Anna Kaenzig: «Sprung ins Ausland ist der nächste Schritt»

Interview mit Anna Kaenzig
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www.annakaenzig.com / © Ornella Cacace

Anna Kaenzig sitzt im Restaurant Markthalle und nippt an einem Kaffee. Die Freude über die vielen Reaktionen auf das zweite Album «Slideshow Seasons“ ist ihr deutlich anzusehen. Sie strahlt, wenn sie über die Arbeit daran oder über Songs daraus spricht und sie besitzt eine Austrahlung, die förmlich zu schreien scheint, dass sie mir der Platte zufrieden ist. Zwischen dem Edelwein und verschiedenen sonstigen Leckereien im Marktplatz erzählt Anna von Luk Zimmermann und Gus McGregor und wie sie das Album finanziert hat. 

 

Das Album «Slideshow Seasons» ist seit letzter Woche auf dem Markt. Wie fühlst du dich damit?

Sehr gut. Vor allem der Moment, in dem ich die CD das erste Mal in den Händen halten konnte, der war super. Ich muss sagen, das Album ist wirklich genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. Man hat ja eine Vorstellung, wie ein Album klingen soll, wenn es fertig ist und meistens klingt es im Studio, über die hochwertigen Boxen, extrem gut und wenn man Zuhause ist, denkt man: «Hm, das ist jetzt doch nicht ganz das Gleiche». Ich habe das Album in meine Stereoanlage getan und es hat mir immer noch gefallen. 

 

Wie sehr unterscheidet sich die Produktion von jener des Debütalbums? Dieses Mal hast du ja mit Luniks Luk Zimmermann gearbeitet.  

Das gibt es grosse Unterschiede. Luk Zimmerman ist ein sehr gitarrenlastiger Produzent. Aber von Lunik hat er wenig reingebracht und die Platte klingt auch nicht nach Lunik. An den Songs selbst hat Luk wenig geändert. Die Songs sind von mir und wir haben nur versucht mit den Arrangements das Beste herauszuholen. So entstand eine sehr symbiotische Zusammenarbeit zwischen Luk und mir.

 

 «Mein Herz hat schon immer der Folkmusik gehört.»

 

 

Beim Album fällt auf, dass du amerikanische Musikstile wie Folk und Country noch stärker einfliessen lässt als es beim ersten Album der Fall war. Wie bewusst ist dieser Prozess?

Es ist eigentlich die Musik, die ich schon immer gehört habe, auch während meiner Jazzausbildung. Das erste Album ist direkt nach der Jazzschule entstanden, deshalb waren noch viele Sachen von der Ausbildung präsent, also jazzige Klänge, die ich mit in das erste Album genommen habe. Mein Herz hat aber schon immer der Folkmusik gehört. 

 

Dadurch klingt das Album international. Planst du auch ins Ausland zu gehen? 

Ja, sicher. Jetzt grasen wir aber zuerst noch etwas die Schweiz ab und dann ist der Sprung ins Ausland der nächste Schritt. Zuerst gehen wir nach Deutschland. Das ist bereits in Planung. Da ich Englisch singe, ist der Schritt naheliegend. Damit kann ich es gut im Ausland probieren. 

 

Aber nicht nur wegen der Sprache, du klingst auch sonst ähnlich wie mancher Singer/Songwriter aus Amerika.  

Das ist natürlich das Ziel. Kürzlich habe ich von einer amerikanischen Familie, die jetzt in Basel lebt, ein schönes Kompliment bekommen. Sie meinten, es sei schön, wieder einmal so etwas Authentisches zu hören. Das ist für mich das schönste Kompliment. 

 

Du konntest das neue Material bereits auf der Bühne testen. Wie funktionieren denn die neuen Songs live?

Sehr gut. Der erste Gig war sehr klein und wir sind nur als Quartett aufgetreten. Es ist so, dass wir das ganze Album mit einem E-Bass eingespielt haben, das heisst, wir haben keinen Kontrabass mehr. Teilweise spielen wir aber Konzerte mit E-Bass und Kontrabass, zum Beispiel an der Plattentaufe im Moods. Das gibt ziemlich coole Abwechslung ins Set. Dann haben wir ein Banjo dabei, wir haben einen zusätzlichen Sänger, die Liveband wird aufgestockt. Ein wenig nach Nashville-Manier werden so sehr viele Leuten auf der Bühne stehen. Besonders an der Plattentaufe war das der Fall. 

Das aktuelle Album «Slideshow Seasons» ist auf Platz 21 in die Schweizer Charts eingestiegen. 

 

 

An der Plattentaufe hattest du auch Gäste dabei, wie Gus MacGregor. Mit ihm singst du auch auf der Platte ein Duett. 

Er ist wie ein weiterer guter Stein im ganzen Gebilde. Luk hat ja sein Album produziert. Irgendwann hat er ihm einen Song von mir geschickt und gefragt: «Hey Gus, what do you think about it?» Und Gus fand es cool und hat auch gleich noch selbst getextet. 

 

Aber «Left To Right» ist nicht das einzige Duett. Auch «Maggie» singst du mit einem Partner.  

