Hinter den Türen der Frauentoilette

Verlosung / DVD-Kritik: Powder Room
Bildquelle: 
Universal Pictures © Bowen Ames

Es zählt vielleicht zu den grossen Mysterien der Soziokultur in den Clubs. Was passiert auf der Damentoilette? Welche Geheimnisse werden den Schmierereien an der Wand anvertraut und welche shakespearischen Dramen könnte man verfolgen, wenn es möglich wäre, als Spinne mitzuhören? Eine Antwort gibt der britische Film «Powder Room», denn der spielt sich zu grossen Teilen auf der Damentoilette eines x-beliebigen Clubs ab. 

 

Bild 1: Sam mit Jess und Michelle an der Bar. Da ist die Welt noch in Ordnung, doch Sams beste Freundinnen (Bild 2) sorgen für ordentlich Chaos. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Sam (Sheridan Smith, «Quartet») steckt in der Zwickmühle. Eigentlich hat sie mir ihrer alten Schulfreundin Michelle (Pop-Sängerin Kate Nash) abgemacht. Diese ist vor Jahren nach Paris ausgewandert, modelt und ist erfolgreich. Dabei hat sie Jess (Oona Chaplin, «Game of Thrones»), die verzickte Pariserin und neue beste Freundin. Die wirken perfekt. Sam fühlt sich eingeschüchtert und erfindet guten Job und heissen Freund. Zu allem Überfluss platzen Chanel (Jaime Winstone), Paige (Riann Steele) und Saskia (Sarah Hoare), Sams Freundinnen, in den Club und sorgen für viel Unheil. Das geht vom Drogentrip über Sex bis zur blutigen Nase. Zwischen dem Chaos muss Sam versuchen ihre erlogene Vita aufrecht zu erhalten. Das gelingt ihr lange Zeit ziemlich gut, aber dann muss sie sich mit ihrem Leben auseinandersetzen und sich klar werden, wer sie ist und was sie will. 

 

«Wenn du schon am Boden liegt, dann haut dir das Leben genüsslich noch eine rein.» So könnte der Slogan für Sam in dieser Nacht lauten. Denn sie bekommt die volle Wucht der Konsequenzen aller Beteiligten ab. Dabei will sie doch nur Spass. So entstehen allerlei schräge und amüsante Situationen und – herrlich gespielt – die Toilettenfrau beobachtet alles mit einem mürrischen Grummeln, aber heimlich mit diebischem Vergnügen. «Powder Room» basiert auf dem Stück «When Woman Wee» von Rachel Hirons, die auch das Drehbuch schrieb. 

 

 Bild 1: Immer wieder landet Sam im Powder Room, wo (Bild 2) schon mal etwas Parfüm nachgesprüht wird.  

 

Narrativ hangelt sich der Film von Katastrophe zu Katastrophe und macht mal viel Spass und mal weniger, lässt einen in gewissen Szenen heftig fremdschämen, aber in anderen auch wieder verständnisvoll nicken. Sehr gelungen sind auf der visuellen Ebene die kurzen Sequenzen, in denen die Personen eingeführt werden. Auf Betonwänden oder Autotüren werden Fakten in Neonschrift projiziert. Zusätzlich scheint das Geschmiere auf den Wänden der WC-Kabinen irgendwie ironisch das Geschehen zu kommentieren. Wenn Sam frustriert und mir verschmiertem Make-up in auf der Toilette sitzt und neben ihr ein mit feinem Stift geschriebenes «Shit happend» steht, spricht das Bände. Leider will M.J. Delaney mit ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm aber etwas zu viel, weckt zum Teil sogar das Gefühl, dass sie nach dem Kultfilm «Trainspotting» strebt. Das gelingt definitiv nicht. Nichtsdestotrotz ist «Powder Room» ein unterhaltsamer Film, der ein wenig mit dem Mysterium der Damentoilette spielt und dabei von einem Schauspielensemble um Kate Nash, Sheridan Smith und der Tochter von Geraldine Chaplin, Oona Chaplin, getragen wird.

 

Patrick Holenstein / Di, 08. Apr 2014