Ein Monster, das die Seele quält

DVD-Kritik: Der Babadook
Bildquelle: 
Praesens Film / Capelight

Der tödliche Unfall ihres Mannes nagt Jahre später noch immer an der Krankenschwester Amelia. Sie lebt zusammen mit Sohn Samuel ein zurückgezogenes Leben. Als wäre der schmerzliche Verlust nicht schon schlimm genug, macht Samuel seiner Mutter das Leben nicht einfacher. Er sieht überall Monster und jagt diese mit selbstgebastelten Waffen. So geht schon mal ein Fenster zu Bruch. Ausserdem sucht Samuel ständig und schon fast nervtötend penetrant nach Aufmerksamkeit und sagt immer unverblümt, was er denkt. Das bringt Amelia mehr als einmal in unangenehme Situationen. Als Samuel bei einem Kindergeburtstag ein Mädchen so heftig schubst, dass seine Nase gebrochen ist, scheint das Mass voll zu sein. Auch wenn Amelia ihren Sohn liebt, manchmal treibt er sie zur Weissglut und sie schreit ihn immer öfter an und wirft ihm Dinge an den Kopf, die kein Kind je hören sollte. Ist die junge Frau am Rande eines Nervenzusammenbruchs oder ist doch ein böses Wesen Namens Babadook schuld?

 

 

Der kleine Samuel geht mit Waffen der Marke «Eigenbau» auf Monsterjagd. 

 

Mutter und Sohn pflegen nämlich ein Ritual. Vor dem Schlafen lesen sie gemeinsam ein Buch. Als Samuel sich ein Buch auswählen darf, holt er einen dicken, roten Wälzer aus dem Schrank. Auf dem Umschlag steht in schwarzer Schrift «Der Babadook». Schnell merkt Amelie, dass das bestimmt kein Kinderbuch ist. Erzählt wird die Geschichte eines schwarzen Mannes, der sich in die Häuser schleicht, in dem er drei Mal klopft, und die Bewohner so lange terrorisiert, bis sie durchdrehen. Samuel schläft in der folgenden Nacht nicht. Auch Amelie kämpft mental heftig mit dem Babadook. Schliesslich zerreisst sie das Buch und wirft es in den Müll. Am folgenden Morgen liegt es vor der Tür. Nicht heil, aber repariert. Ab jetzt scheint im Haus etwas nicht mehr zu stimmen. Amelie verändert sich in ihrem Wesen, hört Geräusche und glaubt die Ursache schon schnell erkannt zu haben. Der Babadook ist im Haus. 

 

Was steckt hinter dem Babadook?

 

Das Böse im eigenen Haus, an jenem Ort, an dem man sich komplett sicher fühlen sollte. Ein Klassiker. Viel mehr zeigt der australische Film «The Babadook» nicht, aber das genügt. Denn der Film funktioniert im Kopf des Zuschauers. Mit feinen Elementen, wie einer knarrenden Tür oder den vor Panik geweiteten Augen des Jungen – brillantes Spiel von Jungschauspieler Noah Wiseman - wird das Böse hier subtil zum Leben erweckt. Der Film verzichtet weitestgehend auf übertriebene Special Effects, sondern konzentriert sich auf eine langsame und sehr geschickte Narration. So reagiert Amelia auf ihr gesamtes Umfeld abweisend und igelt sich komplett ein, anstatt sich Hilfe zu holen. Das funktioniert sehr gut, weil man so den beiden Hauptfiguren näher kommt und mit ihnen im selbst aufgebauten Mikrokosmos leidet. Nicht nur, wegen der unterschwelligen bösen Manifestation im Haus, sondern einfach weil Mutter und Sohn einsam sind. Aber irgendetwas ist präsent und je aussichtsloser die Situation wird, desto mehr hofft man, das Amelia und Samuel nichts passiert. 

 

Wer ist hier nun das Monster? 

 

Regisseurin Jennifer Kent spielt sehr geschickt mit den Erwartungen. In jeder dunklen Ecke vermutet man ein Monster, dabei wirken bei «The Babadook» die schlimmsten Monster auf der Metaebene. Es ist das Leben und es sind die Menschen, die damit verbunden sind. Das alte Haus, voller Schatten und dunkler Farben, unterstreicht den Horror noch zusätzlich. Die wenigen Gerne-Momente sind teilweise surreal inszeniert  und wirken wirklich wie die Animationen im Kinderbuch, das die ganze Geschichte auslöst. Geschickt manipuliert der Film den Zuschauer, indem zwei Lösungsansätze präsentiert werden. Eine stellt Samuel dar und die andere verkörpert Amelia. Auf welche Interpretation man sich einlässt, bleibt dem Zuschauer selbst überlassen. Beide sind auf ihre Weise befriedigend und unterstreichen die subtile Erzählung von «The Babadook» auf stimmige Weise. Aber Vorsicht, wenn es hallt: «Dook, Dook, Dook»

 

Der Babadook jagt einem mehr als einen Schauer über den Rücken. Fans von Horror mit Anspruch werden bei dieser Fantasy-Figur auf ihre Kosten kommen. Oder steckt doch mehr dahinter? Dook, Dook, Dook.

 

  • Der Babadook (Australien/Kanada 2014)
  • Regie & Drehbuch: Jennifer Kent
  • Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Hayley McElhinney, Daniel Henshall
  • Laufzeit: ca. 94 Minuten
  • Verkaufsstart: 18. September 2015  

 

Patrick Holenstein / Mo, 14. Sep 2015