Daniel Brühl: Er ist ein wenig wie Doktor Frankenstein
Anlässlich der Premiere von «My Zoe» am Zurich Film Festival, packten wir die Chance für ein Gespräch mit Daniel Brühl. Der Darsteller sprach offen über seine Kollegin und Regisseurin Julie Delpy, seine Haltung zum Klonen, was ihn dazu inspirierte, Darsteller zu werden und über die Freundschaft am Serien-Set mit Dakota Fanning und Luke Evans.
Der Film wäre fast geplatzt, als der ursprüngliche koreanische Produzent abgesprungen ist. Dann bist du ins Spiel gekommen und hast den Film schlussendlich produziert.
Ich habe mir gestern auf die Schultern geklopft, als Julie gestern meinte, dass ich den Film gerettet habe (lacht). Dies klingt so dramatisch. Vielleicht ist es aber ein bisschen so. Das macht mich sehr stolz. Ich bin ein grosser Fan von Julie. Wir sind schon sehr lange befreundet und haben viel zusammengearbeitet. Und ich war sehr begeistert vom Stoff und konnte nicht verstehen, wieso gewisse Idioten nicht daran glaubten. Ich war gerade in einer Phase in meinem Leben, in der ich wusste, dass ich produzieren möchte, aber noch nicht den richtigen Stoff fand. Und das eine führte zum anderen.
Aber am Set musstest du als Schauspieler dann schon das machen, was Julie sagte, auch wenn du zugleich der Produzent warst?
Ja klar. Julie hat die Hosen an. Sie ist echt voll die Chefin. Ich habe wenig zu melden gehabt (lacht). Es ging recht gut. Ähnlich wie Julie und andere Darsteller werde ich bspw. auch mal in den Regiestuhl wechseln und diese Rollenaufteilungssache besser kennenlernen, aber das ist ein anderes Thema. Nächstes Jahr wird heftig, wenn ich dies dann bei mir umsetzen muss mit Regie und Darstellung. Wie das Julie alles gemeistert hat, ist mir schleierhaft. Wie du im Film gesehen hast, ist sie ist eine echte Tour de Force. Es ist schon schwer genug, diesen schweren Part der Mutter zu spielen, aber dann noch nach jeder Szene die Leistung der anderen und sich selbst anschauen und Kameraanweisungen zu geben. Und das Drehbuch, welches sie über Jahre geschrieben hat, das geht mir schon sehr nah. Man hat es Julie auch angesehen wie viel Kraft es gekostet hat, sie war am Ende der Dreharbeiten so richtig durch.
Du bist selbst Vater. Wie sehr ging die die Story an die Substanz?
Ich kenne Julie wie gesagt schon recht lange und ich weiss meistens an was sie gerade arbeitet, ausser bei dieser Story. An der schreib sie seit Jahren, aber wirklich darüber geredet hat sie nicht. Einmal trafen wir uns in L.A. zum Kaffee, sie reichte mir das Drehbuch rüber und sagte, ich solle es mal lesen. Zunächst habe ich mir nicht viel dabei gedacht und plötzlich fing ich an zu heulen. Was mir normalerweise nicht passiert, ich bin nicht so nah am Wasser gebaut. Es war zu der Zeit als meine Frau schwanger war, wir auf unseren ersten Sohn gewartet haben und in der Situation hat mich dies noch mehr umgehauen. Und zugleich war ich sofort angetan von dieser nachvollziehbaren Verrücktheit dieser Idee, welche die Protagonistin ausheckt. Diese Aussage, man will kein anderes Kind, sondern genau das gleiche, welches einem weggenommen wurde. Man fragt sich unmittelbar wie man selbst agieren würde in solch einer Situation.
Was ist deine Meinung dazu?
