Im Licht gebadet
Vom 10. Februar bis zum 04. Juni 2023 sind im Rijksmuseum Amsterdam Bilder des Barock-Malers Johannes Vermeer ausgestellt. Die 28 Gemälde, fast das gesamte erhaltene Werk des Malers, zeigen alltägliche Szenen aus dem 17. Jahrhundert. Gregor J.M. Weber, Kurator und Vermeer-Experte, erzählt im Dokumentarfilm «Close to Vermeer», wie es zur Ausstellung der Superlative kam.
Gregor J.M. Weber begutachtet die Textur der Farbe. (Bildquelle: Dok.fest München, zVg)
«Die Gemälde des Künstlers versetzen dich als Betrachter in diese andere Welt.» Wenn Gregor J.M. Weber von Vermeers Werk spricht, gerät er ins Schwärmen. Der passionierte Kunsthistoriker weiss, was eine gute Ausstellung ausmacht. Und er setzt die Gemälde des holländischen Malers, gemeinsam mit anderen Experten im Rijksmuseum, entsprechend in Szene. Jedes Gemälde wird wissenschaftlich untersucht, erhält dann seinen bestimmten Platz, wird präzise ausgeleuchtet und beschriftet. In hohen Räumen, umgeben von dunklen Samtvorhängen, werden jeweils ein bis drei Exponate gezeigt.
Eine lückenhafte Biografie
Vieles ist nicht bekannt über den Maler aus Delft. Während von anderen Barock-Künstlern, wie Rembrandt beispielsweise, einige Selbstporträts erhalten sind, wird über das Aussehen von Vermeer bis heute gerätselt. Auch Hintergründe zu seiner Lehrzeit bei einem Meister fehlen. Verarmt und krank, verstarben er jung, mit 43 Jahren. Umso geheimnisvoller erscheinen die Werke des Künstlers, die so viele Sammler rund um die Welt in Staunen versetzen. Bis zur Ausstellung in Amsterdam waren noch nie so viele Gemälde in einem einzigen Museum vereint. Aus sieben Ländern wurden die Kostbarkeiten aus Museen und Sammlungen, eigens für die grosse Werkschau, nach Holland gebracht.
Licht, Komposition, Perspektive
In einer kleinen Ecken eines Raumes, die Vermeer auf eine Leinwand malte, erschuf er ganze Universen. Die gemalten Szenen erscheinen so lebendig, dass der Betrachter sich mittendrin wähnt. Im Film erlauben es gelegentliche langsame, sehr nahe Kamerafahrten entlang einer Leinwand, unzählige Details zu erkennen, welche die Bilder so reichhaltig machen. Wie kein anderer seiner Zeit, verstand sich Vermeer darauf, mit Farbe und Licht umzugehen. Seine Maltechnik, die er stetig weiter entwickelte, brachte immer komplexerer Kompositionen hervor. Die Kunsthistoriker sind sich einig, dass er mit Spiegeln oder Linsen gearbeitet haben muss, um die speziellen Effekte zu sehen, die er auf der Leinwand wiedergab. Auch eine Camera obscura, ein Vorläufer der Fotokamera, wird er ab den späten 1650er Jahre verwendet haben, um genau zu beobachten, wie es sich mit Licht und Schatten verhält. Das Hilfsmittel könnte ihn auch dabei unterstützt haben, die Kompositionsausschnitte und Perspektiven, die er schliesslich malte, auszuwählen.
Die Konservatorin Abbie Vandivere vor «Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge». (Bildquelle: Dok.fest München, zVg)
Eines der populärsten Gemälde des Künstlers, Gegenstand unzähliger wissenschaftlicher Arbeiten und auch Hauptmotiv des Spielfilms «Girl with a Pearl Earring» von Peter Webber, ist ebenfalls im Rijksmuseum zu sehen. Wer war diese junge Frau, die den Betrachter, halb abgewandt, anlächelt? Trotz oder gerade aufgrund der absoluten Schlichtheit des Bildes, wird der Betrachter augenblicklich eingeladen, sich näher darauf einzulassen. Vermeer war auch ein Geschichtenerzähler und Frauen spielten darin eine zentrale Rolle. «Die Schönheit der ersten beiden Gemälde, die ich als Schuljunge in der National Gallery in London mit eigenen Augen sah – «Stehende Virginalspielerin» und «Sitzende Virginalspielerin» – haben mich schlicht überwältigt.» Diese Ergriffenheit begleitet den Wissenschaftler Gregor J.M. Weber bis heute.
«Close to Vermeer» ist ein wahrer Lichtblick und Trost für alle, die keine Eintrittskarte ins Rijksmuseum in Amsterdam erstehen konnten. Die 450 000 Eintrittskarte waren im Nu ausverkauft. Wer in Vermeers geheimnisvolles Werk eintauchen möchte, dem sei der gleichermassen ästhetische wie gehaltvolle Dokumentarfilm von Suzanne Raes sehr ans Herz gelegt.
- Close to Vermeer (Holland, 2023)
- Regie: Suzanne Raes
- Produktion: Docmakers, NTR, NTR Television
- Laufzeit: 78 Minuten
- Kinostart: n.a.
- Quellenangaben:
- Biemond, Dirk Jan et al. (2010): Vermeer, die Malkunst: Spurensicherung an einem Meisterwerk: eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien = Vermeer, „the art of painting“: scrutiny of a picture: with English translations of the essays: Kunsthistorisches Museum, 26. Januar bis 25. April 2010, St. Pölten: Salzburg: Residenz Verlag
- Liedtke Walter (1912): Vermeer: The Complete Paintings, Harry N Abrams Inc, New York
- Vermeer Johannes (1995): Johannes Vermeer. National Gallery of Art, Washington, 12. November 1995 - 11. Februar 1996; [und weitere Stationen], Zwolle, Uitgerverij Waanders, Zwolle, Niederlande
Der Film wird im Rahmen des Dok.fest München gezeigt.