Wilde Glitzerparty mit Blond
Blond sind sie nicht mehr. Die Band, bestehend aus den Schwestern Nina und Lotte Kummer (yes, deren Brüder Felix und Till gehören zu Kraftklub) sowie dem blinden Johann Bonitz, blieb sich in Bezug auf die Haarfarbe nicht treu. Nina trägt ein (womöglich) Florence-Given-inspiriertes Magenta, während die anderen beiden Zufriedenheit in Schokoladenfarben fanden. Aber das ist auch schon die einzige Neuerung. Abrocken tun die drei wie eh und je: souverän, glamourös und mit vielen sozialpolitischen Ansagen. Deshalb erstaunt es nicht, dass die gesamte woke Jugend der Schweiz an diesen Abend nach Zürich ins X-TRA pilgert. Mit Mitte Dreissig fühlt man sich da schon sehr reif am Blond-Konzert. Das Publikum besteht hauptsächlich aus Jugendlichen und Menschen Anfang Zwanzig, die meisten mit Brille und Glitzer im Gesicht.
Nach einem zu kurzen Gastspiel von Veenus treten um Punkt 21 Uhr die drei Musketiere auf die Bühne. Die Ladies tragen rosa Tüll-Anzüge und beginnen ihr Konzert mit «Durch die Nacht» ihres zweiten Albums «Perlen». Im Lied geht es um die Glamourifizierung des struggling Musikantendaseins. Die Menge geht ab, kennt jede Zeile und singt lauthals mit. Während andere Bands diese Extase mit Glück am Schluss ihrer Show erreichen, steigen Blond direkt damit ein. Weiter geht’s mit «Mein Boy». Wer an ein verliebtes Getöse denkt, der wird lyricstechnisch gerne in die Sackgasse geführt. Im Lied werden die mangelnden Therapie-Plätze besungen und die elendlange Suche nach einem geeigneten Therapeuten. Um die Extase und vor allem die eigene Beweglichkeit weiter auszudehnen, entledigen sich die Schwestern ihrer Tüll-Anzüge. Nun stehen sie mit leicht bieder wirkenden blauen Kleidchen auf der Bühne und erinnern ein wenig an die «The Shining»-Zwillinge. Und genauso blutig geht es weiter mit «Es könnte grad nicht schöner sein». Der Song thematisiert Periodenblutungen und die damit eintretenden Schmerzen.
Bedachter, aber nicht weniger gefühlsvoller, geht es mit «Immer lustig» weiter. Es geht um Depressionen, der unsichtbaren Krankheit, die man einer Person nicht ansehen kann. Ein Song in welchem dem «Masking», d.h. der Überspielung der depressiven Stimmung, ein Tribut gezollt wird. Die Menge schwankt singend mit. Irgendwann gibt es die typische Werbeaktion, indem auf den Merch-Stand verwiesen wird und die tollen Produkte, die es dort zu kaufen gibt. Ausser man hat das Zeug nicht mitgenommen, wie Blond an diesem Abend. Aber dies sei nicht weiter schlimm, kaufen könne man ohnehin alles online. Zum ersten Mal gibt es verdutzte und enttäuschte Gesichter. Aber the show must go on und so entkleiden die Mädels ihre zweite Kleiderschicht und stehen mit Cocktailkleidern auf den Bühne. Mit «oberkörperfrei» gibt’s nun ein Vegan-Kampflied im wahrsten Sinn des Wortes.
Um Viertel nach 22 Uhr blickt Lotta erschrocken zur Uhr, sie müssen bald fertigmachen und stürmen von der Bühne. Nach tosenden Zugabe-Rufen kehren die drei auf die Bühne zurück. Die Damen in Hochzeitskleidern. Zum grossen Finale gibt es «Männer».
Nach etwas mehr als 90 Minuten verabschieden sich Blond an diesem Abend endgültig von der Bühne. Als Mitte dreissig Jahre altes Publikumsmitglied ist man froh. Die Show war spektakulär, aber die Kondition, die ein Blond Konzert von einem abverlangt, ist nicht ohne.