Ben Foster: Ein Teil dieses Jobs ist die Selbsttäuschung.
Ben Foster spielt aktuell in «The Program» die Radlegende Lance Armstrong. Bekanntlich hat der sich in die Geschichtsbücher gestrampelt, gleichzeitig aber auch durch Doping-Missbrauch eine Aura um seine Person geschaffen, die viele Sportfans spaltet. Wiegen die sportlichen Erfolge höher als der Missgriff zu leistungsteigernden Präparaten? Bäckstage konnte Ben Foster am Zurich Film Festival treffen und ihn fragen, wie er Armstrong sieht und wie er an die Rolle herangegangen ist. Die Kritik zum Film gibt es hier.
In Anbetracht der Rücksichtslosigkeit, mit der er seine Straftaten beging, gibt es Züge, die Sie an Lance Armstrong bewundern?
Ben Foster: Da gibt es eine Menge zu bewundern. Meiner Meinung nach hat es nur wenige Arbeitstiere mit einem solch starken Willen gegeben, die diesen Planeten beehrt haben. Er ist ein Mann, der nicht weiss, wie man aufhört. Besässe ich eine Armee, würde ich wollen, dass er diese anführt. Dies ist ein Mann, der dem Tod ins Gesicht geschaut hat, sich nicht unterkriegen liess, sondern durch Glück und einen medizinischen Kraftakt überlebt hat. Und anstatt sich einfach nur mit dem Überleben zufrieden zu geben, schritt er zur Tat. Er kehrte zurück und gewann die Tour siebenmal. Er hat eine halbe Milliarde für die Krebsforschung gesammelt. Das ist einfach überlebensgross. Ich denke es geht nicht um die Frage, ob seine Taten entschuldbar sind. Man kann einen Mann nicht darauf reduzieren, in einer Kultur des Lügens beim Lügen erwischt worden zu sein.
Unterscheidet sich für Sie als Schauspieler die Darstellung einer real existierenden Person im Vergleich zu einer fiktiven Figur?
Gewiss. Er hat Kinder. Er hat Freunde … eine Lebenspartnerin.
Denken Sie an diese Dinge, wenn Sie sich für eine Rolle vorbereiten?
Ich versuche, nicht daran zu denken. Nicht weil ich es verdrängen möchte, sondern weil ich ansonsten derart in den Würgegriff der Angst geriete, dass ich kaum mehr arbeiten könnte. Daher ist ein Teil dieses Jobs die Selbsttäuschung. Und dann geht es darum, wie effizient man seine Zeit einteilen kann. Wie viel Energie kann und möchte man für die Recherche aufwenden, ohne sich zu sorgen?
Profiradfahrer haben eine ganz bestimmte körperliche Verfassung. Diese erlangt man nur durch jahrelanges Training. Aber den Luxus einer solchen Zeitspanne können wir Schauspieler uns für gewöhnlich nicht leisten.
Da Sie Lance Armstrong im Film so unglaublich ähnlich sehen, denken Sie, dass es lange gedauert hat, bis die Macher Sie in Erwägung zogen?
Fragen Sie Stephen (Frears, der Regisseur). Er rief mich an und erkundigte sich, wieviel ich über Lance weiss. Ich sagte nur sehr wenig. Da meinte er, dass ihnen noch kein Script vorläge und bat mich, verfügbar zu bleiben.
Sind Sie privat Velofahrer?
Nein. Nicht mehr. Irgendwann wieder. Ich erlernte das Velofahren für den Film, und als die Dreharbeiten vorüber waren, habe ich alle Velos aus meinem Blickfeld entfernt. Ich muss noch immer hysterisch schluchzen, wenn ich welche auf der Strasse sehe.
War es also sehr anstrengend, die physische Form Ihrer Filmfigur zu erlangen?
Profiradfahrer haben eine ganz bestimmte körperliche Verfassung. Diese erlangt man nur durch jahrelanges Training. Aber den Luxus einer solchen Zeitspanne können wir Schauspieler uns für gewöhnlich nicht leisten. Mir blieben bloss sechs Wochen für die Vorbereitung. Und ich verspüre ich nicht den Drang, in absehbarer Zeit wieder auf ein Velo zu steigen.
- «The Program« läuft seit 8. Oktober in den Schweizer Kinos.