Ein Schreck im Kornfeld
Grundlage für den Film bildeten die drei Kurzgeschichtensammlungen von US-Autor Alvin Schwartz. Diese zwischen 1981 und 1991 veröffentlichten Bände enthielten Gruselgeschichten für eine explizit jüngere Leserschaft, welche meist demselben Schema folgten: Jemand verirrt sich an einen düsteren Ort, wird verfolgt und am Ende von einem Monster verschleppt. Und aus diesem Sammelsurium bastelte der norwegische Regisseur und Drehbuchautor André Orvedal nun einen – wie Co-Produzent Guillermo del Toro es treffend nannte – «netten Familienhorrofilm».
Dabei wurden mehrere Geschichten von Schwartz in eine Rahmenhandlung eingebunden. In den späten Sechzigerjahren begeht eine Gruppe aus Teenagern Halloween und verirrt sich in eine zerfallene Villa, wo sie ein altes Buch aufstöbert. Dieses enthält mit Blut geschriebene Horrormärchen, welche das Schicksal einiger der Hauptfiguren besiegeln werden. Quasi selbsterfüllende Prophezeiungen, die sich meist im gleichen Augenblick von selbst schreiben, da sie im echten Leben wahr werden.
Die Wahl der Schauspieler und das Erscheinungsbild des Films können sich sehen lassen. Die Figuren sind gerade glaubwürdig genug gezeichnet. Allerdings kann man sich kaum erklären, wieso diese Teenager überhaupt befreundet sein sollten. Auch kommen die Sechziger gut rüber, wobei der entsprechende Filter nicht selten übertrieben wirkt. Gerade die Verfolgungsjagden sorgen gelegentlich für etwas Gänsehaut, doch hievt der Film die inflationäre Verwendung von vorhersehbaren Schreckmomenten auf ein neues, sehr nerviges Level. Und das ist erst der Anfang der Probleme.
Risse im Flickwerk
Leider liessen die Macher jede Liebe zum Detail vermissen. Da wechseln Figuren mitten in der Handlung ohne Erklärung die Kleidung. Da wird ein Objekt beschädigt, wie es mit den vorhandenen Mitteln niemals möglich gewesen wäre. Besonders der Kern der Geschichte – das Schicksal des eingesperrten Mädchens – macht bei näherer Betrachtung absolut keinen Sinn. Richtig lächerlich wird es dann bei jener Entscheidung, die eine der Hauptfiguren zum Ende des Films trifft, denn diese steht im krassen Kontrast zu den ganzen Hakenkreuzen und Medienberichten, welche quer über den Film verstreut wurden.
Es bleibt bei einem ästhetischen Flickwerk aus mittelmässigen Märchen, das von den Darbietungen der Cast gerade so zusammengehalten wird. Es hätte «Scary Stories» gutgetan, die Beziehung zwischen Stella und ihrem Vater etwas herauszuarbeiten. So kommt der grandiose Dean Norris kaum zum Einsatz. Stattdessen folgt auch dieser Streifen – wie die meisten Horrorfilme unserer Tage – zu keiner Zeit den eigenen Spielregeln. Wie gesagt, ein netter Horrorfilm, wenn auch nicht unbedingt für die ganze Familie. Wer über zwanzig ist, und keine der Bücher von Schwartz gelesen hat, der warte lieber darauf, dass «The Room» mit Olga Kurylenko endlich in die Schweizer Kinos kommt – ein kleines Meisterwerk, das fast alles richtigmacht.
Optisch ein Leckerbissen, aber inhaltlich leider unausgereifte Fliessbandware, die lieber mit einer Fortsetzung liebäugelt, als sich diese tatsächlich zu verdienen.
- Scary Stories to Tell in the Dark / USA 2019
- Regie: André Orvedal
- Besetzung: Zoe Margaret Colletti, Michael Garza, Dean Norris, Gill Bellows u.a.
- Laufzeit: 108 Minuten
- Schweizer Kinostart: 24. Oktober 2019