Die Filmlandschaft Schweiz – Eine Baustelle
In wenigen Wochen wird Kristen Stewart mit Juliette Binoche und Bruno Ganz in den Schweizer Bergen drehen. Doch internationale Filmdreharbeiten sind in der Schweiz nicht an der Tagesordnung. Keine oder wenige Parkplätze in Grossstädten, viele Interessenkonflikte durch den Kantönligeist und natürlich ist alles zu teuer: So wird die Filmlandschaft Schweiz wahrgenommen. Wie holt man trotzdem Filmdrehs in die Schweiz und sieht die Situation tatsächlich aus?
Damit die Schweiz attraktiv für ausländische Filmemacher ist, hat man in verschiedenen Schweizer Städten Massnahmen ergriffen. Beispielsweise in Zürich, wo 2011 das Film Office geschaffen wurde. Ziel ist es, eine Anlaufstelle für Filmcrews aus dem In- und Ausland zu schaffen, bei der sich alle Themen rund um die Rahmenbedingungen in der Stadt Zürich konzentrieren. Yves Bisang von der Stadt Zürich ist verantwortlich für das Film Office und sieht in erster Linie einen Vorteil: «Das Film Office bietet ein klares Gesicht, wenn man eine Frage hat, sich ein Problem ergibt oder man nicht weiterkommt mit dem Einholen von Bewilligungen. Aber natürlich wurde auch schon vorher in Zürich gedreht, ohne das Film Office.»
Zürich Tourismus versucht ausserdem auf die Vorzüge des Drehortes Zürich international aufmerksam zu machen, beispielsweise auf Messen oder bei Filmfestivals. «All dies reicht aber nicht, um Filmcrews gezielt nach Zürich zu holen», ist sich Bisang sicher. Die Politik müsste die Filmindustrie mehr unterstützen: «Wenn man möchte, dass Filme in der Schweiz gedreht werden, dann kommt man nicht darum herum, dass man das Interesse auf einer politischen Ebene verstärkt fördert. Dass die Fördertöpfe grösser werden, dass man konkurrieren kann mit anderen Standorten, was steuerliche Bedingungen anbelangt. Es braucht mehr Förderung, die Rahmenbedingungen müssen besser werden, gerade für internationale Produktionen.»
Die Schweiz – ein Gesamtpacket
Dieser Meinung ist auch Regula Begert. Die Aufnahmeleiterin ist verantwortlich für die Motivsuche bei diversen Schweizer Filmproduktionen (u.a. «Mein Name ist Eugen», «The Girl With The Dragon Tattoo» und «Das Missen Massaker»). Denn grundsätzlich hält sie die Filmlandschaft Schweiz nicht für unattraktiv: «Im Grunde wäre die Schweiz als Drehlandschaft extrem attraktiv, auch für internationale Produktionen. Weil man innert vier Stunden alles an Landschaften hat. Man kann im Tessin mit Palmen drehen und dann hat man aber auch Seen und Berge. Und wir sind logistisch super erschlossen. Aber dann müsste man sich schweizweit, also diese Organisationen (das Film Office Zürich und andere Stellen), zusammentun und das auch international so vermarkten. Man müsste ein einheitliches Bewilligungsverfahren schaffen und auf Produktionsebene Filmtechniker, Crews und Logistik anbieten.» Bis dies jedoch in der Schweiz der Falls sein wird, dauere es noch einige Jahre oder gar Jahrzehnte, ist sich Begert sicher. Trotzdem schätzt sie die Bemühungen, die Zürich oder auch Luzern bis jetzt unternommen haben, um ihren Standort attraktiver für Filmcrews zu machen.
Dennoch: Laut Begert hat man in der Schweiz die Bedürfnisse einer Filmcrew noch nicht wirklich erkannt oder verstanden. So gelange sie oft für Bewilligungen in grösseren Städten zur Abteilung für Veranstaltungen, die beispielsweise auch für Märkte Bewilligungen ausstellt. Eine Filmcrew mit einer Veranstaltung zu vergleichen macht wirklich wenig Sinn. «Ein Filmset ist eine Baustelle. Einfach eine, die nur kurz ist. Meistens drehen wir ein oder zwei Tage an einem Ort und nicht drei Wochen. Unsere Bedürfnisse sind eher die einer Baustelle als die einer Veranstaltung», erläutert Begert. Zwar ist man sich in der Schweiz keine grossen Hollywood-Produktionen gewohnt und vielerorts wären so riesige Filmsets auch gar nicht möglich. Trotzdem müsste man sich bewusst werden, dass es auch im Interesse der Wirtschaft wäre, Filmförderung in der Schweiz zu betreiben und auf die Bedürfnisse der Filmemacher einzugehen: «Man sollte den Leuten auch mal transparenter machen, dass die Filmwirtschaft eine wirtschaftliche Bedeutung hat. Was man in Zürich für Bewilligungen, Stromanschlüsse und so weiter ausgibt, das ist doch eine rechte Summe.» Und auch die Crews selbst. Die ganzen Leute müssen essen, trinken und wohnen für circa fünf, sechs Wochen. «Das ist ein Wirtschaftsfaktor», betont Begert.
