«Wir sind nicht so düster, wie die meisten Leute denken»
Vor dem Auftritt im beinahe ausverkauften X-Tra in Zürich (unsere Konzertkritik) nahmen sich der Sänger und Multiinstrumentalist Tom Smith, sowie Bassist Russell Leetch Zeit für ein Gespräch mit Bäckstage.ch. Die zwei Musiker haben erzählt, wie sie sich fühlen, wenn ihre Platten illegal im Netz auftauchen und Tom hat einiges über die Zusammenarbeit mit Casper verraten.
Ihr habt bereits im X-TRA gespielt zu Beginn eurer Karriere. Habt ihr irgendwelche speziellen Erinnerungen daran?
Russell Leetch: Ich erinnere mich …
Tom Smith: Wir spielen so viele Shows und die Tatsache, dass wir uns erinnern ist ein gutes Zeichen. Soweit ich mich erinnere, war es sehr wild.
Russell: Die Leute waren sehr begeistert beim letzten Mal und heute ist das Konzert an einem Freitagabend, was sicher auch gut ist!
Tom: Es gibt ein Vorurteil, wonach das Schweizer Publikum etwas schüchtern ist. Jedoch erinnere ich mich nicht daran, dass es hier so war, was ein gutes Zeichen ist. Ich habe also nur gute Erinnerungen.
Das neue Album klingt sehr anders als «In This Light And On This Evening». Weshalb habt ihr erst einen elektronischen Weg eingeschlagen und geht jetzt wieder zurück zu den Wurzeln? Das letzte Album war ja auch sehr erfolgreich.
Tom: Wir suchen immer nach einem Weg, die Songs auf eine Art vorzutragen, wie wir es zuvor noch nicht gemacht haben. Als wir uns an das dritte Album gemacht haben, haben wir soeben «An End Is A Start» beendet, das viele epische Gitarrensounds beinhaltet. Auf jeden Fall waren Chris und auch wir etwas gelangweilt von dem, was wir mit den Gitarren gemacht haben. Deshalb entschieden wir uns dafür, die Sachen etwas zu reorganisieren und suchten nach einer Möglichkeit, die Songs auf «In This Light And On This Evening» zu repräsentieren. Zudem haben wir mit Flood als Produzenten gearbeitet, was zu einem dunklen, bedrohlichen, synthetischen Ding führte. Und jetzt mit dem neuen Album wollten wir wieder etwas Neues machen. Es wurde Zeit, wieder stärker mit Gitarren zu arbeiten. Wir fühlen uns super als Band, nachdem wir durch eine schwere Zeit mit Chris gegangen sind und zwei neue Leute in die Band gekommen sind. Es fühlte sich wieder gut an, zusammen Musik zu spielen. Wir wollten also ein Album aufnehmen, das wieder nach einer Band tönt, die zusammen in einem Raum spielt.
Wir versuchten über ein Jahr diese Platte mit Chris aufzunehmen, bis es nicht mehr anders ging. Man kann dies mit einer Beziehung vergleichen, die auseinander geht. Es ist hart für alle Beteiligten, aber nun denke ich, dass er glücklich ist.
Nach «In This Light And On This Evening» habt ihr euch vom Gitarristen Chris Urbanowicz getrennt. Wie hat er darauf reagiert?
Russell: Natürlich war er geschockt, als er von der Nachricht erfahren hat. Jedoch machte es Sinn, denn die Band war in keiner guten Situation – entweder musste er die Band verlassen oder wir würden uns auflösen. Es gab nur diese beiden Optionen. Was ich so gehört habe, ist er nun viel glücklicher. Er mochte viele Sachen nicht, die man als Band macht. Zum Beispiel auf Tour zu gehen und Shows zu spielen. Und der Punkt, dass er zwar Musik mit uns gemacht hat, aber es nicht funktioniert hat, war ausschlaggebend. Es zeigte uns, dass es nichts mehr bringt.
