Jaël in Hochform bei Plattentaufe an den Giessbach Session

Konzertkritik: Jaël in Brienz
Bildquelle: 
Bäckstage / ©Sandra Rohrer

Sie spiele öfters an privaten Anlässen, erzählte die Schweizer Sängerin Jaël im Laufe der Plattentaufe im wunderschönen Konzertraum des Grandhotel Giessbach in Brienz und fügte hinzu, dass es oft passiere, dass Leute sie nicht kennen. Dann spiele sie jeweils «A Little Bit» und die Verbindung zu Lunik sei schnell da.

 

An diesem intimen Abend im Rahmen der Giessbach Session brauchte Jaël keine Erklärungen, alle im Saal wussten genau, wer da auf der Bühne steht. Die Bernerin hat gerade ihr drittes Solo-Album «Midlife» veröffentlicht. Gemeinsam mit Produzent Cyril Camenzind, dem ehemaligen Lunik-Kollegen Cédric Monnier und Domi Schreiber, der Jaël seit Beginn ihrer Solokarriere begleitet, sowie einem weiteren Musiker startete Jaël in den Abend.

 

Intime Hintergründe zu den Songs

 

«Drama» vom aktuellen Album «Midlife» lancierte das Set und nach wenigen Sekunden war klar, dass Jaël bestens in Form ist. Jedenfalls klang ihre Stimme sehr stabil, ohne diese chrakteristische Ambivalenz zwischen fragilem Touch und kraftvoller Stimmfarbe vermissen zu lassen. Dazu erzählte die Sängerin immer wieder teilweise intime Hintergründe zu den Songs.  

 

«Shuffle The Cards» vom gleichnamigen Solo-Debüt hat sie nach der Trennung von Lunik geschrieben. Im harmonischen Spiel zwischen zwei Gitarren und Bass wurde es zu einem schönen Moment. «Open Skies» erzählt aus der Perspektive eines Regetropfens und der Song unterstrich eindrücklich, dass Jaëls Stimme an diesem Abend irgendwie noch einmal mehr Gefühl besass.

 

Fotos: Bäckstage / ©Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

Nach 30 Minuten fragte sie: «Geht es euch gut?» Leise sagten die Leute: «Ja». Diese Zurückhaltung passte zur Stimmung des Abends. Es war ein ruhiges Konzert, dass manchmal fast sakrale Stimmung verströmte. Aber diese Aura funktionierte bestens. Die Menschen hörten Jaël aufmerksam zu und es wurde praktisch nicht geschwatzt. Möglich, dass es an manchen ihrer Geschichten lag, denn einige sind alles andere als schön.  

 

Etwas «Paralyze», der von einem Sexuellen übergriff erzählt. Jaël hat 20 Jahren gebraucht, um diesen Song zu schreiben. Immer waren da Fragen: Hätte ich was anders machen können? Hätte ich es vermeiden können? Hätte ich sehen können, dass es passiert? Und sie hoffe, dass dieser Song auch anderen hilft. Mit ein paar Elektrobeats, eingespielt von Jaël, in der Kombination mit der Band im Rücken, harmonierten Musik und Lyrics ideal und manche hatten wegen des Themas vielleicht kurz einen Kloss im Hals.

 

«Sensibeli» als schöner Abschluss

 

«Kings And Queens» entstand wegen einer Doku, die zeigte, was der Lockdown für eine Auswirkung auf die Tierwelt hatte. Danach schnappte sich Jaël die Gitarre und spielte diesen Song ein. Einen Tag später hat sie den Jungs eine Wasserflasche gekauft, damit man nicht so viel PET nutzt. 

 

«Der nächste Song kommt leider zu spät, aber ich hoffe trotzdem, dass sie ihn hört», sagte Jaël bevor sie «Perfect To Me» anstimmte. Wen sie angesprochen hat, blieb unklar, war aber auch nicht so zentral, der Song berührte nämlich angenehm. Kurz danach sollte eigentlich «Through Your Eyes» das Set beenden, doch Jaël sang noch «Sensibeli», ab ihrem Mundart-Album für Kinder. Ein schöner Abschluss für die Sängerin, die lachend meinte, dass sie sonst um diese Zeit im Bett liegen würde. Mit zwei Kindern ist das kein Wunder. «Nachher hat es noch CDs, LPs … und mich», betonte Jaël zum Schluss mit einem Lächeln und erntete Gelächter.

 

Der Abend mit Jaël war schön. Das Ambiente passte wunderbar zum ruhigen Konzert und das Publikum genoss denn Abend sichtlich. Jaëls Stimme klang erholt und wunderschön. Es war ein Genuss einzutauchen.

 

Infos zum Konzert

 

  • Künstlerin: Jaël
  • Genre: Pop, Soul, Songwriter
  • Datum: 19. Mai 2023
  • Location: Grandhotel Giessbach, Brienz

 

Sandra Rohrer / So, 21. Mai 2023