, haben lange gearbeitet, aber es war wirklich eine extrem schöne Zeit.
Fabienne: Für mich ist immer noch alles aufregend. Die Wochenenden mit Eluveitie, die Konzerte … auch als wir das erste Mal geflogen sind, ich meine dass man irgendwo hinfliegt für eine Show … das ist alles ganz neu. Das ist cool.
Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt.
Eluveitie - «Lvgvs»
* Das neue Eluveitie Album «Evocation II - Pantheon» erscheint am 18. August 2017.
* Alle Infos zur Band und Konzerttermine gibt es auf der Eluveitie-Website.