Vorsicht, Snowball!
Skandalfilm oder nicht? Sicher ist, dass «The Hunt» für Universal Pictures Marketinggold bedeutete – ohne viel dafür zu tun. Was war passiert? Die Prämisse des Films passt auf einen Post It-Zettel. Eine Gruppe elitärer, reicher Frauen und Männer entführt eine Handvoll Internettrolle und Verschwörungstheoretiker auf einen Landsitz, genannt «The Manor», um sie nach allen (banalen) Regeln der Kunst abzuschlachten. Nun war die Story alleine schon genug, damit in den USA eine Kontroverse entstand. Das linke, liberale Hollywood würde gegen die Republikaner schiessen, hiess es. Mit im Boot war auch Highspeed-Twitterer und aktueller Präsident der USA Donald Trump, der den Film vorab verurteilte. Das Problem war nur, niemand hatte den Film gesehen. Man diskutierte und versuchte also einen Film zu stigmatisieren, den man nicht kennt. Eine klassische Bankrotterklärung für die «Kritiker» und wie eingangs erwähnt, für das Studio ein Glücksfall, weil der Film viel Aufmerksamkeit bekam.
Kein Film für Zartbesaitete
Was steckt jetzt aber wirklich hinter «The Hunt»? Der Film ist ein brutaler, blutiger und fieser Thriller, der durchaus Elemente aufgreift, die ihm im Vorfeld vorgeworfen wurden. Allerdings passiert das nicht unreflektiert und ohne darauf zu verzichten, beiden Seiten eine deftige Beule zu verpassen. Zu viel darf jedoch nicht verraten werden, um den Filmgenuss nicht zu verderben. Allerdings darf man nicht zu zartbesaitet sein.
Das ältere Ehepaar kann kein Wässerchen trüben. Oder doch? Das Märchen im Supermarkt. (© Universal Pictures Switzerland GmbH. All Rights Reserved.)
Die Satire ist handwerklich toll gemacht und pflegt einen rabenschwarzen Humor. Daneben spielt die feine Ebene der Symbolik mit. Belegen lässt sich das mit einem kleinen, aber unwichtigen Spoiler. Wenn die Gejagte Snowball (Betty Gilpin, «Glow») in einem Supermarkt von einem nett wirkenden Ehepaar angegriffen wird, erklingt im Hintergrund der Song «Fairytale In The Supermarkt» von The Raincoats. Oder wenn kurz zuvor im gleichen Supermarkt die Jägerin ihren Mann vom Trinken einer Limo abhält, er fragt, ob sie vergiftet denn sei und sie nur meint, es sei viel zu viel Zucker drin.
Drohnen, Präzisionsgewehre, Tretminen und andere Spielzeuge
«The Hunt» funktioniert auf ziemlich allen Ebenen wunderbar, weil er sich keine endlose Schlaufe leistet, sondern die Story zügig und kompromisslos erzählt. Elf Menschen fliehen vor einer kleinen Gruppe aus technisch hochmodern ausgestatteten Jägerinnen und Jägern mit Drohnen, Präzisionsgewehre, Tretminen und weiteren Spielzeuge. So unfair läuft das Spiel ab. Und trotzdem steckt mehr in der cleveren Gesellschaftssatire, die durchaus den Zeitgeist einfängt, aber auch das Verhalten im Internet beidseitig aufgreift. Die Moral des Films könnte durchaus sein: Vorsichtig damit, was man im Internet postet. Es könnte Konsequenten haben. Und das darf sich Präsi Trump durchaus zu Herzen nehmen.
«The Hunt» ist blutig und fies, aber er trifft einen Nerv der Zeit.
- The Hunt (USA 2019)
- Regie: Craig Zobel
- Besetzung: Emma Roberts, Justin Hartley, Betty Gilpin, Glenn Howerton, Ike Barinholtz, Amy Madigan, Wayne Duvall, Hannah Alline, Steve Coulter
- Laufzeit: ca. 90 Minuten
- Im Handel ab 3. September 2020