Oma gibt Gas

Moviekritik: Thelma
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© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.

 

Thelma (June Squibb) ist 93 Jahre alt und lebt seit dem Tod ihres Mannes allein in ihrem Haus. Sie hat eine enge Beziehung zu ihrem Enkel Danny (Fred Hechinger), der sie regelmässig besucht und ihr bei technischen Problemen hilft. Deshalb ist Thelma sehr bestürzt als sie eines Tages einen Anruf von Danny erhält, indem er sie um 10’000 Dollar für seinen Anwalt bittet. Danny sei in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen und müsse eine Kaution bezahlen, um freizukommen. Ohne zu hinterfragen, sendet Thelma das Geld in bar an die gewünschte Adresse, nur um im Nachhinein festzustellen, dass sie auf Trickbetrügern hereingefallen ist.

 

June Squibb gab ihr Filmdebüt mit 61 Jahren in Woody Allens Liebesfilm «Alice». Danach folgten zahlreiche Auftritte in Kinofilmen und Serien. Am 6. November feiert Squibb ihren 95. Geburtstag, sie wurde deshalb von Regisseur Josh Margolin in Thelma altersgerecht besetzt.  Margolins eigene Grossmutter inspirierte den Regisseur zu seinem Spielfilmdebüt. Diese wurde nämlich auch Opfer von Trickbetrügern. Diesem Erlebnis widmet Margolin eine Tom-Cruise-würdige Verfilmung. Im Film selbst sehen sich Thelma und Danny einen «Mission Impossible»-Film an, der für Thelma grad zur Inspiration wird. Sie möchte - ähnlich wie Tom - die Trickbetrüger zur Strecke bringen.

 

Oma does not look back at explosions. (© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.)

 

 

 «Thelma» ist sehr liebevoll gemacht. Die Chemie zwischen Oma Thelma und Enkel Danny stimmt. Es ist klar, dass beide - ohne viel nachzudenken - sofort alles für den anderen tun würden. Die Entwicklung von der betrogenen Oma, hin zum Actionstar nimmt man Squibb ebenfalls mühelos ab. Das liegt insbesondere daran, dass Margolin die handwerklichen Konventionen des Actionfilms konsequent zuhanden Squibb einsetzt. So ist eine Verfolgungsjagd auf elektronischen Rollatoren - mit den richtigen Kameraeinstellungen und der passenden Hintergrundmusik - Cruise-würdig umgesetzt. Geräte, die Thelma schützen sollten, wie beispielsweise ein Peilsender, der im Falle eines Sturzes losgeht, werden auf Thelma’s Rachezug geschickt umfunktioniert.

 

Neben des grossen Einfallsreichtums sowie dem herzlichen Humor, punktet der Film auch auf tieferen Ebenen. Thelmas Ideen und Tatendrang werden immer wieder durch ihre körperliche Verfassung ausgebremst. In einer Szene fällt sie zu Boden und kann aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen. Momente wie diese sind schmerzhaft anzusehen, weil so viel Lebensfreude, so viel Energie in diesem Körper steckt, der nicht mehr mithalten kann. Wie sehr der körperliche Zerfall und die dadurch verbundene permanente Abhängigkeit zur Umwelt sich auf das Gemüt von älteren Menschen schlägt, sowie die immer grösser werdende Einsamkeit, all diese Themen werden schnörkellos angesprochen. In dieser Hinsicht ist Thelma ein unglaublich berührender Film darüber, was es heisst alt zu sein. 

 

Schnappt euch eure Oma, euren Opa und verbringt 99 aussergewöhnliche Minuten mit ihnen. Ihr werden danach ein garantiert viel besseres Verständnis voneinander haben. 

 

  • Thelma (2024, USA)
  • Regie und Drehbuch: Josh Margolin
  • Besetzung: June Squibb, Fred Hechinger, Clark Gregg, Malcom McDowell
  • Dauer: 99 Minuten
  • Kinostart: 17. Oktober 2024

 

Tanja Lipak / Sa, 19. Okt 2024