Augen zu und durch
Murphys Gesetz halt. Wenn etwas schief geht, dann aber so richtig. Eine junge Band tingelt für einen Gig quer durch das Land. Da der Veranstalter aber so jung wie verblödet ist, wird aus dem Gig nichts. Natürlich auch nicht aus der Gage. Absagen ging auch vergessen. Spontan improvisiert der Vollpfosten von Booker aber dann doch noch einen Gig. Doch der Auftritt ist in einem Lokal, das von Neo-Nazis betrieben wird. Nicht gerade der bestes Schuppen für eine Punkband. Dumm gelaufen. Als dann aber auch noch eine Frau erstochen wird und die Band unfreiwillig Zeuge wird, ist sie plötzlich Freiwild. In einem Raum ohne Ausgang verschanzt sich das Quartett zusammen mit einer Konzertbesucherin, die irgendwie nicht zu den Nazis zu gehören scheint, und jetzt geht es wortwörtlich um Leben und Tod, denn die Nazis und ihr Anführer (brillant gespielt von Patrick Stewart) wollen nicht, dass irgendjemand vom Zwischenfall erfährt. Die Zeugen müssen also weg.
Das alte Spiel: gut gegen böse
Der Plot ist einfach gestrickt, funktioniert aber wunderbar. Es ist das alte Spiel von gut gegen böse, Mensch gegen Mensch, und es besteht nie Zweifel, wer zu welcher Seite gehört. Ausser vielleicht bei der Figur von Imogen Poots. Sie spielt die junge Frau, die zufällig mit der Band eingeschlossen ist und von der man als Zuschauer nie so genau weiss, ob sie Spionin oder doch nur opportunistisch ist. Aber das tut dem Film sehr gut und dreht nochmals kräftig an der Spannungsschraube. Neben Poots fällt Anton Yelchin auf. Den Schauspieler kennt man sonst als «Chekov» aus dem Reboot von «Star Trek». Leider ist er vor ein paar Monaten bei einem unglücklichen Unfall verstorben. Aber in «Green Room» zeigt er, wie wandlungsfähig er als Vorzeigepunk und ruhigem Pol in der Gruppe ist. Zwar ist «Green Room» nicht der letzte Film von Yelchin, aber er wird wichtig für sein Vermächtnis werden.
Die Situation ist plötzlich deutlich bleihaltiger. (© Praesens-Film)
Stilistisch erfüllt «Green Room» mühelos die Erwartungen. Erdige Farben, ein dunkler Club, brutal und konsequent inszeniert und stylisch gefilmte Bilder. Gut zu sehen an der Stilstudie während des Konzerts, bei der die Tonspur radikal zurückgefahren wird und so die Bilder zusätzlich unterstrichen werden. Dazu kommt ein derber Humor, viel Sarkasmus im Spiel mit den Stereotypen und die schreckliche Mähne von Imogen Poots. Nicht zu vergessen, die Mitläufer der Bösen, denen man die Blödheit von Weitem ansieht. Nur der Anführer der Nazis agiert clever und überlegt. Klar, man jongliert mit den Klischees, aber die Macher sind sich dessen bewusst und umgehen geschickt die drohenden Fallen. Und abschiessend schwebt über der ganzen Geschichte ein cooler Soundtrack.
Regisseur Jeremy Saulnier gelingt nach «Blue Ruin» erneut ein sehenswerter Film. Wunderbar, wie er Patrick «Captain Picard» Stewart als tiefböser Nazi, Imogen Poots als Konzertbesucherin und Anton Yelchin als Neo-Racheengel stilsicher durch den Film dirigiert.
«Green Room» ist ein kleiner, aber bissiger Genre-Bastard, der kompromisslos und gleichzeitig ironisch ist. Patrick Stewart spielt den Obernazi pickelhart und ohne mit der Wimper zu zucken.
- Green Room (USA 2015)
- Regie: Jeremy Saulnier
- Besetzung: Anton Yelchin, Imogen Poots, Patrick Stewart
- Laufzeit ca. 95 Minuten
- Veröffentlichung: 5. Oktober 2016