Tom: Es war für uns alle eine schwierige Zeit und es passierte nicht über Nacht. Wir versuchten über ein Jahr diese Platte mit Chris aufzunehmen, bis es nicht mehr anders ging. Man kann dies mit einer Beziehung vergleichen, die auseinander geht. Es ist hart für alle Beteiligten, aber nun denke ich, dass er glücklich ist.
Habt ihr nun überhaubt keinen Kontakt mehr mit ihm?
Russell: Nein, er lebt nun in New York, weshalb das etwas schwierig ist. Aber irgendwann werden wir sicher wieder in Kontakt mit ihm kommen.
Die Texte von Editors sind oft über Liebe und sehen diese nicht sonderlich optimistisch an. Tom, du wurdest in diesem Jahr Vater eines zweiten Sohnes. Wie es scheint, lebst du in einer glücklichen Beziehung mit Edith Bowman. Wie kommst du so in die Stimmung für diese Texte?
Tom: Meiner Meinung nach ist es der Job eines Songwriters, Fantasie zu haben sowie dir zu erlauben an unterschiedliche Orte zu gehen. Verschiedene Leute schreiben auch über verschiedene Dinge. Musikalisch und lyrisch locken uns dunkle und unheimliche Sachen an. Wir mögen Drama und Intensität von Dingen. Also eher Sachen, wie man sie bei gewöhnlichem Pop oder sonstiger fröhlichen Musik nicht hört. Wir sind also nicht so düster, wie die meisten Leute denken. Die Songs sind jedoch ernsthafte Lieder über Emotionen und Gefühle – besonders beim neuen Album handeln viele Songs von der Liebe. Einige Songs sind sehr ehrlich und persönlich. Zum Beispiel ist «The Phone Book» eine Reflexion aus meinem Leben. Jedoch lasse ich auch gerne meine Fantasie walten und Songs über Beziehungen haben gruslige und unheimliche Elemente drin. Songtexte sollten für mich nicht wie Tagebucheinträge sein und direkte Begebenheiten aus dem Leben widerspiegeln. Die Leben der meisten Menschen sind nämlich interessant genug.
Weshalb habt ihr in den Blackbird Studios in Nashville aufgenommen? Die Musikszene in der UK ist doch auch sehr gross.
Russell: Wir haben während acht Wochen in London aufgenommen und auch noch an einem anderen Ort in der UK. Beim dritten Anlauf mit dem Produzenten Flood gingen wir nach Nashville, da er am liebsten in Nashville arbeitet und seine Familie auch dort lebt. Die Blackbird Studios gehören zu den besten weltweit und die Tonqualität ist super dort.
Das neue Album «The Weight Of Our Love» fand den Weg ins Internet über einen Monat vor dem offiziellen Release. Wie reagiert man als Band, wenn man dies bemerkt?
Russell: Ich bin gleich an die Decke gegangen!
Tom: Wir waren echt stinksauer! Es war fünf Wochen vor dem Release, was echt eine lange Zeit ist. Klar sind wir nicht dumm und wussten, dass es den Weg ins Internet finden würde. Alle unsere Alben, ausser vielleicht das erste, kamen vor der Veröffentlichung ins Internet. Aber fünf Wochen vorher? Das war echt ärgerlich!
Russell: Man plant den Release mit Singles, die zuvor im Radio gespielt werden, was dadurch zerstört wurde.
Tom: So viel vom Mysterium einer Rock’n’Roll Band ist heutzutage weg. Wenn du einen neuen Song live spielst, wird er gleich auf Youtube geteilt und die Leute können ihn danach überall hören, was für mich ja auch in Ordnung ist. Jedoch ist das Mysterium weg, da die Leute via Twitter ja schon fast selbst in Kontakt mit der Band stehen. Und durch den frühen Leak war auch das Überraschungselement weg, wenn man eine Platte zum ersten Mal abspielt und nicht weiss, was einen erwartet – was sehr schade ist!