Die Frage ist, was ist in 100 Jahren oder halt noch viel schneller … alles möglich? Was ist, wenn sich die Werte der Menschen nochmals verschoben haben? So wie ich aufgewachsen bin, ist die Vorstellung eines Klons ein Horrorgedanke. Ich möchte keinen Klon meines Sohnes haben wollen. Ich bin mir sicher, dass es wissenschaftlich in ein paar Jahren sicher möglich wäre. Und dann hat es mich interessiert, eine Figur zu spielen, die ein wenig ambivalent ist. Er ist ein wenig wie Doktor Frankenstein, ist angetrieben von wissenschaftlicher Neugierde und Innovation. Er möchte der Erste in seinem Fach sein, dem der Klon gelingt. Man sieht aber auch, dass er hadert und seine Bedenken hat. Juli hat mir im Rahmen der Vorbereitungen sehr viel Material besorgt, um zu zeigen was alles schon getan wird. Und mich hat dies schon ein wenig an «Black Mirror» erinnert. Es ist schon eine sehr fragwürdige Entwicklung, auf die wir zusteuern. Ich hoffe, das sich die Wogen aber wieder glätten werden, wenn mein Sohn grösser wird.
Der klont dann vielleicht dich.
Um Gottes Willen (lacht).
Ich bin wie gesagt immer noch fasziniert drüber, wie Julie so einen starken Stoff durchbekommt, mit der Doppelbelastung.
Im Film gibt es eine Szene in der Fruchtbarkeitsklinik deiner Figur. Wir sehen Frauen über 50 und schwanger. Wie denkst du über diese Ungerechtigkeit nach? Bei Frauen tickt die Uhr, bei Männern nicht.
Ja, wie bei Mick Jagger (lacht). Naja, ich bin sehr gespannt, wie die Leute auf diesen Film reagieren werden. Dies ist insbesondere natürlich Julies Perspektive und es ist eine andere Geschichte, die sie da erzählt. Für sie ist der Sorgerechtsstreit um das gemeinsame Kind, der Kampf um das gemeinsame Kind ein starkes Thema. Das war gestern sehr spannend in den Doppelinterviews mit Julie, ich wurde bei dem Thema sehr leise und sie sehr laut. Viele ihrer Argumente kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist gut, dies einmal von einer Frau in ihrer ganzen Ehrlichkeit zu hören. Man denkt als Mann gar nicht so viel darüber nach, dass man in so vielen Dingen einen Vorteil hat.
Die ethische Frage, vor der wir stehen ist ja, soll alles das technisch möglich ist auch gemacht werden?
Das ist eine spannende Frage. Julie hat auch das Thema Herztransplantation aufgebracht und dieses IVF-Verfahren, dass meine Figur tätigt. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Beim Klonen geht es ja dann auch um die Seele, so wie wir über Jahrhunderte geprägt wurden, mit unserem Glauben und Werten. Dass wir Organe austauschen, ist ja schon der erste Schritt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir irgendwann zum Punkt kommen, wo die Hemmschwelle gar nicht mehr so gross sein wird. Am Drehbuch fand ich super, dass es nicht der spooky Science-Fiction-Film ist, sondern dass es dich reinzieht als «normales» Drama. Ich denke der Film ist perfekt, um ihn mit anderen Menschen anzuschauen und danach gemeinsam darüber zu diskutieren. Es regt zum Nachdenken an und genau über die Themen, auf die wir wohl bald eine Antwort brauchen und eine Meinung. Über Sorgerecht, über Trennung, über Ethik und Moral. Es war schön, mal etwas Gewagtes und Neues, Erfrischendes zu machen. Und häufig bekomme ich Bücher, bei denen ich sehr schnell weiss, was passiert und bei «My Zoe» ist genau dies nicht der Fall.
Du hast schon sehr viele Filme mit Julie gedreht, konntest du ihre Entwicklung als Regisseurin mitverfolgen?
Ich bin wie gesagt immer noch fasziniert drüber, wie sie so einen starken Stoff durchbekommt, mit der Doppelbelastung. Die anderen Sachen waren leichter. Obwohl wir auch einen Film gemacht haben, «Die Gräfin», der auch düster war, aber auf eine völlig andere Art und Weise. Es war ein Genrefilm. «My Zoe» hingegen ist sehr persönlich. Und ja, paranoid, neurotisch und obsessiv bleibt sie halt (lacht). Und durchgeknallt, das ist sie halt und war sie schon immer und das wird auch immer so sein.
