Legenden mit Gitarrenwänden
Damit ein Stadtzürcher Publikum von der ersten Minute abgeht, braucht es Zauberkräfte. Kein Problem also für die Pixies, die mit drei von vier Original-Elfen die Bühne des rappelvollen Limmathauses betreten. Seit Kim Deal die Band 2013 zum zweiten Mal verliess, hält Paz Lenchantin den Bass. «Rock n’ Roll ist die Kunst, auf tausend Arten «Yeah!» zu sagen», befand Sänger Black Francis in den späten Neunzigern. Er wird an diesem Abend eine Menge Jas einfahren.
Francis gründete die Band 1984 mit Gitarrist Joey Santiago, auf der Suche nach einem Mix aus mehrstimmigem Gesang und sperrigen, beinahe borstigen Gitarren. Klassische 3-Minuten-Songs, die stets zwischen Schalk, Melancholie und Aufbruchsstimmung pendelten – nicht selten mit drohendem Unterton. Der Begriff «Grunge» geisterte damals seit Jahrzehnten durch die Musikpresse, doch waren es Bands wie die Pixies, die dessen Etablierung zur Jugendbewegung massgeblich vorbereiteten. Ihr Einfluss auf Nirvana oder The Smashing Pumpkins ist kaum zu leugnen. Dabei hat die Truppe im Laufe ihres Schaffens mit allen möglichen Stilrichtungen geflirtet. Mit Alternative Rock, Pop, Punk oder etwa Surf Rock.
Zu Beginn dominieren bunte Lichter, und die Band wirkt, als wären «The Cure» in Tennessee geboren. Danach gibt es eine Vorstellung davon, wie wohl die «Sex Pistols» geklungen hätten, wären sie von kalifornischen Surfern gegründet worden. Die beiden grössten Hits sind quer übers Set verteilt. Das «Fight Club»-Finale «Where Is My mind?» bringen sie nach dreissig Minuten, die Umweltschutz-Hymne «Monkey Gone To Heaven» rund eine Stunde später. Der Übergang in die zweite Hälfte gestaltet sich harzig. Nun wird es schnell und laut. Die Pixies spulen ihr Repertoire auf höchstem Niveau runter. Die Gitarrenwände sind so laut, dass man den Gesang bloss noch erahnen kann. Rostiges Laserlicht flutet die Bühne, und man wähnt sich in der Roten Fabrik wieder, wo die Band 1989 ein Konzert aufzeichnete.
In den vorderen Reihen wird eine Gruppe von dreissig Leuten auf Dauer des Konzerts fröhlich pogen. Kaum Verschnaufpausen zwischen den Songs. Die Pixies reihen ihre Lieder wie schillernde Stahlperlen aneinander. Kein «Hello», keine Ansagen, kein «Goodbye». Nach zwei Stunden posiert die Band in glücklicher Erschöpfung. Francis tritt an den Bühnenrand, schüttelt keine Hände, sondern fährt sich mit der Handkante wiederholt dem Hals entlang. «Ich bin müde. Ich will schlafen!» Dann verweist er aufs ekstatische Publikum und lässt sich für 1 Zugabe erwärmen. Noch eine gemütliche Runde MTV-Unplugged, dann endet die Audienz. Effizient und schnörkellos, aber auch etwas unterkühlt und seltsam distanziert. In Zürich wird sowas gefeiert.