Tom, du bist auf dem neuen Casper Album vertreten. Wie kam es zu dieser eher unüblichen Kollaboration?
Tom: In der Zeit zwischen den beiden letzten Alben hat Casper unsere Herausgeber kontaktiert, da er ein Fan der Editors ist und ich hatte eine kleine Auszeit damals. Deshalb habe ich mir dann das Casper Album «XOXO» angehört und ich mochte die Stimmung des Albums – obwohl ich natürlich nicht verstanden habe, worüber er singt. Jedoch mochte ich die Stimmung genug, um ihn erst in London und danach in Berlin zu treffen. Mir gefiel, wie er über seine Musik sprach und was er mit seinem neuen Album machen wollte. Wir sind dann also in Berlin abgehangen und haben einige Songs aufgenommen – es gab vier oder fünf Ideen, welche alle sehr gut waren und eine schaffte es auf die Platte. Casper ist sehr mutig mit seiner Musik, da das Album total anders ist als der Vorgänger, aber ich mag es!
Im nächsten Jahr werden wir hauptsächlich schreiben, proben und darüber sprechen, was wir beim nächsten Album machen.
Ihr spielt in der zweiten Hälfte von 2013 über 80 Konzerte und seit fast ununterbrochen auf Tournee. Woher nehmt ihr die Energie, um jeden Abend eine gute Performance abzuliefern?
Tom: Selbst wenn du tagsüber erschöpft und träge bist, gehst du abends auf die Bühne und die Energie sowie Nervosität kommt zurück. Wir waren nun eine ganze Weile nicht auf Tour und wir waren lange Zeit weg. Mit den Festivals und nun der grossen Europa/UK-Tour sind es schon viele Konzerte, jedoch haben wir es lange nicht mehr gemacht, deshalb sind wir immer noch sehr frisch.
Russell: Klar haben wir viele Konzerte gegeben, aber wir beenden die Tour im nächsten Monat und haben über die Weihnachtszeit Pause und ein paar Wochen richtig frei, womit jeder von uns zufrieden ist.
Tom: Bei unseren ersten Platten waren wir fast während zwei Jahren pausenlos auf Tournee.
Russell: Im Jahr 2006 hatten wir insgesamt 10 freie Tage. Wir sind es also noch intensiver gewohnt und das war es, was mich fast umgebracht hat damals.
Freut ihr euch somit auf das Ende der Tour und darauf, zu euren Familien zurück zu kehren?
Tom: Auf jeden Fall! Das ist halt die Kehrseite daran, in einer Band zu sein. Weg zu sein von den Leuten, die man liebt, also getrennt von der Familie und Freunden. Es ist hart und es wird härter, je älter man wird. Drei von uns haben mittlerweile Kinder, aber auch ohne Kinder ist es schwierig. Jedoch ist die Tour bald zu Ende. Zwischendurch kommen uns die Kinder auch auf Tour besuchen und ein Monat der Tour ist in UK, somit sind wir nicht weit weg von unseren Familien und wir können sie oft sehen. Es ist sehr schön, die Familie und Kinder in die Band einfliessen zu lassen und alle zusammen etwas unternehmen.
Was kommt nach der Tour? Vielleicht wieder ein Weihnachtsalbum mit Andy Burrows?
Tom: Für diese Weihnachten hatte ich keine Zeit, ein Weihnachtsalbum aufzunehmen. Ich werde jedoch irgendwann mal ein neues Album mit Andy machen, jedoch weiss ich noch nicht wann. Im Dezember werden wir aber etwas Bedenkzeit haben, wie auch Schreibzeit. Es kommt aber im nächsten Jahr sicher noch mehr Arbeit auf uns zu mit diesem Album. Zwar werden wir nicht mehr so viel touren wie in der zweiten Hälfte dieses Jahres, aber es wird sicher einige Auftritte und Festivals geben. Hauptsächlich werden wir jedoch schreiben, proben und darüber sprechen, was wir beim nächsten Album machen.
Editors - «Honesty»