Ich finde beide Welten total spannend, aber es ist halt wichtig das Kino am Leben zu erhalten. Deshalb, nur noch Fernsehen wäre Nichts für mich, ich bin mit Kino aufgewachsen.
Denkst du, es ist viel einfacher als Darsteller in den Regiestuhl zu wechseln, weil man die andere Seite gut kennt? Und ist man dadurch besser als Regisseure, die «nur» Regie machten?
Die paar Erfahrungen, die ich mit Leuten hatte, die auch Schauspielen, waren immer gut, tatsächlich. Da spricht man die gemeinsame Sprache und die wissen, wie sie mit einem kommunizieren sollen. Das hilft schon enorm und ich hoffe, das wird dann auch mir helfen. Aber ich darf nicht zu viel verraten. Wenn dies eine irrsinnig bereichernde Erfahrung von A-Z wird, werde ich nicht ausschliessen, es noch ein zweites Mal durchzuziehen. Aber ich habe einen grossen Respekt vor Regisseuren und der Zeit, mit der sie sich mit dem Stoff auseinandersetzen müssen.
Im Film geht es ja auch um Tabuthemen wie Trauer und Tod. Wie gehst du damit um?
Ich bin bestimmt auch ein guter Verdränger. Aber ich habe ein Umfeld - allen voran meine Frau die Psychologin ist –, da werden schon viele wichtige Dinge besprochen und verhandelt. Man weiss auch, dass es einem gut tut, über die Dinge zu sprechen, über die man im ersten Moment nicht sprechen kann. Sinnkrisen und das Alter, all diese Themen. Zum Glück habe ich Leute um mich herum, mit denen ich gut darüber reden kann. Es ist aber auch wichtig, dies auch im Film zu sehen. Manchmal ist es mir zu niedlich im Kino. Das sagt auch Julie über Amerika. Sie wollte einem Amerikaner die Rolle des Ex-Mannes geben und der Darsteller wollte ein wenig «netter» sein als Ex-Mann (lacht). Ein wenig scheisse, aber nicht zu sehr. Das kann mich auch manchmal schwer nerven, wenn ich das sehe.
Du drehst ja nicht nur Kinofilme, sondern bist auch in «The Alienist» als Seriendarsteller zu sehen. Wie empfindest du den Aufstieg der Streamingdienste?
Ich finde beide Welten total spannend, aber es ist halt wichtig das Kino am Leben zu erhalten. Deshalb, nur noch Fernsehen wäre Nichts für mich, ich bin mit Kino aufgewachsen. Kinofilme waren auch der Grund, warum ich überhaupt Schauspieler und Filmschauspieler werden wollte.
Und wie ist es so als Seriendarsteller, wenn man die Figur alle Jahre wieder spielt?
Sehr schön. Es ist eine Art Rückkehr und es bleibt ja trotzdem nicht alles gleich. Die Figur entwickelt sich von Staffel zu Staffel weiter, man selbst ja auch. Es kommen neuen Figuren in die Story rein. Aber auch die anderen Kollegen wie Luke und Dakota habe sich in den letzten Jahren verändert als Menschen. Wir machten zusammen gewisse Entwicklungen durch. Bei «The Alienist» ist sehr gut, dass wir wirklich dicke wurden, wir sind privat auch sehr gute Freunde geworden.
Und kannst du was zu «Kingsman» sagen?
Nein, sorry, das geht nicht. Du, die haben dort in England ganz grosse Gefängnisse, ich will dort nicht landen (lacht).
Aber du hast vielleicht den Schweizer Schauspieler Joel Basman kennengelernt?
Wir haben viel Zeit zusammen verbracht, der ist spitze! Das ist auch jetzt ein neuer Buddy von mir geworden. Jaja.