Der «Diplomat» des Zermatt Unplugged

Interview mit Christoph Spicher
Christoph Spicher
Bildquelle: 
Facebook/Christoph Spicher

Christoph Spicher macht das Booking für die New Talent Stages am Zermatt Unplugged. 2009 schloss er sein Bachelorstudium der Internationalen Beziehungen ab und arbeitete danach während eines Jahres im diplomatischen Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). 

 

Wie bist du zu deiner Arbeit hier beim Zermatt Unplugged gekommen?

 

Ganz am Anfang wollte ich einfach irgendwie nach Zermatt. Da ich mir das nicht leisten konnte, beschloss ich, zwischen dem Gymnasiumabschluss und meinem Bachelorstudium der Internationalen Beziehungen hier Saisonarbeit zu machen. Nach dem Bachelor habe ich ein Jahr beim EDA gearbeitet.

 Klingt auch spannend.

Ja, aber dann habe ich ein Praktikum beim Zermatt Unplugged gemacht – eigentlich nur um die Zeit zwischen dem EDA und dem Beginn meines Masterstudiengangs in Kopenhagen zu überbrücken. Aber als mir die Tom Talent Holding eine 100 Prozentstelle angeboten hat, habe ich sofort zugesagt. Meinen Master kann ich ja später noch machen, aber diese Chance hier ist einmalig. Mir gefällt meine Arbeit bei Tom Talent und dem Zermatt Unplugged, weil ich dabei sofort sehe, was ich bewirke, zum Beispiel wenn ich in die strahlenden Gesichter der Bands und der Zuschauer blicke.

 

 

Du machst nun das Booking der New Talent Stages beim Zermatt Unplugged. Hattest du vorher nichts mit Musik zu tun?

 

Nur so viel wie jeder andere auch, der gerne Musik hört. Bei meiner Arbeit als Booker fürs Zermatt Unplugged lasse mich gerne von anderen inspirieren. Das heisst, ich frage, wer was gut findet, höre mir das an und entscheide, ob es mir auch gefällt. Dann versuche ich die Bands möglichst live zu sehen und wenn das nicht geht, schaue ich mir einfach einige Aufnahmen auf Youtube an. So bin ich mir ziemlich schnell sicher, welche Bands perfekt auf unsere New Talent Stages passen. www.bäckstage.ch hilft mir da übrigens manchmal auch. Wenn ich nach Inspiration für New Talent Stage-Künstler suche, bin ich  öfter mal auf eurer Homepage am Stöbern.

 

 77 Bombay Street war wie ein Jackpot.

 

Wie hätten sonst noch einen Tipp fürs Vernissage, falls du da Einfluss hast: Tom Odell aus England. Er ist ein Protegé von Lilly Allen und seine Musik würde gut hierher passen.

 

Ich mache wirklich nur das Booking für die New Talent Stages. Bei den grossen Bühnen sage ich lediglich meine Meinung dazu. Aber von Tom Odell habe ich auch schon gehört. Für die New Talent Stages wäre er jedoch definitiv schon zu gross. Er wird ja gerade ziemlich von BBC gepusht. 

 

Obwohl ihr auch schon grosse Schweizer Acts auf den kleinen Bühnen hattet.

Stimmt. Mit 77 Bombay Street zum Beispiel hatte ich damals einfach Glück. 2011 fuhr ich gerade  im Auto von Bern nach Zürich und habe ihren Song «47 Millionairs» im Radio gehört. Der hat mir so gut gefallen, dass ich die Band daraufhin sofort gebucht habe. Kurz darauf wurden die Jungs dann sehr berühmt. Daher waren sie für mich fast wie ein Jackpot. 77 Bombay Street sind dann auch ein zweites Mal nach Zermatt zurückgekommen: Für das Season Opening 2011 im Vernissage. Jetzt fehlt ihnen nur noch die Zeltbühne. Wie ihr seht, sind Glück und Timing beim Booking der New Talents sehr wichtig.

 

 

Bezüglich des Bookings der New Talent-Bands: Wir haben bisher Thomas Sterchi, Rolf Furrer und diverse Bands gefragt und niemand scheint genau zu wissen, wie das läuft. Darum jetzt noch dieselbe Frage an dich: Bewerben sich die Bands und ihr sucht aus oder fragt ihr die Bands an?

