Erben und sterben

DVD-Kritik: Hereditary
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© Ascot Elite Entertainment Group.

Tragödien sind nichts Ungewöhnliches in Annie Grahams (Toni Collette) Familie: Ihr Vater hat sich vor Jahren zu Tode gehungert, ihr schizophrener Bruder hat sich als Jugendlicher erhängt. Annie selbst lebt mit ihrem Ehemann Steve (Gabriel Byrne), ihrem Sohn Peter (Alex Wolff) und ihrer Tochter Charlie (Milly Shapiro) in einem Haus am Waldrand, wo sie ihre Zeit damit verbringt, Szenen aus der Familiengeschichte künstlerisch in Puppenhäusern nachzustellen. Als ihre Mutter stirbt, beginnen seltsame Dinge zu passieren, die mit der traumatischen Familiengeschichte zusammenhängen.

 

«Hereditary» ist Ari Asters erster Film. Davor hat der Regisseur Kurzfilme gedreht, wovon vor allem «The Strange Thing About The Johnsons» aus dem Jahr 2013 Aufmerksamkeit auf sich zog. Der genannte Kurzfilm handelt von einer inzestuösen Beziehung. Grauenvolles innerhalb der Familie fasziniert Aster also schon länger. Er macht dies auch zum Fokus seines neu auf Blu-ray erschienen Films.

 

«Hereditary» war für mich ohne Frage der unheimlichste Horror-Film des letzten Jahres. Während Asters Herangehensweise an die Thematik manchmal etwas unbeholfen direkt ist und gewisse Plot-Elemente, welche Kommendes andeuten, nicht gerade subtil sind, schafft er ein dichtes Gewebe von intermedialen Referenzen und Interpretationsmöglichkeiten, die den Film nicht nur zu einem verstörenden, sondern auch zu einem interessanten Erlebnis machen.

 

Bereits mit der ersten Kameraeinstellung beweist Aster sein Talent als Regisseur: Die Kamera schwenkt vom Baumhaus neben dem Familienhaus über zu einem Puppenhaus, welches im Haupthaus auf einem Tisch steht. Ein Zoom in das Modellgebäude hinein zeigt, dass das Geschehen sich darin abspielt. Die erste Szene im Zimmer von Peter beginnt scheinbar ohne Schnitt in diesem Puppenhaus. Diese erste Kameraeinstellung ist nicht nur sorgfältig konzipiert und gut ausgeführt, sie ist auch ein visuelles Zitat des Films «The Shining» von Stanley Kubrick, in der der legendäre Regisseur ein Modell des Labyrinths im Garten des Hotels zeigt, indem sich ebenfalls Miniaturen der Figuren zu bewegen scheinen.

 

Wenn Kubrick Jack Nicholson als psychisch labiles Familienoberhaupt hatte, so hat Aster mit Toni Collette eine mindestens so furchteinflössende Patriarchin gefunden. Die liebende Mutter, die gleichzeitig eine Bedrohung darstellt, ist ein mächtiges Motiv, das unter die Haut geht. Wenn Collette am Abendessen ihrem Sohn «I am your mother!» zuruft, hört es sich an wie eine Drohung.

 

Ein Film, der manchem Zuschauer schlaflose Nächte bescheren wird.

 

  • Hereditary (USA 2018)
  • Regie: Ari Aster
  • Darsteller: Toni Collette, Gabriel Byrne, Milly Shapiro
  • Laufzeit: ca. 122 Minuten
  • Im Handel: bereits erhältlich

 

 

Jonas Stetter / So, 03. Feb 2019