Wenn der eigene Sohn fremd wird ...
Die alleinerziehende Mutter Sarah zieht mit Sohn Chris in ein idyllisches Häuschen auf dem Land. Viel Platz zum Spielen, Wald und Wiesen hinter dem Haus inklusive. Das Duo scheint sich gut einzuleben, als Chris plötzlich nach seinem Vater fragt. Sarah kann nicht mehr ausweichen und gibt ihm zu verstehen, dass der Vater nicht nachkommen wird. Eine Narbe an ihrem Kopf gibt Anzeichen auf den Grund dafür. Chris fühlt sich belogen und rennt davon, direkt in den Wald. Sarah hinterher. Doch sie findet nur eine riesige Sickergrube und fürchtet schon das Schlimmste. Als Chris plötzlich unversehrt neben ihr steht, denkt sich Sarah nichts dabei. In den Tagen danach beginnt sich Chris jedoch merkwürdig zu benehmen und dann ist da noch die verwirrte Nachbarin, die in einem klaren Moment laut «Das ist nicht ihr Sohn!» rief und an das Autofenster polterte. Sarah beginnt zu zweifeln.
Das Genre neu erfinden kann «The Hole in the Ground» nicht. Aber der stilsicher inszenierte Horror-Thriller bewegt sich äusserst geschickt auf dem Pfad des gepflegten Grusels und kombiniert klassische Elemente mit visuellem Verstand. Angefangen damit, nicht alles zu erklären und dem Zuschauer Raum für Interpretationen zu lassen. Allerdings ist der oft psychologische Film nie ein ratloses Rätsel und am Ende weiss der erfahrene Zuschauer schon, was passiert ist. Der Film spielt lieber mit den klassischen Symbolen wie Spiegeln oder nutzt stilistische Elemente, etwa Kamerafahrten, um ein Mysterium zu suggerieren und die Spannung anzutreiben. So fragt man sich immer mal wieder, wie sehr sich die Mutter die Geschehnisse einbildet. Hier darf jeder seine eigene Ansicht entwickeln.
Grossartiges Hauptdarsteller-Duo
Ein riesiger Pluspunkt für den Film ist das Duo aus Mutter und Sohn. Wo Séana Kerslake als Sarah ihren Job glaubhaft auf den Bildschirm bringt, jagt das Spiel von James Quinn Markey als Chris oft einen eiskalten Schauer über den Rücken. Dabei macht er nicht viel, verändert im Bruchteil einer Sekunde die komplette Mimik ohne Grimassen, nur mit dem Zucken einer Braue. Unheimlicher war schon lange kein Filmkind mehr. James McAvoy hat kürzlich in einem Interview mit dem deutschen Magazin Widescreen sinngemäss gesagt, dass für ihn Horrorfilme mit der Glaubwürdigkeit der Figuren stehen und fallen würden. Auf «The Hole in the Ground» trifft dies vollkommen zu. Der Film steht felsenfest durch sein grossartiges Hauptdarsteller-Duo.
Dabei ist der Film generell ansprechend gefilmt. Die Kamera bleibt kaum still, bewegt sich geschmeidig gleitend durch die Szenerie und erzeugt so ein beklemmendes Gefühl, fast als würde man ständig beobachtet. Dazu kommen kunstvolle Einstellungen in Spiegel oder Kameraflüge, die man sofort als Verneigung vor «The Shining» versteht, was dann den Kreis zu unheimlichen Kindern elegant schliesst.
Atmosphärisch dichter grusel. Sehr elegantes, stilsicheres Drehbuch, das inhaltlich nicht sämtliche Zweifel ausräumt, nicht alles in kleinste Details erklärt, sondern dem Zuschauer das Interpretieren erlaubt.
- The Hole in the Ground (IRE 2018)
- Regie: Lee Cronin
- Besetzung: Séana Kerslake, James Quinn Markey,
- Laufzeit: ca. 91 Minuten
- Im Handel: ab 16. September 20019