Ja, mit Tobias Röthlin, der in meiner Band spielt.

 

«Maggie» ist aber auch der einzige Song auf der Platte, den nicht du selbst geschrieben hast.

Genau, der Song wurde von meinem Pianisten komponiert und Tobias hat dazu den Text geschrieben.

 

Wenn wir schon bei deinen Songs sind. Ich würde gern einige ansprechen. «Don’t Get Lost». 

Das ist der allererste Song, der für dieses Album entstanden ist. Sehr schnell war klar, dass es die erste Single sein würde. Wir haben diese Frage mal in den Pool geworfen und von allen Beteiligten kam ziemlich einstimmig zurück, dass «Don’t Get Lost» die erste Single sein muss. Weil im Song etwas Treibendes drin ist. Ich finde, der Song passt perfekt für einen Road-Trip, er hat so etwas Sehnsüchtiges. Gerade in dieser Zeit der kalten Temperaturen soll er, wenn die CD in den Player gelegt wird, das Gefühl von der weiten Prärie, die wir in der Schweiz ja nicht haben, vermitteln. (Lacht). 

 

Der zweite Song ist «More Than Just A Sound». Für mich ist es der einzige Song, der ein wenig nach Lunik klingt. Täuscht der Eindruck?

Wenn, dann durch das Mischen, weil, rein vom Arrangement her stand dieser Song schon komplett, als ich ins Studio ging. Ich weiss aber, was du meinst, denn ich habe mir wirklich auch gedacht, dass der Song anders klingt, also rein vom Sounddesign. Luk ist ein extremer Fan dieses Songs, das hat er mir mal erzählt, daher ist der Vergleich zu Lunik vielleicht gar nicht so weit hergeholt. 

 

 «In 30 Tagen hatten wir das Geld für die Platte zusammen.»

 

Finanziert hast du dein Album über die Crowdfunding-Plattform www.wemakeit.ch. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden? 

Das wurde von den Machern von www.wemakeit.ch an mich herangetragen. Um ihre Idee zu lancieren, haben sie Start-Projekte gesucht und darum mich gefragt, ob ich Lust dazu hätte. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass es so etwas wie Crowdfunding überhaupt existiert. In Amerika gibt es ja Kickstarts, aber wir in der Schweiz kennen das noch nicht wirklich. Erst war ich etwas kritisch und habe mich gefragt, wie das wohl ankommt, wenn man die Leute so öffentlich bittet, etwas an das Album heran zu spenden. Aber ein Teil davon ist ja, dass jeder etwas für sein Geld zurückbekommt. So wie früher: «Ich gib dir mini Geiss, defür gisch du mir en Sack Mehl.» Wir hatten coole Sachen darunter, wie zum Beispiel ein Hauskonzert. Aber das hat niemand erspendet. Das hat mich irgendwie gewundert, denn ich hätte mich sehr gefreut, wenn ein Musiker, den ich cool finde, für irgendwie 1000.— zu mir nach Hause kommen würde, um ein Konzert zu geben. Logisch war der Betrag aber recht hoch. 

 

Wie schnell hattest du den Betrag zusammen?

Innerhalb von 30 Tagen.

 

Das ist ziemlich schnell. 

Wir hatten halt grosse Medienpräsenz. Dazu kommt, dass etwa die Hälfte der Spender Verwandte und Bekannte sind und die andere Hälfte kannte ich vorher nicht. 

 

Hast du denn schon Begegnungen mit Spendern gehabt?

Ich beginne jetzt damit, die Sachen einzulösen. Es ist aber schon recht viel. Ich habe zum Beispiel gerade jemandem Gesangsstunden für seine Kids gegeben. Die waren ungefähr zwei und vier Jahre alt. Dann standen die beiden vor mir und das Einzige, das sie interessiert hat, war meine Gitarre. So haben sie sich halbwegs geprügelt, im Streit um meine Gitarre, weil sie darauf klimpern wollten. Der Mani-Matter-Song, den ich vorbereitet hatte, ist dann in den Hintergrund gerückt. 

 

Zwei Jahre ist vielleicht noch etwas klein für Mani Matter.

Genau. Wobei die Vierjährige ganz gut mitgemacht hat. Das war cool und eine gute Erfahrung. 

 

Wusstest du bereits, dass du einen Vertrieb für das Album haben wirst, als du bei bei www.wemakeit.ch das Projekt lanciert hast? 

Ja, das war klar. Es gibt ja verschiedene Deals mit Plattenfirmen und man weiss heute, dass Labels zum Teil darauf angewiesen sind, dass Künstler ein gewisses Eigenkapital mitbringen. So bleibt man als Künstler aber auch sehr unabhängig und ich sehe das als grossen Vorteil. 

 

Und zum Schluss: Was ist für den Sommer geplant? Festivals? 

Ich werde unterwegs sein, darf aber noch nichts kommunizieren.

 

 

  • Die Platte «Slideshow Seasons» ist im Handel erhältlich. HIER gibt es unsere Kritik.
  • Anna Kaenzig ist auf Tour. Alle Termine stehen auf ihrer Website
Patrick Holenstein / Do, 14. Mär 2013