 

Beides kommt vor. Mittlerweile erhalte ich natürlich sehr viele Bewerbungen, denn es hat sich bei den Schweizer Labels und Agenten sowie den Musikern herumgesprochen, dass hier zu spielen cool ist und wir die Bands speziell gut behandeln. Es ist uns ja auch sehr wichtig, dass die Musiker hier Spass haben. Aber um ehrlich zu sein, tue ich mich mit den Bewerbungen ziemlich schwer. Ich höre mir immer alles an, aber die einzige, die ich bisher so ausgewählt habe, war Anna Kaenzig. Sie hat mir ihre CD «Four Acres and No Horse» geschickt, die mir sehr gefallen hat. Daraufhin habe ich Anna gebucht. Aber sonst gehe ich lieber auf die Musiker zu, weil ich klare Ideen habe, was ich für welchen Slot auf welcher Bühne suche.

 

Ich muss die richtige Band, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort spielen lassen.

 

Zum Beispiel?

Gewisse Bands kann ich nicht schon um 12 Uhr mittags spielen lassen, weil das nicht passen würden. Die Zuschauer suchen dann eher etwas Ruhigeres. Aber im Pink abends um 23 Uhr darf es dann dafür so richtig abgehen. Daher können gewisse Bands noch so gut in unser Konzept passen, aber wenn ich einfach keine passenden Slots mehr frei habe, muss ich die Bands enttäuschen. Dort liegt eigentlich auch meine Hauptaufgabe: Die richtige Band zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort spielen zu lassen.

 

 

Wir haben gelesen, dass ihr eine Zauberformel habt für die New Talents, die lautet: acht Bands aus der Deutschschweiz und drei aus der Romandie..

 

Spannend, aber nicht korrekt. Mir ist zwar wichtig, dass wir eine Plattform für Schweizer Bands bieten. Aber gleichzeitig müssen das nicht exklusiv Schweizer Bands sein. Es heisst ja auch «New Talents» und nicht «New Swiss Talents». Die Schweiz ist natürlich sehr wichtig für das Zermatt Unplugged – auch um zu zeigen, dass wir hier gute Newcomerbands haben. Essentiell ist auf jeden Fall, dass wir stil- wie sprachenmässig eine breite Auswahl bieten. Denn Musik geht bei mir direkt ins Herz – da kommt es auf die Sprache nicht darauf an.

 

 

Durch eure Zusammenarbeit mit den Radio SRF3 «Best Talents» kennt man ja doch die eine oder andere Band auf den New Talent Stages schon ziemlich gut …

 

Diese Zusammenarbeit mit Radio SRF3 ist etwas sehr interessantes. Denn oft spielen Bands auch zuerst hier und kommen später unter die Radio SRF3 «Best Talents». Es läuft also in beide Richtungen. Des Weiteren passen nicht alle «Best Talents» zum Zermatt Unplugged. Radio SRF3 ist ja ein sehr guter Brand, der wie auch das Zermatt Unplugged für Qualität und Glaubwürdigkeit steht. So bringt diese Zusammenarbeit beiden Seiten etwas.

 

Die drei Finalisten des Radio SRF3 «Best Talent» standen sowieso auf meiner Liste.

 

Aber Radio SRF3 hatte dann die Idee, den Abschluss ihres «Best Talents»-Jahres hier in Zermatt zu machen …… was wir natürlich sehr begrüsst haben. Also haben wir beschlossen, dass die drei für den Swiss Music Award nominierten Best Talents – Mo Blanc, Kyasma und HECHT – hier spielen werden. Dazu als Klammerbemerkung: HECHT hat schon letztes Jahr hier gespielt, Mo Blanc war vor zwei Jahren schon bei uns und Kyasma hatte ich sowieso bereits gebucht. Also musste an meiner Vorauswahl gar nichts gross geändert werden.

 

 

Werdet ihr dieses Konzept also weiter verfolgen?

Die Erfahrung war sehr positiv. Jetzt müssen wir einfach zusammensitzen und besprechen, wie wir das weiterführen werden. Es war ein erster Versuch.

 

 

Und wie muss man sich deinen Job hier genau vorstellen, bist du das ganze Jahr über mit dem Zermatt Unplugged beschäftigt?

 

Also aufs ganze Jahr gerechnet, verwende ich von den 100 Prozent, die ich bei der Tom Talent Holding angestellt bin, etwa fünf Prozent fürs Zermatt Unplugged. Ich gehe oft auch an Konzerte, um Bands anzuschauen und zwar einfach weil mir das gefällt, nicht weil ich es von der Arbeit her müsste. Aber durch meine Arbeit beim Zermatt Unplugged habe ich natürlich immer einen guten Grund, um mit den Leuten vor Ort ins Gespräch zu kommen. Das gefällt mir.

 

Interview: Laura Zeller und Linda von Euw.

 

Linda von Euw / Mi, 17. Apr 2013