Soft Money aus der Schweiz
Gerade weil eine Filmcrew viel Geld umsetzt, das nicht nur der Branche zugutekommt, liebäugelt Ivo Kummer vom Bundesamt für Kultur (BAK) auf ein bereits bestehendes Film-Finanzierungssystem aus Deutschland. Funktionieren würde dieses so: «Wenn man Ausgaben in der Schweiz generiert, würde man eine prozentuale Beteiligung erhalten. Das wären dann Wirtschaftsgelder, also wirklich Standortförderung. Und ich könnte mir vorstellen, dass man etwas Ähnliches in Zusammenarbeit mit dem Secco (Staatssekretariat für Wirtschaft) entwickelt.» Offenbar wird bereits über dieses Modell innerhalb der Branche diskutiert, aber schweizweite Steuerbegünstigungen sind schwierig, da die Steuerhoheit in der föderalistischen Schweiz bei den Kantonen liegt.
Auch der Leiter der Sektion Film des BAK wünscht sich grössere Fördertöpfe für die Filmschaffenden, jedoch spricht das Parlament die Gelder. In diesem Bezug sollten vor allem die Vertreter der Filmbranche entsprechend Lobbying betreiben. Ausserdem, wenn er die Schweiz mit anderen Ländern vergleiche, sei man hierzulande weniger streng bei der Verteilung der Gelder. «Bei uns gibt es das sogenannte «Soft Money», also leichtes Geld. Man ist zu keinen Rückzahlungen verpflichtet und wir können auch schon vor Drehbeginn Auszahlungen machen. Andere Länder geben das Geld erst am Schluss, so muss man eine Bank suchen, die die Dreharbeiten zwischenfinanzieren.» Von diesem Standpunkt aus ist die Schweiz sicher attraktiv. Wenn auch der Verteiltopf mit circa 27 Millionen Franken nicht wahnsinnig gross sei, wie Kummer bedauert.
Hart verdientes Geld in der Filmbranche
Die Idee eines «einheitlichen Bewilligungsverfahrens» für die Schweiz von Regina Begert, hält Kummer jedoch für einen zu starken Eingriff in die Autonomie der Kantone und auch der Gemeinden. Jeder Standort müsse immer noch selber entscheiden können, je nach Gegebenheiten. Ausserdem müsse sich jeder, der sich für die Filmerei entscheidet, bewusst sein: «Es ist schwer, von diesem Beruf zu leben. Jedem empfehle ich vier, fünf, zehn Mal darüber nachzudenken, ob er das wirklich will. Es ist kein «9 to 5»-Job. Natürlich ist es trotzdem eine schöne Arbeit, aber der Verdrängungskampf wird in Zukunft bestimmt noch härter werden.» Und gerade Kummer, der während 24 Jahren als Produzent tätig war, muss es wissen.
Was also tun, mit der potenziell attraktiven, aber bis jetzt eher kleinen Filmlandschaft Schweiz? In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob man die Baustelle Film Schweiz gezielt fördern möchte und es möglich wird, es nationalen und internationalen Produktionen leichter zu machen, den vielfältigen Standort zu nutzen. Ansonsten werden es sich nicht nur ausländische Filmemacher zweimal überlegen, in der kleinen und teuren Schweiz zu drehen, sondern auch einheimische Produktionen. Die Förderungstöpfe müssen einfach in Zukunft grösser werden, denn der Kampf um Gelder wird immer härter, das ist Ivo Kummer bewusst: «Es drängen immer mehr jüngere Generationen, welche die Filmschule gerade erst abgeschlossen haben, auf den Markt. Da hab ich schon meine Zweifel, ob genügend Geld vorhanden ist, dass man als Filmemacher davon leben kann.»